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Revolution am Bau

Technik
Revolution am Bau

Die erstaunliche Leistungsfähigkeit einer Vakuumdämmung kennt man von modernen Thermoskannen. Wie weit ist die Technik, was den Einsatz im Baubereich angeht?

Dr. Ulrich Heinemann, Dr. Helmut Weinläder, Dr. Hans-Peter Ebert, Bayerisches Zentrum für Angewandte Energieforschung e.V, Würzburg.

Evakuierte Elemente in der Form von Vakuumisolationspaneelen (VIP) sind im Vergleich zu konventionellen Dämmstoffen fünf bis zehnmal effizienter. Ein 9 mm dickes Vakuumisolierglas (VIG) dämmt doppelt so gut wie eine herkömmliche Zweischeibenisolierverglasung, und das bei gleichem Gewicht. Um solche vorgefertigten, hocheffizienten, aber auch mechanisch sensiblen Elemente in die Gebäudehülle zu integrieren, muss anders geplant und auf der Baustelle anders gearbeitet werden. Nicht nur bezüglich der erheblich besseren Dämmwerte kann man daher von einer Revolution in der Wärmedämmung sprechen.
Vakuumisolationspaneele – VIP
Vakuumdämmungen beschränkten sich bisher auf kugelförmige oder zylindrische Gefäße (Thermoskanne), die in der Lage sind, den von außen lastenden Atmosphärendruck zu tragen. Der Atmosphärendruck von 1 bar entspricht einer Gewichtslast von 10 Tonnen pro Quadratmeter. Um diese enormen Druckkräfte aufzunehmen, ist bei flachen Elementen, den sogenannten Vakuumisolationspaneelen, daher ein drucktragendes Füllmaterial oder eine drucktragende Struktur innerhalb der Vakuumhülle erforderlich.
Anforderungen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden am Bayerischen Zentrum für Angewandte Energieforschung, ZAE Bayern, verschiedene Materialien untersucht und optimiert. Neben den thermischen und mechanischen Eigenschaften ist jedoch auch die Größe der Poren von Bedeutung. Je kleiner die Poren – entscheidend sind hier die größten Poren – umso geringer sind die Anforderungen an die Qualität des Vakuums, den für die Unterdrückung der Gaswärmeleitung benötigten »Unterdruck«. Das erforderliche Niveau des Innendrucks ist nicht nur für die Herstellung der Vakuumpaneele von Bedeutung, dieser Druck muss auch über die gesamte Einsatzdauer aufrechterhalten bleiben. Hier stellt sich die Frage: Wie dicht muss die Hülle sein, ist sie für die geplante Anwendung mit vorgegebenen klimatischen Bedingungen (Temperatur und Feuchte) und der geplanten Einsatzdauer dicht genug?
Füllmaterial und Hülle. In den vergangenen Jahren wurden speziell für die Anwendung im Bauwesen Vakuumisolationspaneele entwickelt und in den Markt eingeführt. Das Füllmaterial besteht im Wesentlichen aus pyrogener Kieselsäure, einem in einem Flammprozess technisch hergestellten, sehr fein strukturierten SiO2-Pulver. Manche bezeichnen dieses Material auch als »Sand in seiner feinsten Form«; die größten Poren in den Pulverpresslingen sind nur etwa 300 Nanometer klein. Ein Vorteil dieses Füllmaterials ist, dass auch bei Verletzung der Vakuumhülle und vollständiger Belüftung die Gesamtwärmeleitfähigkeit nur etwa halb so hoch ist wie bei herkömmlichen Mineralfaser- oder Polystyroldämmstoffen. Eingepackt werden diese Presslinge in spezielle Kunststoffhochbarrierelaminate. Mindestens drei Folienlagen des mehrschichtigen Aufbaus sind mit einer aufgedampften Aluminiumsperrschicht versehen. Da Alu ein hervorragender Wärmeleiter ist, werden die Sperrschichten mit jeweils etwa 20 Nanometer möglichst dünn gehalten. Verschlossen wird die Hülle durch Heißsiegeln. Man erhält Elemente, die in ihrem Aufbau vakuumverpacktem Kaffee ähneln: ein Pulverkern umgeben von einer speziellen Sperrschichtfolie. Großer Vorteil dieser Technik: Flexibilität in Bezug auf die Paneelgröße, relativ kurze Fertigungszeiten und vergleichsweise geringe Fertigungskosten.
