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Schnell, schneller, Halogen

Technik
Schnell, schneller, Halogen

Mit der Halogentrocknung lässt sich die Durchlaufzeit im Lackierraum um ein Vielfaches verkürzen. Horst Kastner, Technischer Berater bei Schreiner Baden-Württemberg fasst die wesentlichen Aspekte des Verfahrens zusammen.

Dipl. Ing. (FH) Horst Kastner, Technischer Berater Landesfachverband Schreiner Baden-Württemberg

Nachdem bei vielen Aufträgen die Zeitspanne zwischen Auftragserteilung und Montagebeginn immer kürzer wird, sind die Betriebe gezwungen, die Durchlaufzeit eines Fertigungsauftrages ständig weiter zu minimieren. Aufgrund der langen Lacktrockenzeiten ist die Oberflächenbeschichtung bis heute ein Engpass in der Fertigung. Um kürzere Durchlaufzeiten zu erhalten, gilt es also, die Verweilzeit der lackierten Teile im Lackierraum zu reduzieren. Diese Möglichkeit bietet die sog. »Halogentrocknung«. Dabei handelt es sich um eine Technologie, die in den USA seit Jahren bekannt und in der Praxis bewährt ist.
Die Funktionsweise
Die Halogentrocknung ist eine Art der Strahlungstrocknung. Die Wärmeübertragung auf das zu trocknende Objekt erfolgt durch Halogenstrahler. Die Energie kann über Messsensoren so genau dosiert und gesteuert werden, dass z. B. auch komplizierte Formteile in 10 bis 15 Minuten im Durchlauf getrocknet werden können. Das verwendete Strahlungsspektrum beginnt im sichtbaren Bereich des Lichtes und reicht bis zum Infrarot(IR)-Bereich, mit einem Maximum im kurzwelligen IR-Bereich. Dieses Frequenzspektrum ist, z. B. im Gegensatz zu dem der Mikrowellenstrahlung, für den Menschen ungefährlich.
Die Kürze der Wellen führt dazu, dass die Strahlen relativ schnell und tief in die Werkstoffe eindringen und zur Trocknung von innen nach außen führen. Das bedeutet, dass selbst bei sehr starken Lackschichten der Lack auch in der Tiefe vollkommen getrocknet ist, wenn er von außen ausreichend trocken zum Stapeln oder Schleifen erscheint. Das Werkstück wird selbst in der Tiefe viel weniger erwärmt als bei anderen Verfahren. Holzfeuchteänderungen sind daher nahezu komplett auszuschließen.
Vorteile des Verfahrens
Gegenüber herkömmlichen Trocknungsverfahren ist die extrem kurze Trocknungszeit als Erstes und Wichtigstes zu erwähnen. Die meisten Lacke trocknen unter Halogenstrahlung so schnell, dass die Werkstücke teilweise bereits nach wenigen Minuten(!) schleifbar sind. Lediglich bei Lacken mit hohem Festkörpergehalt muss mit längeren Trockenzeiten gerechnet werden. In solchen Fällen kann es bis zu 30 Minuten dauern bis der Zwischenschliff vorgenommen werden kann. Die schnelle Trocknung hat darüber hinaus den Effekt, dass der Lack an den aufrechten Flächen deutlich weniger zum Laufen neigt und sich somit auch problemlos Korpusse trocknen lassen.
Durch die sehr kurzen Trockenzeiten wird nur noch wenig Platz für das Zwischenlagern benötigt. Mit drei Hordenwagen kann man bei einem Spritzstand schon auskommen. Erfahrungen aus der Praxis haben ergeben, dass ein Lackierer – bei gemischten Größen und Geometrien der zu bearbeitenden Teile – zwischen 45 und 60 Minuten Lackierzeit für die volle Belegung eines Hordenwagens benötigt. Die Trocknungszeit beträgt jedoch nur 5, 10, maximal 15 Minuten, je nach Lack und Werkstückgeometrie.
Ein weiterer Vorteil: es kann mit herkömmlichen Lacken gearbeitet werden. Eine Umstellung auf spezielle Lacksysteme ist nicht notwendig. Halogentrocknung ist prinzipiell bei allen Lacktypen (Wasserlacke, DD-Lacke, Nitro-Lacke, Polyester-Lacke usw.) möglich. Die Empfehlungen der Lackhersteller und der Anlagenanbieter sind zu beachten.
Die Anlagentechnik
Halogentrocknungsanlagen werden in Deutschland derzeit von zwei Unternehmen angeboten.
