1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite » Menschen »

Interview mit Kuno Haas von Grüne Erde

Interview mit Kuno Haas
Ökologisch, sozial und ökonomisch

Am Thema »Nachhaltigkeit« wird in Zukunft kaum jemand vorbeikommen. Doch was bedeutet das konkret in Bezug auf das Tischler- und Schreinerhandwerk? Eine Annäherung in drei Teilen von Stefan Angermüller. Teil 1: Interview mit Kuno Haas, Geschäftsführer des Unternehmens Grüne Erde

In einer Zeit spürbarer Klimaveränderungen verändern Kunden ihr Kaufverhalten. Aspekte wie Regionalität, Langlebigkeit von Produkten oder faire Bezahlung rücken zunehmend in den Fokus. Unternehmen, die diese Bedürfnisse authentisch bedienen, haben gute Chancen am Markt. Früher eher in die Öko-Ecke geschoben, steht der Begriff »Nachhaltigkeit« damit heute für Zukunftssicherheit. In großen Unternehmen ist der Nachhaltigkeitsbericht heute schon so selbstverständlich wie die Bilanz. Doch wie gehen kleinere Unternehmen wie Tischler und Schreiner mit dieser Herausforderung um? In einer dreiteiligen Serie beleuchten wir dieses Thema. Teil 1: Interview mit Kuno Haas, Eigentümer und Geschäftsführer des Unternehmens Grüne Erde aus Oberösterreich, das seit 37 Jahren beweist, dass nachhaltiges Wirtschaften funktionieren kann. In Teil 2 und 3 geht es dann um konkrete Handlungsschritte, wie Nachhaltigkeit im Tischler-/Schreinerbetrieb umgesetzt werden kann.

Herr Haas, wie wird bei Grüne Erde »Nachhaltigkeit« definiert?

Kuno Haas: Der Begriff Nachhaltigkeit wird heute inflationär verwendet und greift für uns zu kurz. Die Basis bei Grüne Erde ist ökologisches, soziales und ökonomisches Denken und Handeln. Auch wenn wir in den letzten 37 Jahren stark gewachsen sind, daran hat sich nichts geändert. Unsere Produkte werden aus natürlichen, nachwachsenden Rohstoffen, umweltschonend, nachhaltig, sozial fair und überwiegend handwerklich gefertigt. Wir verstehen uns noch immer als Öko-Pionier. Wenn wir mit unserem Geschäftsmodell und unserer Unternehmensphilosophie Verbraucher*innen und Unternehmen anregen, die Welt ein bisschen besser zu machen, dann ist das gut für alle, für die Natur und für uns Menschen. Geprägt hat den Begriff der Nachhaltigkeit die Forstwirtschaft, die damit das generationenübergreifende Bewirtschaften des Waldes meint. Das ist auch mein Bild von Nachhaltigkeit.

Was macht ein nachhaltiges Unternehmen aus?

Vor allem das Kerngeschäft muss nachhaltig sein. D. h. die Produkte müssen mindestens so lange genutzt werden können, wie der Rohstoff zum Nachwachsen benötigt. Und dass die ökologischen und sozialen Unternehmenswerte auf allen Ebenen spürbar gelebt werden. Wir haben bei Grüne Erde eine Abteilung für Ökologie- und Qualitätsmanagement, die beratend bei allen Prozessen zur Seite steht, die notwendige Maßnahmen anregt und gemeinsam umsetzt. Unsere sozial-ökologischen Richtlinien liegen auch allen Mitarbeiter*innen vor. Sie sind entscheidend, z. B. bei der Produktentwicklung und im Einkauf der Rohstoffe.

Gibt es ein gesundes Unternehmenswachstum?

Unternehmenswachstum ist in unseren Augen dann gesund und organisch, wenn dies aus dem eigenen Cashflow heraus passiert und durch selbst erwirtschaftete Mittel. Alles, was mit Fremdkapital finanziert wird, beinhaltet Risiko und ist mit größter Vorsicht zu betrachten. Das gab es bei Grüne Erde in der Vergangenheit schon auch, was uns jedoch nicht so gut bekam. Deshalb wird bei uns nicht mehr fremdfinanziert investiert.

Wie passt ökonomischer Erfolg zu ökologischem und sozialem Denken?

Ein Unternehmen wird nur dann ökologisch und sozial nachhaltig agieren, wenn dieses Ziel für alle Beteiligten wichtiger ist als die reine Umsatz- und/oder Gewinnmaximierung. Das heißt nicht, dass Gewinne nicht notwendig sind. Auch wir freuen uns, wenn wir unsere Bilanzziele erreichen oder übertreffen. Aber im Zweifelsfall hat unsere tiefe Sehnsucht nach der Verbundenheit von Mensch und Natur Vorrang. Die Philosophie von Grüne Erde ist, wirtschaftlich erfolgreich zu sein, ohne Menschen und Natur, also den Planeten Erde, auszubeuten. Und rein volkswirtschaftlich betrachtet kostet es uns langfristig ohnehin wesentlich mehr, ökologisch nicht nachhaltig zu leben.

Muss ein nachhaltiges Möbel immer ein Massivholzmöbel sein?

