Recycelte Werkstoffe erfahren im Zuge eines gesteigerten Bewusstseins für Nachhaltigkeit ihre verdiente Aufmerksamkeit – zu lange waren sie nur in Nischen zu Hause und Entwickler erschienen als Pioniere einer noch nicht angebrochenen Zeit. Thomas Beck, Tischler und Designer, ist ein solcher Pionier: Er hat den Lederfaserwerkstoff »Relea« für Anwendungen in Industrie und Handwerk angepasst (vgl. dds 12/2019). Nach der Insolvenz des Herstellers Ledertech Deutschland GmbH wird der Werkstoff nun unter dem Namen »Nabore« von einer GmbH gleichen Namens hergestellt und vertrieben.
Rund eine Milliarde Quadratmeter Verschnitt aus der Lederproduktion fallen jährlich an: Das weiche Oberleder wird in Schuhen, Taschen, Bekleidung, Polsteroberflächen oder Accessoires eingesetzt. Reste beim Zuschnitt der aufwendig gegerbten Haut bilden eine weitgehend reine Ressource, da sie neben der Oberflächenversiegelung noch nicht mit anderen Materialien verbunden sind. Der überwiegende Teil dieser Reste wird heute entsorgt, doch das muss nicht so sein: In einem patentierten Upcycling-Verfahren verwandelt die Nabore GmbH Lederverschnitt in neue, kreislauffähige Rollen- und Plattenwerkstoffe. Das Designstudio Thomas Beck berät Nabore bei der Definition spezieller technischer und ästhetischer Eigenschaften, testet die Verarbeitbarkeit mit den im Gewerk üblichen Maschinen und Handwerkzeugen und unterstützt bei der Produktkommunikation. So konnten bereits neue Materialien mit spannenden Möglichkeiten für Design und Handwerk entwickelt werden, wie der Konstruktionswerkstoff LSP.
Innovativer Werkstoff
Durch die Flexibiltät des Materials LSP können ohne spezielle Presstechnik, große Hitze oder besondere Klebstoffe auch kleine Radien gebogen und verklebt werden. Im von Thomas Beck entworfenen Sekretär verbinden sich Schichten aus LSP in einem soliden dreidimensionalen Bauteil, das Zargen, Tischplatte und Aufsatz vereint. Das Design des Messerblocks nutzt LSP in stehenden Schichten, welche die Messer aufnehmen und schonend halten. LSP beinhaltet über 70 Prozent reine Oberleder-Reste, was bedeutet, dass ein Messerblock mit 5 kg Gewicht mehr als 3,5 kg der wertvollen Ressource recycelt und als alltägliches Massenprodukt so Hunderten Tonnen Lederreste zu einem neuen Leben verhilft. Neben LSP sind neue Materialien in der finalen Entwicklungsphase, etwa für Möbeloberflächen oder für faltbare Produkte wie die Storage-Boxen.
Ob als natürliches Material ohne Versiegelung, mit Ausbildung einer typischen Lederpatina oder einer widerstandsfähigen Dekorbeschichtung für stärker beanspruchte Möbeloberflächen – handwerkliche und gestalterische Möglichkeiten sind überraschend vielfältig. Bauteile aus Nabore oder die Materialreste können zudem vollständig in den Recycle-Prozess zurückgeführt werden und mit dem CO2-Footprint übertrifft der Werkstoff sogar alle derzeit bekannten Oberflächenmaterialien mit nur 1,11 kg CO2 e/m². Ein Werkstoff also, der mit Kreislaufwirtschaft und Recycling Initiative ergreift für eine nachhaltigere Wirtschaft, für Zero Waste & Circularity.
Der Designer
Thomas Beck, gelernter Tischler und Produktdesigner, unterstützt Nabore bei der Entwicklung von Materialien für Handwerk und Industrie und gestaltet Produkte daraus.
Steckbrief
Nabore besteht aus zerfasertem Oberleder aus der Fashion- und Polsterindustrie sowie Bindemitteln, Fetten, Wachsen und Farbpigmenten. Die Werkstoffe sind als Möbeloberflächen- oder Konstruktions-material einsetzbar und mit den üblichen Werkzeugen und Maschinen der Tischler und Schreiner zu bearbeiten. Erhältlich sind die Materialien demnächst als Platten- und Rollenware. Nabore-Materialien sind normal entflammbar, zertifiziert durch Ökotex-Leather-Standard, TÜV-schadstoffgeprüft und REACH-konform. Nabore ist nominiert für den deutschen Nachhaltigkeitspreis.
Sind 15 cm ein Muss?