Die Ott-TenTec GmbH aus Baierbrunn bietet Anlagen von der kleinen mobilen Einheit bis zum industriellen Trockentunnel. Sie bestehen aus zwei Komponenten, der Strahlereinheit und der Reflexionswand, die gegenüberliegend aufgestellt werden. Das Leistungsspektrum reicht von 3,6 kW bis 33 kW. In Schreinereien und handwerklich strukturierten Innenausbaubetrieben kommen vornehmlich mobile Trocknungsanlagen zum Einsatz. Durch den geringen Platzbedarf können sie in nahezu jedem Lackierraum aufgestellt und bei Bedarf einfach zur Seite geschoben werden. Beim Betrieb der Anlage kann der Anwender zwischen zwei Leistungsstufen (30 und 100 %) wählen. Eine Infrarot-Sensorüberwachung gleicht permanent die Soll- mit der Ist-Temperatur ab und schaltet bei den definierten Werten automatisch aus bzw. wieder ein. Zeitrelais ermöglichen es, die Trocknungszeit genau vorzuwählen. Nach Ablauf schaltet die Anlage ab.
Zobel Chemie aus Worms bietet Halogentrocknungsanlagen unter dem Namen »HaloDry« an. Fünf Systemmodule zwischen stehen zur Wahl. Das Leistungsspektrum erstreckt sich von 3,7 bis über 100 kW. »HaloDry 1000« ist ein portables Gerät für Renovierungsarbeiten vor Ort. »HaloDry 2000« ist eine verfahrbare Kompaktanlage, bei der Gebläse die Trocknung unterstützen. Das Tunnelsystem »HaloDry 3000« mit beheizter Zuluft ist auf die industrielle Fensterbeschichtung ausgelegt. »HaloDry 4000« eignet sich als Allround-Tunnelanlage mit Warmluftgebläse für Hordenwägen. »HaloDry 5000« schließlich ist ein Flachbetttunnel für kontinuierlichen Durchlauf. In der Grundversion ist der Trockner als mobiles, auf Rollen verfahrbares System konzipiert und arbeitet mit 18 Strahlern und 12 Gebläsen. Der Trocknungsablauf erfolgt programmgesteuert, abhängig von Produkt und Material.
Die Wirtschaftlichkeit
Für eine Anlage mit einer handwerksüblichen Leistung von 7 kW muss mit einer Investition von ca. 10000 Euro gerechnet werden (Angabe der Fa. Ott), größere Anlagen beginnen je nach Leistung bei 15000 Euro bis 20000 Euro.
Bei der Betrachtung der Wirtschaftlichkeit dürfen die Mehrbelastungen für die Abschreibung der Trocknungsanlage und die entstehenden Stromkosten nicht außer acht gelassen werden. Ausgehend von einer Anlage mit einem Anschlusswert von 11 kW und einem Anschaffungspreis von 25000 Euro ergeben sich für die ersten zehn Jahre jährliche Mehrbelastungen von ca. 3500 Euro. Nach zehn Jahren Nutzung bleiben lediglich die Betriebs- und Instandhaltungskosten und die durch die Anlage verursachten Stromkosten übrig. Diese Mehrkosten werden jedoch durch die deutlich geringere Durchlaufzeit in der Regel mehr als ausgeglichen.
Fazit
Durch die Halogentrocknung wird es auch kleinen und mittelständischen Handwerksbetrieben zukünftig möglich sein, lange Durchlaufzeiten bei der Oberflächenbeschichtung zu vermeiden. Der ausschlaggebende Faktor zugunsten der Halogentrocknung ist die Zeitersparnis. Damit gehören lange Trocknungs- und Wartezeiten der Vergangenheit an. In der Praxis konnte durch den Einsatz der Halogentrocknung die Durchlaufzeit um ca. 75 % reduziert werden. Dies hat zur Folge, dass bei Bedarf Nachbestellungen oder dringend benötigte Ersatz- und Austauschteile an einem Tag komplett gefertigt werden können.

Kompakt Halogentrocknung
  • Strahlungstrocknung mit Intensitäts-maximum im kurzwelligen Infrarotbereich
  • extreme Verkürzung der Trockenzeiten
  • kompletter mehrschichtiger Lackaufbau in einem Tag möglich
  • prinzipiell geeignet für viele Lacktypen (PUR, Wasserlack, Polyester, Nitro …)
  • für handwerkliche und industrielle Anwendungen im Fensterbau, bei der Möbel-, Türen-, Treppenfertigung etc.
  • Investitionskosten je nach Anlagengröße ab ca. 10000 Euro

  • Adressen
    Folgende Unternehmen bieten Anlagen zur Halogentrocknung an:
    A. H. Ott KG, Königsdorf
    Zobel Chemie GmbH, Worms www.zobel-worms.de
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