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Um die Ecke gedacht

Ausbildung
Um die Ecke gedacht

Besondere Details und eigenständige Ästhetik zeichnen drei Regalsysteme aus, die 2013 in der Meisterausbildung an den Schulen für Holz und Gestaltung Garmisch-Partenkirchen entstanden sind. Schauen wir genau hin!

Regal ohne Ende nennt das Entwurfsteam Rittirsch, Schöllhorn und Großkurth ihr Möbel, das aus nur zwei Bauteilen besteht und sich in Länge und Breite endlos erweitern lässt. Den Stollen als konischen Schwalbenschwanz auszubilden, der form- und kraftschlüssig in den Fachboden greift, geht sehr wahrscheinlich auf den jungen Schweizer Designer Lucien Gumy zurück (vgl. Randspalte).

Die darauf aufbauende Entwurfsleistung liegt darin, die einseitig angefräste konische Schwalbe in Länge und Breite zu spiegeln und so zu einem zopfartigen Profil zu erweitern, dass auf Höhe der Knotenpunkte zu jeder Seite die Verbindung mit bis zu zwei sich gegenüberliegenden Fachböden möglich ist . So lassen sich endlos breite und durch Höhenversatz auch endlos lange Regale bilden. Die exakte Nivellierung der Stollen ist die Achillesferse der Konstruktion, denn der perfekte Kraftschluss mit den Böden ist nur auf einem Niveau gegeben. Stellfüße sorgen für die nötige Präzision.
Die Fachböden sind in der Breite gespundet. An das dünne Mittelfries schließen sich nach außen hin dicker werdende Seiten an, was den Materialeinsatz minimiert und die Leichtigkeit des Möbels auch optisch erhöht. Nicht sichtbar eingebrachte Verschwertungen halten die Oberfläche plan.
Das Regal »Hiltrud« zeigt ein klassisches Konzept, welches durch das Team Treugut, Thies und Frey virtuos interpretiert wurde: Lose auf Bodenträgern aufliegende Fachböden überragen hier beidseitig die stabilen Stollengestelle, deren konstruktiver Charakter eine filigrane Bauweise erlaubt: Durch geschlitzte Rahmenecken und Verstrebungen über beide Diagonalen entstehen verwindungssteife Rahmen, die mit gedübelten Stegen und seitlichen kurzen Diagonalen verbunden sind. Die Rahmen können so auf 23 x 23 mm Querschnitt beschränkt werden. Die 12 mm dünn formverleimten Böden, deren leicht eingerückte Aufkantung im Wechsel oberhalb und unterhalb der Oberfläche zu liegen kommt, sind beidseitig mit graugrünem Linoleum belegt. Sie geben dem Möbel durch ihre markante Wellenform einen heiteren, leicht improvisierten Charakter. Das ursprünglich statische Element der Verschwertung ist durch die starke Betonung der Horizontalen auch gestalterisch wirksam.
Auch dieses Regal fasziniert durch minimierten Materialeinsatz und die mögliche Endlosbauweise: Hierzu können die Fachböden auch zwischen die Stollengestelle gelegt werden.
Einen ganz anderen Regaltypus hat sich das Team Thaler, Birk und Goldbrunner vorgenommen. Ihr »Reagl für Buntes« lehnt an der Wand oder bildet gedoppelt eine Brücke, die durch wie Trittstufen eingelegte Fachböden an eine Bockleiter erinnert. Dabei ist das Möbel nicht auf ein Regal festgelegt, es funktioniert auch als Garderobe mit oder ohne Ablage. Um den Anblick der Lochreihe in der Frontalen zu vermeiden, wurde rückseitig in die Holme gebohrt; lange Bodenträger fangen hier die Kipplast der Böden ab. Nach vorn hin werden sie durch die schräg stehenden Holme in passgenauen Ausklinkungen gehalten. Der Krümmling des Bügels ist nicht formverleimt sondern aus Bugholz gefertigt. Wegen des helleren und leichteren Erscheinungsbildes entschied sich das Team für Eschenholz. Eiche oder Ulme wären zum Dämpfen und Biegen ähnlich gut geeignet.
Wie das »Regal ohne Ende« und Hiltrud« zeigt auch das »Regal für Buntes« eine große Sorgfalt im Detail. So sind die Fachböden in der Hauptansicht von der Vorderkante bis zum Holm abgeplattet um eine geringere Dicke zu vermitteln. In Kontur und Profil erinnern sie an einen Flugzeugflügel. So ist es bei allen drei Entwürfen hervorragend gelungen, Leichtigkeit und Stabilität in ein spannungsvolles Verhältnis zu führen.

Das Meisterprojekt
Im zweiten Semester der dreisemestrigen Meisterausbildung an den Schulen für Holz und Gestaltung Garmisch-Partenkirchen findet eine mehrwöchige Projektarbeit statt. Jeder Schüler entwickelt Ideen zu einem Möbelthema. In Kleingruppen wird je eines der Stücke weiterentwickelt und gefertigt.

Das Vorbild?

Lucien Gumy gewann auf der IMM Cologne 2013 den D3-Contest für junge Designer mit einem Regal, dessen Stollen als konische Schwalbenschwänze selbstspannend in die Fachböden greifen.

Inspiration?

Auf dieses Regal von Lucien Gumy geht womöglich auch die Idee zurück, »Hiltrud« als Endlosregal mit versetzten Fachböden zu konzipieren.
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