Ausbildung
Ein gelungener Wurf
Der Schreibtisch von Martin Geister beflügelt in seiner Symbolkraft die Fantasie: Man denkt an eine Trillerpfeife, eine umgedrehte Schnecke, einen stilisierten Buchstaben … Ursula Maier hat sich mit der Konstruktion des Meisterstücks befasst.
Ursula Maier, Markgröningen, Maître Ébéniste, Innenarchitektin BDIA
Kühn und selbstbewusst ragt die Platte des Schreibmöbels in den Raum und verbindet sich mit dem runden Körper, der einen ausgewogenen Unterbau bildet. Der königliche Nussbaum mit breitem Splint ist raffiniert zusammengesetzt – die Längsstöße sind nicht sichtbar und unterstreichen die geometrische Form durch eine dreigeteilte Streifung, die massiven Kanten wurden nach innen abgeschrägt. Die Tischplatte ist an beiden Enden abgerundet, und ihr Abstand zum Oberboden über den Schubkästen ist harmonisch bemessen. Die zurückgesetzten Doppel und gleichaussehenden Rückseiten aus hinterlackiertem Glas zeigen eine kontrastreiche Grünabstufung zum Nussbaum.
Besonders gefallen mir die Schubladen, die mit ihren gewölbten Seiten den möglichen Stauraum optimal nutzen! In das freie Segment unterhalb der untersten Schublade sind Gegengewichte für die Platte eingeschoben. Die Schübe sind unsichtbar durch Auszüge mit integrierter Tipp-On-Funktion auf den Zwischenböden geführt, die gleichzeitig den Korpus stabilisieren. Der metallene Fußsockel ist statisch notwendig. Die Platte und Korpushülle bestehen aus sechs Schichten Biegesperrholz. Die Konstruktionszeichnung zeigt die nicht sichtbaren Verschraubungen und lässt so auch den Aufbau und den Arbeitsablauf erkennen.
Martin Geister hat ein gelungenes Meisterstück vorgelegt! Es würde mich interessieren, wie stark die auskragende Platte letztlich schwingt – das ist bei der Planung nur schwer vorauszusehen. Auf der Zeichnung ist noch eine Metallstütze zwischen Korpus und Platte eingezeichnet, in der Abbildung sehe ich einen ziemlich massiven Abstützwinkel. Es tröstet, dass der Tisch wohl so breit ist, dass der Winkel aus der normalen Aufsicht wahrscheinlich wenig zu sehen ist. Ich empfinde ihn in dieser Form dennoch als Fremdkörper. Mit hochkantigen Glas- oder Metallschwertern hätte hier eine ästhetischere Lösung gefunden werden können, die dazu noch Steckdosen und Kabelführung integriert.
»Hochkantige Schwerter aus Metall oder Glas könnten die massive Plattenstütze ersetzen.«
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