Hersteller. Aktuell gibt es in Deutschland vier Firmen, die diese Art von VIPs für den Baubereich herstellen, zum Teil auch selber für Fassadenelemente verarbeiten. Ausführliche Informationen und Links zu den Herstellern findet man unter www.vip-bau.de.
Merkmale von VIPs. Die wesentlichen Merkmale der Vakuumisolationspaneele lassen sich wie folgt zusammenfassen:
  • extrem niedrige Wärmeleitfähigkeiten möglich: 0,002 bis 0,008 W/mK (im Vergleich zu 0,030 bis 0,045 W/mK bei Mineralfaser- oder Polystyrolschaum)
  • nanostrukturierte Materialen in Kombination mit speziellen Kunststoffhochbarrierelaminaten ermöglichen VIP-Produkte, die auch den extremen Anforderungen bzgl. der Dauerhaftigkeit, Funktionsdauern von mehr als 50 Jahren, genügen
  • die Hülle der Vakuumisolationspaneele ist verletzungsgefährdet. Transport, Handling und Verarbeitung sollten nur von eingewiesenem Personal erfolgen
  • der Wärmebrückenproblematik ist besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Im gleichen Maß, wie durch VIPs die Stärke einer Wärmedämmschicht verringert werden kann, verschärft sich das Problem von Wärmebrücken.
Einsatzbereich und Preis. Im Vergleich zu einer konventionellen Wärmedämmung ist die Vakuumdämmung heute noch deutlich teurer. VIPs werden daher insbesondere dort eingesetzt, wo ihre spezifischen Vorteile zum Tragen kommen, hocheffiziente Dämmung bei geringer Aufbaustärke:
  • als Problemlöser, wenn für eine konventionelle Dämmung kein ausreichender Raum zur Verfügung steht
  • als finanziell günstigere Lösung, wenn durch den Einsatz von VIP weitere Maßnahmen eingespart werden können, wie z.B. bei der wärmetechnischen Sanierung der Versatz von Tür- und Fensteröffnungen oder die Verlängerung eines Dachüberstandes
  • wenn es darum geht, aus einer vorgegebenen Grundfläche möglichst viel Nutzfläche zu erzielen (Innenstädte mit hohen Grundstückspreisen)
  • aus architektonischen Gesichtspunkten ( bei Dachterrassen zur Vermeidung von Stufen; bei kleinen Anbauten mit besonders ungünstigem Oberfläche-Volumen-Verhältnis wie z.B. Dachgauben; bei Fassaden in Element- und Pfosten-Riegel-Konstruktionen …)
Vakuumpaneele mit einer Hülle aus Edelstahl, für Bodenelemente in Kühlräumen teilweise mit mehrere Millimeter dicken Tränenblechen ausgeführt, fanden vereinzelt auch Anwendung im Baubereich, konnten sich aber bislang nicht in diesem Markt etablieren.
Vakuumisolierglas – VIG
Im Vergleich zu den VIPs sind bei Vakuumisolierglas die Anforderungen an das Vakuum wesentlich höher und damit auch an die Dichtigkeit des Randverbundes. Der Gasdruck im Scheibenzwischenraum muss auf Werte unter einem Millionstel des Atmosphärendrucks (10–3 mbar) evakuiert werden. Die Druckkräfte durch die umgebende Atmosphäre werden hier durch kleine Stützen aufgenommen, die in regelmäßigen Abständen in dem nicht einmal 1 mm weiten Scheibenzwischenraum eingebracht sind.