Nicht zwingend. Ein Muss ist jedoch, dass das Material nachwachsend und in Mitteleuropa heimisch ist. Außerdem muss der Rohstoff ausreichend verfügbar sein. Beim Holz muss also unbedingt auch darauf geachtet werden, dass es aus Regionen stammt, wo es ein strenges Forstgesetz gibt und Raubbau ausgeschlossen werden kann. Spanplatten strotzen nur so vor Klebstoffen, Bindemitteln und daher auch vor Formaldehyd. Allein deshalb kommen diese Halbfertigwaren für uns gar nicht in Frage.

Was kennzeichnet ein nachhaltiges Möbel?

Ein nachhaltiges Möbel ist langlebig in der Verarbeitung und zeitlos im Design. Heißt: Es entspricht keinem kurzweiligen Einrichtungstrend, sondern soll die Besitzer*innen lange begleiten, bis in die nächste Generation. Grüne Erde produziert ökologische Möbel aus Buche, Esche, Zirbe und Eiche, also aus hochwertigen mitteleuropäischen Hölzern, die aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern stammen und in regionalen Betrieben weiterverarbeitet werden. Grüne-Erde-Möbel werden zum weitaus größten Teil in unserer Kärntner Tischlerei handwerklich gefertigt. Ein kleiner Teil kommt aus slowenischen und ungarischen Partnerbetrieben, die gemäß unseren hohen Qualitätsstandards arbeiten.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben bei Ihnen einen hohen Stellenwert. Wie ist das finanzierbar?

Wir haben schon immer über dem Kollektivvertrag entlohnt. Unser Mindestlohn beträgt aktuell 1900 Euro. Darüber hinaus bieten wir unseren Mitarbeiter*innen neben hellen, gesunden Arbeitsplätzen in den Werkstätten und Büros eine Beteiligung am Unternehmensergebnis und zahlreiche freiwillige Sozialleistungen wie die Kostenübernahme der Nachmittagsbetreuung für Kinder u. v. m. All das summiert sich fast auf ein 15. Gehalt und rechnet sich für die Grüne Erde, wenn man es als ‚Fluktuationsprävention‘ sieht. Das Einstellen neuer Mitarbeiter*innen ist sehr viel teurer. Wir haben seit Jahren eine äußerst niedrige Fluktuation. Als Unternehmen, dessen oberste Ziele die Verbundenheit mit der Natur, Solidarität und Qualität ist, ziehen wir automatisch Menschen an, die diese Sehnsucht teilen.

Wie unterscheidet sich Ihre Kundenbeziehung von der anderer Möbelbauer?

Unsere Kund*innen wissen, woher die Produkte kommen, wo sie ihren Ursprung finden, wer sie fertigt und aus welchen Rohstoffen sie entstehen. Wir versuchen auch deutlich zu machen, wodurch Produkte ökologischer werden, worauf Konsumenten beim Einkauf achten sollen, denn natürlich gibt es immer wieder ‚Greenwashing‘-Trittbrettfahrer, die ihre Produkte als ökologisch wertvoll darstellen, obwohl sie es nicht sind. Aber unsere Erfahrung zeigt, dass die meisten Menschen sehr wohl erkennen, wer es ehrlich meint und authentisch ist. Wir garantieren höchste Qualität für die gesamte Lebensdauer des Möbelstücks, und die liegt bei unseren Möbeln aus Holz bei 20 Jahren.

Welche Bedeutung hat Kooperation für Sie?

Das ist uns von Beginn an wichtig. Dabei geht es uns vor allem um den Austausch von Ideen und Informationen mit Unternehmen aus verschiedenen Branchen. Eines unserer Hauptanliegen ist es zu zeigen, dass Wirtschaften vor allem Zusammenarbeit bedeutet und nicht ruinöser Wettbewerb.


Das Interview mit Kuno Haas führte Stefan Angermüller. Er begleitet Unternehmen aus dem Möbel- und Innenausbau bei der nachhaltigen Entwicklung. www.fairmoebeln.de


Steckbrief

Grüne Erde wurde 1983 in Oberösterreich als Werkstatt für Naturmatratzen gegründet. Der Öko-Pionier ist heute ein in der DACH-Region agierendes Unternehmen mit 500 Mitarbeitern. Grüne Erde bietet über 6000 Produkte in den Sortimenten Vollholzmöbel, Schlafprodukte, Heimtextilien, Wohnaccessoires, Naturkosmetik und Naturmode. In der hauseigenen Tischlerei sind 65 Mitarbeitende beschäftigt. Der Vertrieb erfolgt über eCommerce, Distanzhandel sowie 14 eigene Stores in Österreich. Der Umsatz im letzten Geschäftsjahr betrug 66 Mio. Euro.

www.grueneerde.com

Aktuelles Heft
Titelbild dds - das magazin für möbel und ausbau 3
Aktuelle Ausgabe
03/2024
EINZELHEFT
ABO
dds-Zulieferforum
Tischlerhandwerk in Zahlen

Zahl der Betriebe im Tischlerhandwerk

dds auf Facebook


dds auf YouTube

Im dds-Channel auf YouTube finden Sie:
– Videos zu Beiträgen aus dds
– Kollegen stellen sich vor
– Praxistipps-Videos
– Maschinen & Werkzeuge

Abonnieren Sie dds auf YouTube »