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Gesellinnenstück mit feministischer Botschaft

Gesellinnenstück mit feministischer Botschaft: Interview mit Lena Sendtner, Berlin
Feministische Botschaft

Lena Sendtner hat im Sommer 2023 mit ihrem Gesellinnenstück an der Max-Bill-Schule Berlin einen regen Diskurs entfacht. Im Interview berichtet sie von ihrer Idee und der handwerklichen Umsetzung.

Lena, eine in Strohmarketerie stilisierte Vulva ist selbst in Berlin ein seltenes Gesellinnenstück. Wie kam es dazu?

Im Herbst 2022 habe ich mit anderen Azubis an einem Austausch in Frankreich teilgenommen und in einem Museum zum ersten Mal ein mit Stroh belegtes Möbel gesehen. Im Praktikumsbetrieb ist mir dann bündelweise farbiges Stroh aufgefallen und ich habe selbst eine Musterfläche in dieser Technik versucht. Das war der Anfang damit.

Wie geht Strohmarketerie?

Mit dem sogenannten Falzbein werden die Halme aufgetrennt und geglättet. Jede Kante wird mit Lineal und Skalpell nachgezogen. Dann setzt man Stück für Stück die Fläche zusammen, indem die schmalen Streifen auf der matten Seite beleimt und mit dem Falzbein auf das Werkstück aufgebracht werden. Sorgfältig werden die Leimreste dabei mit einem feuchten Lappen entfernt. Die Konturen des Motivs habe ich zuvor auf die MDF-Fläche übertragen.

Dein Gesellinnenstück trägt den Namen Yoni und zeigt eine Vulva.

Das ist eine organische Form, die überall in der Natur vorkommt. Der Name Yoni bezeichnet im Sanskrit die weiblichen Geschlechtsorgane, hat aber auch noch erweiterte Bedeutungen, wie etwa Raum oder Stätte des Bleibens. Das fand ich eine schöne Verbindung zu einem Möbel, in dem etwas aufgehoben wird, zum Beispiel ein Tagebuch.

Hat das Motiv darüber hinaus eine Symbolik, die dir wichtig ist?

Mit meinem »nicht Mann sein« habe ich mich in der Ausbildung weitaus mehr beschäftigt, als ich das sonst musste. Feminismus bedeutet für mich Gleich-berechtigung, dabei geht es nicht nur um Menschen mit Vulva. Auch positivem Sexismus liegt ein ausgrenzendes Rollenbild zugrunde: Oh, da steht eine Frau in der Werkstatt. Und nicht: Da steht ein Mensch, der ein Handwerk kann.

Was sollte sich verändern, damit sich etwas verändert?

Nicht männliche Personen erfahren in Betrieben häufiger als andere Sexismus, müssen sich zum Beispiel Sprüche über ihr Aussehen anhören. Dieses Klima ist toxisch. Junge Menschen, die sich für das Handwerk begeistern und sich mit ihrer Arbeit identifizieren möchten, brauchen Menschen, die an sie glauben, die ihnen auf Augenhöhe begegnen. Dafür sollte es einen geschützten Raum geben.

Wie haben Menschen auf Dein Gesellinnenstück reagiert?

Viele hatten zuvor noch kein mit Stroh belegtes Möbel gesehen. Manche haben die Vulva entdeckt, andere haben ein Blatt gesehen oder die intensiven Farben. Manche haben mit Schamhaftigkeit reagiert, andere haben die Vulva gefeiert, die auch im Kontext Handwerk etwas ganz Normales sein kann. Ich fand den angeregten Diskurs wertvoll, wie in einer Kunstausstellung. Letztlich habe ich das Stück aber für mich gebaut und bin sehr glücklich mit dem Resultat.

Geht es für Dich als Tischlerin mit der Strohmarketerie weiter?

Es gibt weitere traditionelle Techniken, die ich gern erkunden möchte. Ich freue mich, über das EU-Programm Erasmus+ für einige Monate (bis zu einem Jahr) ein bezahltes Praktikum im Ausland machen zu können. So habe ich die Möglichkeit, auch in kleinere Betriebe hereinzuschauen und zu lernen.

Das Interview führte dds-Redakteur Johannes Niestrath

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