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Digitale Fertigung: Gigler Holz Design im Porträt

Digitale Fertigung
Macher und Visionär

Schreinermeister Josef Gigler ist einer der 100 innovativsten Unternehmer in der Betriebsgröße bis 50 Mitarbeiter in ganz Deutschland. Was macht seinen Betrieb besonders, was macht er anders als andere? Ein Werkstattbesuch in Neubeuern im Chiemgau.

Ein kalter, sonniger Tag im Januar. Der Schnee knirscht unter den Schuhen auf dem kurzen Weg vom Auto zur Werkstatt von Holz-Design Gigler in Neubeuern, unweit von Rosenheim. »Der Chef? Der ist nebenan im Wohnhaus«, erfährt man, und wird zum modernen, verschindelten Holzhaus quer über den Hof geleitet. Der Hausherr empfängt den Gast auf Socken und bittet hinein. Da sitzt man nun, an einem langen Tisch aus massiver Eiche, schaut durch die komplett verglaste Südseite des Hauses auf ein unbeschreibliches Alpenpanorama und ist erstmal überwältigt.

Schreinermeister Josef Gigler macht Kaffee. Vor einem halben Jahr ist er von der Jury des Wettbewerbs »Top 100« zu einem der innovativsten Unternehmen Deutschlands in der Größenklasse bis 50 Mitarbeiter gekürt worden. Gewürdigt wurden insbesondere die »innovativen Prozesse und Organisation« des Betriebes sowie die »Außenorientierung«. Doch was heißt das genau, was ist bei Holz-Design Gigler denn nun so besonders und was können andere davon lernen?

Natur und Hightech

Um das zu verstehen, muss man ein paar Jahre zurückgehen. Josef Gigler ist 15, als er 1989 mit der Schreinerlehre beginnt. Aufgewachsen auf einem Bauernhof, soll er nach der Vorstellung der Eltern eigentlich Metzger werden. Doch das taugt dem naturbegeisterten Jungen nicht. Im Schreinerberuf geht er auf, richtet sich noch während der Lehre seine erste Werkstatt ein und verbringt jede freie Minute dort. Nach Feierabend liest er Fachbücher, nicht nur über Holz, sondern auch über Naturwissenschaften: Mathe, Physik, Technisches Zeichnen – alles was er an Literatur kriegen kann. Es schließen sich eine Metallbaulehre an, danach Ausbildungen zum Holztechniker, Schreinermeister, Baubiologen, Betriebsinformatiker und CAD-Konstrukteur. Schon 1995 wickelt er als Dienstleister große 3D-CAD-Konstruktionsprojekte für Schreinereien ab und hält Vorlesungen zum Thema CNC-Technik an der Hochschule in Rosenheim. 1998 schließlich gründet er Holz-Design Gigler.

Der digitale Zwilling ist Standard

Mit 18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern realisiert Gigler Bauten für Events und Ausstellungen, Möbel, Einrichtungen und skulpturale Objekte. In der Verbindung von klassischem Handwerk mit einem nahezu industriellen Produktionsprozess entsteht außergewöhnliche Qualität. Ob es um das detailgetreue Fräsen eines Landschaftsreliefs geht oder das Abbilden mathematischer Reihen in einer Deckenverkleidung: Quelle der Inspiration sind dabei häufig Mechanismen, Muster und Strukturen aus der Natur. Wie überhaupt Natur und Hightech in Neubeuern mitnichten als Gegensatz verstanden werden. Im Gegenteil: Die Symbiose aus beidem macht in gewisser Weise die Einzigartigkeit des Betriebs aus.

Jedes Teil, das in der Werkstatt gefertigt wird, hat einen digitalen Zwilling, wurde vorher in Imos 3D-gezeichnet und mit den erforderlichen Bearbeitungen versehen. Exemplarisch dafür steht das von Josef Gigler selbst entworfene Wohnhaus: Vom Keller bis zum Dach und bis zur kleinsten Leiste wurde hier jedes Bauteil vorab von ihm durchkonstruiert und nach dem digitalen Plan gefertigt. BIM, »Building Information Modeling« ist im Baubereich die Zukunft, seit 2016 in Neubeuern gebaute Realität. Dass Gigler für das Gebäude den Rosenheimer Holzbaupreis erhalten hat, sei hier nur am Rande bemerkt.

Vernetzte Werkstatt seit 2002

Aufwand und Intelligenz stecken bei Holz-Design Gigler in der Konstruktion, die Produktion läuft dann nahezu automatisiert ab. Die »vernetzte Werkstatt« wurde erstmals 2002(!) realisiert und seitdem kontinuierlich weiterentwickelt. Als Betreuer von mehr als 15 Bachelor-, Master- und Technikerarbeiten sucht Josef Gigler immer wieder den Austausch mit Studierenden und optimiert so nebenbei die eigene Fertigung. Sein Interessengebiet reicht dabei weit über das übliche Spektrum hinaus: in einem dreijährigen Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Bildung u. Forschung analysierte er z. B. das Systemverhalten einer flexiblen Roboterzelle. Aus der Verbindung von Robotik, Informatik und CNC-Technik ist der im Aufbau befindliche Geschäftsbereich »Freiform« hervorgegangen, in dem Gigler komplexe Freiformteile nach einem standardisierten Prozess für weltweite Großprojekte bearbeiten will – als Datendienstleister und/oder Produzent.

Vom Produzenten zum Dienstleister

Womit man der Frage ein Stück näher kommt, was andere Betriebe denn nun von Josef Gigler lernen können. Vielleicht das: Die Optimierung der Produktion hat für ihn nicht zum Ziel, billiger am Markt anzubieten. Denn: »Nur mit Produzieren lässt sich keine hohe Wertschöpfung erzielen. Das Schreinerhandwerk hat sich aus seiner Sicht gewandelt, der Fokus verschiebt sich von der Produktion auf die Dienstleistung. Der Schreiner ist beim Kunden vor Ort, er kann beraten, gestalten, planen, konstruieren – diese Stärken gilt es zu nutzen und auszubauen«.


Beim Besuch von dds-Chefredakteur Hans Graffé präsentierte Josef Gigler dem Gast erstmal eine dds-Ausgabe von 1995: In der war sein damals schon komplett digital konstruiertes Meisterstück vorgestellt worden.


Steckbrief

Holz-Design Gigler
Möbel, Einrichtungen, Eventbauten, Museums- und Ausstellungsarchitektur, skulpturale Objekte

Inhaber: Josef Gigler
18 MitarbeiterInnen

83115 Neubeuern
www.holz-desgin-gigler.de

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