Genau hingeschaut

Handwerkliche Details vermitteln optisch und haptisch ihre eigene Ästhetik: Im Fischgrätmuster gefügtes Furnier zitiert das klassische Webmuster von Textilien, ein sanft profiliertes Stollen-Zargen-Gestell gerät zum Handschmeichler, gefräste Prismen lassen Korpuselemente wie solitäre Monolithen erscheinen und sogar die eingesetzte Feder einer Schiebetür setzt im Hirnholz betrachtet ein fachliches Statement. Oft offenbaren sich diese Details erst auf den zweiten Blick und locken dann ein Lächeln hervor: Sie zeugen von durchdachter Konstruktion, einem Sinn für den Akzent an der richtigen Stelle und gar nicht so selten auch von Humor – wenn sich etwa der vermeintliche Stahlkäfig um vermeintlich geschlossene Würfel erst in der Öffnungsfunktion als Täuschung offenbart.

Mein Lieblingsvertreter in der Kategorie Humor ist bei unserer Auswahl in diesem Beitrag gar nicht zu sehen, nur zu hören: Und zwar erst dann, wenn das Gesellenstück vom Kopf auf die Füße gestellt wird. Die Rede ist von einem Schreibtisch, der neben seiner üblichen Höhe auch noch die Option auf Kniehöhe bereithält – dazu werden die beiden Gestellrahmen einfach bei umgedrehtem Tisch mit ihren längeren Schenkeln unter die Tischplatte geschoben. Und erst dann hört man beim erneuten Umdrehen zurück auf die Füße ein Klackern wie auf der Murmelbahn: Nur durch die eigene Schwerkraft bewegt, fällt ein Bolzen in ein unsichtbares Sackloch und sichert die beiden Gestellrahmen in ihrer Position gegen Herausziehen. Hätte ich es nicht vorher in der Stückbeschreibung gelesen, ich rätselte vermutlich heute noch über das Geräusch. Auf solche Ideen kommen nur Schreiner und Tischler. Ich wüsste kaum einen anderen Beruf, der gleichermaßen zum Tüfteln und Gestalten anregt. Macht unbedingt weiter so!

dds-Redakteur Johannes Niestrath weiß als Jurymitglied Gute Form das Privileg zu schätzen, Gesellenstücke in allen Funktionen bedienen zu dürfen, was in einer öffentlichen Ausstellung verständlicherweise nicht möglich ist.