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Eine unendliche Geschichte?

Technik
Eine unendliche Geschichte?

Seit August 2008 gilt in der Werkstatt der Grenzwert von 2 mg einatembarem Holzstaub pro Kubikmeter Luft. Georg Krämer fasst zusammen, was der Tischler und Schreiner inzwischen beim Holzstaub zu beachten hat und welche technischen und organisatorischen Maßnahmen helfen.

Holzstaub allgemein gilt gemäß der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS 905) nach wie vor als krebserzeugender Gefahrstoff. Das gilt insbesondere für »Hartholz«-Stäube (TRGS 906 Verzeichnis krebserzeugender Tätigkeiten oder Verfahren). Das verursachende Prinzip ist jedoch noch nicht identifiziert.

Das Holz-Zentralblatt vom 4. 12. 2002 tituliert, dass »Holzstaub bald kein Gefahrstoff mehr« sei. Der Beitrag bezieht sich auf die Langzeitstudien des Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg in 1999/2000, wonach kein eindeutiges krebserzeugendes Potenzial durch Eichen- und Buchenstaub an Tieren festgestellt werden konnte. Weiter wirkt Holzstaub bestimmter Holzarten bei dafür empfindlichen Menschen als sensibilisierender Gefahrstoff im Kontakt mit der Haut oder in den Atemwegen (TRGS 907). Während die Europäische Union einen Grenzwert von 5 mg/m³ Luft fordert, gilt seit August 2008 für Holzstaub durchgängig ein Schichtmittelwert (= 8 Stunden pro Schicht) von maximal 2 mg einatembarem Holzstaub pro m³ Luft (Messmethoden beachten): »Die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) geben den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowie sonstige gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, einschließlich deren Einstufung und Kennzeichnung, wieder. Sie werden vom Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) aufgestellt und von ihm der Entwicklung entsprechend angepasst.«
Absaugtechnik
Weder Absaugtechnik noch Holzstaub sind in der Berufsbildung prüfungsrelevant. Die ohnehin notwendige Absaugtechnik ist integraler Bestandteil der Fertigungstechnik in der Holzwirtschaft und durchzieht im wahrsten Sinne des Wortes den gesamten Betrieb:
  • Die Betriebskosten (u.a. elektrische Energie, Wärmeenergieverluste) für Absaugtechnik übersteigen mehrfach die Investitionskosten bezogen auf die technische Nutzungsdauer der Absauganlage. Mehr als ein Viertel der Stromkosten in produzierenden Betrieben entfallen auf die Absaugung. Eine überdimensionierte Absauganlage mit unnötigen Rohrwiderständen z. B. durch geknickte flexible Schläuche oder offene Handschieber oder Fehlluft erfordert zusätzlich erhebliche elektrische Energie.
  • Holzstaub und Späne können als privilegierter Brennstoff kostengünstig und versorgungssicher zur Wärmeerzeugung eingesetzt werden. Statt Entsorgungskosten zu zahlen, können die gesammelten Holzreste in einer Holzrestefeuerung die Wärmeverluste durch Abluftführung kompensieren oder sogar den Betrieb versorgungssicher und kostengünstig beheizen.
  • Eine integrierte Absaug- und Heiztechnik gibt dem Betrieb eine innere Ordnung, um sich auf eine qualitativ hochwertige Leistungserstellung zu konzentrieren.
  • Die Absaugung erhöht die Qualität der Fertigung sowie die Qualität der Arbeitsbedingungen.
  • In jedem Betrieb müssen Arbeitsbedingungen, Gefahrstoffe und Explosionsgefahren vor Arbeitsaufnahme durch abhängig Beschäftigte im Rahmen einer Arbeitsbereichs- und Gefährdungsanalyse ermittelt, beurteilt und dokumentiert werden.
Längst hat sich die Überprüfung von Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit von der Werkstatt ins Büro verlagert. Liegen Betriebsanweisung Holzstaub, Unterweisung zu Holzstaub als Gefahrstoff und eine Arbeitsbereichs- und Gefährdungsanalyse nicht vor, wird davon ausgegangen, dass die Werkstatt kein staubarmer Arbeitsbereich ist. Dann besteht Handlungsbedarf oder eine sehr teure und wenig hilfreiche Verpflichtung zur Messung des Holzstaubgehaltes in der Atemluft.
Pflichten des Arbeitgebers
Nach § 5 (1) Arbeitsschutzgesetz hat der Arbeitgeber »durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind«. Die Ermittlung der Arbeitsbedingungen erfolgt durch eine Gefährdungsanalyse (hinsichtlich der Stoffe, Werkzeuge und Arbeitsverfahren sowie der eingesetzten Beschäftigten) und eine Arbeitsbereichsanalyse (hinsichtlich der räumlichen und nach typischen Tätigkeiten abgegrenzten Bereiche), deren Ergebnisse beurteilt und dokumentiert werden müssen. Der Handlungsbedarf muss hinsichtlich der Maßnahmen und Umsetzungsfrist dokumentiert werden. Hierzu bietet die Holz-BG hilfreiche Formblätter und Informationen an.
In der Arbeitsbereichs- und Gefährdungsanalyse müssen die Arbeitsbedingungen zu Holzstaub (= einatembarer Holzstaub < 100 μm aerodynamischem Durchmesser nach DIN EN 481) ermittelt, beurteilt und dokumentiert werden,