Ostasiatisches VIG. Kommerziell ist VIG in Japan [NSG] und China [QHI] erhältlich. Allerdings liegen die Ug-Werte dieser Produkte über 1,0 W/m2K. Dies liegt an der Produktionstechnik und den dabei auftretenden hohen Temperaturen zur Herstellung des Randverbundes von über 400°C, was die Verwendung sogenannter Hardcoatings (temperaturstabile low-e-Schichten) notwendig macht. Diese Hardcoatings weisen jedoch typischerweise Emissionsgrade um die 0,2 auf, was einen relativ hohen Strahlungswärmetransport im Scheibenzwischenraum zur Folge hat. Für den asiatischen Markt bieten solche »schlechten« Vakuumisoliergläser ein erhebliches Einsparpotenzial, da dort Einscheibenverglasungen mit einem Ug von über 5,0 W/m2K üblich sind.
Thermisch optimiertes VIG. Für den europäischen Markt sind diese VIGs nicht geeignet, da hier mit Zweischeibenisolierglas mit Ug-Werten um die 1,1 W/m2K sowie Dreischeibenisolierglas mit Ug-Werten um die 0,7 W/m2K thermisch vergleichbare oder bessere Alternativen verfügbar sind. Deshalb entwickeln deutsche Partner aus Industrie und Forschung momentan in einem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) geförderten Forschungsprojekt ein thermisch optimiertes VIG. Kernpunkt der Entwicklung stellt dabei ein »kaltes« Verfahren zur Herstellung des Randverbundes dar, mit dem sich Softcoatings (low-e-Schichten mit geringer Temperaturstabilität aber sehr effizienter Strahlungsreflexion) verwenden lassen. Diese weisen Emissionsgrade < 0,03 auf, sodass mit einem solchen VIG Ug-Werte von 0,5 W/m2K möglich sind. Auch die Produktionstechnik wird weiterentwickelt, sodass die großtechnische, kostengünstige Herstellung solcher Verglasungen möglich wird.
Verfügbarkeit und Preis. Anhand von Musterscheiben wurde sowohl die mechanische Stabilität als auch die Gasdichtigkeit des Randverbundes gezeigt. Vor allem hinsichtlich der mechanischen Belastbarkeit hielten auf diese Weise hergestellte Vakuumisoliergläser in ersten Versuchen den gleichen thermischen Spannungen stand wie konventionelle Isoliergläser. Die Produktionstechnik soll bis 2011 zur Verfügung stehen. Der Zielpreis von Vakuumisolierglas soll nicht über dem guter Dreifachisoliergläser liegen. Neben reinem Floatglas lassen sich für entsprechende Anforderungen auch Sicherheitsgläser (ESG oder VSG) einsetzen.
Einsatz. Die Einsatzbereiche von Vakuumisolierglas liegen neben dem Bausektor u.a. auch im mobilen Bereich, wo es auf geringes Gewicht und schlanke Systeme bei exzellentem Dämmwert ankommt. Logisch ergänzt werden die Arbeiten zu Vakuumisolierglas durch die parallele Entwicklung von hochwärmedämmenden Rahmen [HWFF]. Erste Musterfenster mit der Bezeichnung »TopTherm 90« wurden auf der Glasstec 2008 in Düsseldorf vorgestellt. Dank neuartiger Fertigungsmethoden liegt der Uf-Wert des TopTherm 90 Fensterprofils unter 0,8 W/(m2K) bei einer Bautiefe von nur 90 mm.

Service ZAE Bayern
Das Zentrum für Angewandte Energieforschung Bayern e.V. beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Vakuumdämmung. Die Arbeiten werden unterstützt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit BMWI. ZAE Bayern 97074 Würzburg Tel.: (0931) 70564-0, Fax: -60 www.zae.uni-wuerzburg.de

Kompakt Vakuumdämmung im Bauwesen
  • Vakuumisolationspaneele (VIP) für Wände, Decken etc. bereits im Einsatz
  • in Deutschland aktuell vier Hersteller von VIPs (www.vip-bau.de)
  • Wärmeleitfähigkeiten von 0,002 bis 0,008 W/mK möglich (zum Vergleich: Polystyrol: 0,030 bis 0,045 W/mK!)
  • Vakuumisolierglas (VIG) noch nicht serienreif, Produktionstechnik steht voraussichtlich bis 2011
  • Ug-Werte von 0,5 W/m2K möglich
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