Das Sideboard hat sich als Möbelstück aus der Esszimmeranrichte herausentwickelt – unter Verzicht auf die Vitrine und die ohnehin schlecht zugänglichen unteren Partien. Übrig blieb ein schlankes, längliches Volumen für Geschirr, Hochprozentiges, hier auch für DVDs, Tischdecken, Deko und anderen Kleinkram. Es ruht in der Regel mit luftig auskragenden Enden auf einem etwas kürzeren Doppelbock oder es ist eine Wandbefestigung vorgesehen. Die allerdings erfordert eine schnurgerade Wand, die es selten gibt!
Simon Riedl hat das Sideboard als selbstbewusstes Möbel interpretiert, dessen Bedienung sich aufgrund feinfühlig entwickelter und an den richtigen Stellen platzierter Griffe selbst erklärt. Die Ausfräsungen der beiden Gestellscheiben sorgen für einen weitgehend wackelfreien Stand. Kompositorisch wurde hier eine besondere Variante gewählt: das kubische Volumen aus Eichenholz scheint, ähnlich wie im Brückenbau, durch ein metallisches Traggerüst geschoben und ist mit einer dunklen Haut aus geräucherter Eiche verkleidet; eine Tragwerkslogik, die intuitiv überzeugt. Der Blick in die Konstruktionspläne bringt dann aber eine handfeste Überraschung: Die beiden vertikalen Metallplatten, welche die Last des Sideboards auf den Boden bringen, zerschneiden das Möbel in drei Teile! Im Mittelteil wird das sehr stabile Trapezvolumen an den Enden mit den schräg stehenden Metallplatten verschraubt. Die seitlich auskragenden Volumen sind mit horizontalen Zwischenböden auf Auflagen aus winkelsteifem Stahl montiert, die als Knaggen des mit ihnen verschraubten Gestells fungieren. Manchmal ist es auch ganz schön kompliziert, wenn etwas ganz einfach aussehen soll. Aber, wie die Geschichte der Gestaltung lehrt, ist dies zu beherrschen auch ein Ausdruck von Meisterlichkeit!
Prof. Axel Müller-Schöll lehrt an der
Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle
Innenarchitektur und Ausbaukonstruktion.
dds und dem Tischlerhandwerk ist er seit vielen Jahren beratend und als Autor verbunden.