  • als krebserzeugender bzw. sensibilisierender Gefahrstoff nach Gefahrstoffverordnung (GefStoffV / TRGS 553) sowie
  • als brand- und explosionsfähige Atmosphäre (= untere Explosionsgrenze UEG für Holzstaub beträgt 30 g/m³; Korngröße < 200 μm) nach Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV). Explosionsfähige Holzstaub-Luftgemische kommen in der Regel im Innern von Filteranlagen und Spänebunkern vor.
Ziel: Staubarmer Betrieb
Alle genannten Regelwerke finden sich unter www.baua.de. Die TRGS 553 Holzstaub beschreibt, wie Informationen ermittelt und Gefährdungen durch Holzstaub beurteilt werden können. Für das Ziel, staubarme Betriebsarten, Bereiche, stationäre Maschinen, Schleif- und Handarbeitsplätze zu erreichen, sind neben technischen Maßnahmen folgende persönliche und vor allem organisatorische Maßnahmen erforderlich:
Technische Maßnahmen
  • Absauganlage nach Stand der Technik
  • staubarme Maschinen
  • automatische Schieber (nicht direkt zugängliche Handschieber sollten durch automatische Schieber ersetzt werden)
  • holzstaubgeprüfte Staubsauger / Entstauber
Persönliche Maßnahmen
  • Atemschutzmasken (atemwegssensibilisierender Holzstaub und zeitliche Überschreitung des Luftgrenzwertes für bestimmte Arbeitsbereiche, Maschinen oder Tätigkeiten)
  • Handschuhe (hautsensibilisierender Holzstaub)
Organisatorische Maßnahmen
  • Betriebsanweisung »Holzstaub« gemäß § 20 Gefahrstoffverordnung
  • jährliche Unterweisung »Gefahrstoffe« gemäß § 20 Gefahrstoffverordnung
  • Reinigung mit geprüftem Industriestaubsauger
  • Kapselung oder Trennung von Maschinen und Arbeitsbereichen
  • Luftgeschwindigkeitsmessung für festgelegte Betriebszustände (gleichzeitiger Betrieb bestimmter Maschinen)
  • Regelmäßige Prüfung der Absaugung, Rohrleitungen, Erfassungselemente, Filter, Abreinigung und Austragung, Überwachung des Reststaubgehaltes und Rückluftführung
Für die Projektierung und Beurteilung einer Absauganlage geben Maschinenlayout, Zerspanungsleistung, Maschinenlaufzeiten (Maschinenstundenzähler) und Anzahl der gleichzeitig laufenden Maschinen Auskunft über die zu erwartende Staubbelastung. Neue Maschinen sollten staubgeprüft sein und mit Maschinenstundenzählern ausgestattet werden.
Mobilentstauber mit bis zu 6000 m³/h Luftvolumen können mehrere Maschinen bis zu einem maximalen Gesamtrohrdurchmesser von 300 mm gleichzeitig absaugen. Sie vereinen alle technischen Anforderungen einschließlich Luftrückführung, Brand- und Explosionsschutz, Füllstandsüberwachung und automatische Filterreinigung und können im Arbeitsraum aufgestellt werden. Nachteilig ist die zusätzliche Lärmbelastung; das geringe Sammelvolumen von 0,5 m³ kann durch eine Brikettierpresse oder Austragung kompensiert werden. Maschinenstundenzähler ermöglichen eine Nachkalkulation und die Abschätzung der Energiekosten.
Grenzwert nicht einhaltbar?
TRGS 553, Ausgabe August 2008, Seite 5–6: »Bei Tätigkeiten, bei denen alle Möglichkeiten weiterer technischer und organisatorischer Schutzmaßnahmen ausgeschöpft sind, bei denen aber dennoch der Schichtmittelwert von 2 mg/m³ nicht eingehalten werden kann, ist den Beschäftigten zu tragende persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung zu stellen. Dies ist unabhängig von der Einhaltung des Schichtmittelwertes auch dann der Fall, wenn Maschinen und Anlagen betrieben werden, an denen nach dem Stand der Technik nur ein Schichtmittelwert von 5 mg/m³, nicht aber von 2 mg/m³ eingehalten werden kann … Das Tragen von belastendem Atemschutz darf nur von begrenzter Dauer sein und ist für jeden Beschäftigten auf das unbedingt erforderliche Mindestmaß zu beschränken. Auf Wunsch der Beschäftigten soll ihnen auch bei Einhaltung von 2 mg/m³ persönliche Schutzausrüstung (Atemschutz, Schutzbrille) zur Verfügung gestellt werden. Als Atemschutzgeräte sind, sofern kein Sauerstoffmangel vorliegt, geeignet
  • Halb- / Viertelmaske mit P2-Filter
  • Partikelfiltrierende Halbmasken FFP2 und
  • Filtergeräte mit Gebläse TM 1P oder solche mit Gebläse und Helm oder Haube TH2P, wenn diese eine Warneinrichtung für den Gebläseauffall besitzen.«
Tätigkeiten, bei denen Atemschutz zu tragen ist, sind zu ermitteln und zu dokumentieren. Die Beratungsstellen der Handwerkskammern und Fachverbände, der Holz-BG und der staatlichen Einrichtungen für Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit sowie freiberufliche Ingenieurbüros können Hilfestellung bei der Umsetzung der TRGS 553 Holzstaub geben. Die Holzfachschule Bad Wildungen bietet regelmäßig Seminare zu dem vom Bundessozialministerium anerkannten Sachkundenachweis Holzstaub an.
Dipl.-Holzwirt Georg Krämer, Holzfachschule Bad Wildungen, Fachbereich Technologietransfer

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