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Mit dem Auftrag durch die Fertigung

Technik
Mit dem Auftrag durch die Fertigung

Die Schreinerei von Toni Gasser leistet als Pilotkunde von Borm Informatik innovative Denkarbeit zur effizienten betrieblichen Organisation. Andreas Grünholz hat den Betrieb im Auftrag des Softwarehauses besucht.

Auf den Firmenslogan „Qualität nach Maß“ angesprochen, lässt Toni Gasser aus Giswil, Schweiz, ein mehrdimensionales Qualitätsverständnis erkennen. „Qualität ist bei uns allumfassend, ohne dass wir ein beglaubigtes Managementsystem mit prunkvollen Zertifikaten und wohltönenden Aussagen im Leitbild haben. Wir leben unseren Qualitätsbegriff lieber im Alltag, als uns mit definierten Prozessen und kostspieligen Audits herumzuschlagen.“

Obwohl eine stattliche horizontale Plattenzuschnittanlage für hochpräzise Fertigschnitte und eine brandneue Kantenanleimmaschine eine hohe Produktgüte gewährleisten, ist Qualität in vielen anderen Bereichen genauso präsent: Offertwesen, Termine, Auftragsbestätigungen sowie die ständige Servicebereitschaft gehören dazu.
Fortschrittliche Betriebsorganisation
Seniorchef Toni Gasser hat die Aktiengesellschaft 1985 als Zweimannbetrieb gegründet. Sie erlebte ein kontinuierliches Wachstum und erwirtschaftet mit zurzeit 15 Mitarbeitenden einen Umsatz von 3 Millionen CHF. Gasser sucht die direkte Zusammenarbeit mit seinen Endkunden. „Im persönlichen Gespräch können wir die Wünsche am besten erkennen und individuell optimierte Vorschläge machen.“ Die Produktpalette reicht vom Schwerpunkt Küchenbau über Schränke, Badezimmermöbel, Einzelmöbel und Türen bis hin zu umfangreichen Innenausbauten.
Gasser hat sich für eine unkonventionelle Betriebsorganisation entschieden. In der Regel begleiten die Mitarbeiter die Aufträge durch die ganze Produktion hindurch. Es gibt weder fest eingerichtete, persönliche Arbeitsplätze noch definierte Funktionen wie Maschinist oder Bankschreiner. Das Statusdenken wurde über Bord geworfen. „Der Arbeitsplatz ist immer beim Auftrag, nicht der Auftrag beim Arbeitsplatz.“ Unüblich auch das chaotisch organisierte Lager für Beschläge und Hilfsmittel: Die Lagerplätze werden immer wieder neu zugewiesen und auf den Auftragspapieren vermerkt.
Von unternehmerischem Denken zeugt auch der Verzicht auf eine umfangreiche Küchenausstellung. Stattdessen hat die Toni Gasser AG ein elegantes Küchenstudio eingerichtet, das sie für Kochkurse, kleinere Versammlungen und Familienfeiern vermietet. „Damit bekommen wir jede Menge potenzieller Kunden ins Haus, die in unserer Schreinerei einen Abend in guter Stimmung verbringen.“ Kunden können hier zusätzlich mit einem kleinen Probekochen die neuen Küchengeräte direkt ausprobieren.
Vordenker in Softwarelösungen
Selbst im Bereich der EDV – der Nervenbahn zur Umsetzung der betrieblichen Organisation – geht Gasser eigene Wege. Seit über einem Jahrzehnt engagiert er sich in der Entwicklung und Verbesserung von Tischler- und Schreinersoftware. Eine Bundesinitiative zur Förderung des CIM-Ansatzes hatte zu Beginn der Neunzigerjahre auch in kleingewerblichen Kreisen lebhaftes Interesse an moderner Betriebsorganisation geweckt.
Das Bedürfnis, das PPS-Denken in Kleinbetriebe zu transferieren, führte zum Auf- und Ausbau der Borm Informatik in Steinen SZ, die bis heute ein führender Software-Anbieter für das Holzgewerbe ist. Toni Gasser hat als Holzfachmann viel zur praxisgerechten Entwicklung dieser Lösungen beigetragen und damit gleichzeitig seinen Betrieb immer auf dem aktuellen Stand gehalten. Heute sind Verkauf, Einkauf und Produktion in einem durchgängigen PPS vollständig miteinander vernetzt.
Offerten, Termine, Zahlungskonditionen, CAD/CNC, Kreditoren/Debitoren, Auslieferungen und die Nachkalkulationen hat der Betrieb per Mausklick im Griff. Lediglich eine direkte Schnittstelle zur Buchhaltung wurde bis heute bewusst nicht realisiert. Es sind aber alle betriebswirtschaftlich relevanten Daten im PPS zu jeder Zeit abrufbar.
Neue Ansätze
„Bisher denkt der Schreiner in Möbelteilen. Boden, Deckel, Fronten, Schubladen und Tablare sind für ihn die Komponenten, aus denen sein Gesamtprodukt – beispielsweise ein Möbel – entsteht. Heute lösen wir uns davon.“ Für Gasser gibt es nur noch Bauteile, dreidimensionale Hohlkörper ohne Funktions- oder Materialbestimmung und ohne Bearbeitungsvorgaben, vergleichbar mit Drahtmodellen im CAD. Ihr Aufbau ist im Wesentlichen immer gleich: Ein Träger, Kanten, Beläge sowie die Konstruktion.
Man löst sich von der Unzahl bisher fest definierter Bauteile, die in den gängigen Softwarelösungen anzutreffen sind. Erst bei der Verwendung in der Stückliste werden dem Bauteil die notwendigen Parameter wie Bauteilkennung, Material, Oberfläche, Kanten etc. zugewiesen. „Somit kann ein Bauteil, als Tischblatt geplant, bis zur Zuteilung der Einzelspezifikation eigentlich auch eine Zimmertüre oder ein Fachboden sein, massiv, furniert oder mit Melamin belegt.“ So gesehen besteht ein Küchenmöbel vielleicht noch aus drei oder vier wirklich verschiedenartigen Bauteilen, der Rest sind lediglich Maßunterschiede – bis die Zuweisung der Materialien und Oberflächen erfolgt.
Dieses unkonventionelle Denken steigert gemäß Gasser die Flexibilität der gesamten Betriebssoftware. In einer Zeit, wo fast täglich neue Materialien und Materialkombinationen auf den Markt kommen, müssen somit keine Stammstücklisten mehr aktualisiert werden. Die materialunabhängig erstellten Konstruktionen bekommen erst mit der Werkstoff-Definition ihre eigentliche Funktion. Diese findet bei der Erstellung des Angebotstextes statt. Man arbeitet nicht mehr mit Einzelbezeichnungen für Möbel, sondern nur noch mit definierten Möbel-Grundtypen, die am Schluss zum Küchenunterbau, zum Sideboard oder zum Garderobeneinbau werden – je nach Abmessungen und Material. Nicht nur die Bauteillogik für die korpusbezogenen Elemente wird in dieser Denkweise organisiert, sondern auch die immer vielfältiger verfügbaren Einbauten wie Schubladen. Auch diese werden in Einzelteile zerlegt und bauen sich während der Abfrage der Eigenschaften zum eigentlichen Produkt zusammen. Wichtig sind hier auch die Plausibilitätsprüfungen, die unlogische Erfassungsfehler möglichst weitgehend verhindern. „Zusammen mit einem freien Informatiker und mit Borm sind wir mit unserem ,PPS 2004‘ einmal mehr ganz vorne in der Software-Entwicklung für unsere Branche mit dabei.“
Laufende Weiterentwicklung
Toni Gasser ist nicht nur Inhaber und Geschäftsführer mit Leib und Seele, sondern auch ständig bestrebt, Entwicklungen an vorderster Stelle mit zu gestalten. Die Loslösung von den bisherigen Philosophien im Bereich der Branchensoftware sieht er als Schritt zu einer vereinfachten, flexiblen und damit auch für kleine Betriebe interessanten Anwendung der EDV an. Mit seinem Ringen um eine ständig optimierte Organisation hat sich der initiative Unternehmer ein umfassendes Know-how erarbeitet: „Unser Betrieb entwickelt sich zusammen mit der Borm Informatik weiter. Nur eine enge Kooperation im gegenseitigen Vertrauen konnte diesen Prozess zum Nutzen für beide Seiten über mehr als ein Jahrzehnt in Gang halten. Wir werden diese Zusammenarbeit mit Zuversicht fortführen.“
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