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Wahrhaftige Konturen

Technik
Wahrhaftige Konturen

Wie die Konturen eines Kruzifixes über ein Foto in die CAD/CAM-Welt einzogen und als Relief in der Leipziger Flughafenkapelle erneut Gestalt annahmen, berichtet Hans-Peter Linde von der BA Dresden.

Wenn die Kontur für die CNC-Bearbeitung nicht konstruierbar ist, sondern durch reale Objekte vorgegeben ist, ist die Digitalisierung angesagt. Hans B. Kief, und Helmut A. Roschiwal bezeichnen im NC/CNC-Handbuch 2007/2008 (Carl Hanser Verlag München) das Digitalisieren als »Erfassen eines körperlichen Modells oder eines mathematisch nicht definierbaren Kurvenzuges einer Zeichnung als einzelne, aufeinander folgende Koordinaten«. Konturen lassen sich direkt am Realteil oder indirekt von Zeichnungen oder Bildern entnehmen, Abb. 1 zeigt den Weg vom Rasterbild zur Vektorgrafik.

Das wirkliche Objekt im Fokus
Mit einer CNC-Maschine oder einem speziellen Digitalisiergerät lassen sich Konturen von Musterwerkstücken, Schablonen oder Zeichnungen erfassen.
Teach-in. Im Handbetrieb lässt sich das Werkzeug einer CNC-Maschine an verschiedene Punkte eines aufgespannten Musterwerkstückes heranfahren. Die Maschine speichert die Punkte in einem CNC-Programm. Die somit ermittelte Kontur besteht aus einer Folge von Koordinaten. Die Verbindung zwischen den einzelnen Koordinaten sind Geraden oder Kurven (Splines). Bei der Abarbeitung dieses Programms (Playback) wiederholt die CNC-Maschine die einzelnen gespeicherten Positionen.
Digitalisiergeräte. Mit Digitalisiergeräten lassen sich Konturen über Tastelemente Punkt für Punkt erfassen. CAD/CAM-Systeme können die so erhaltene Punktmenge automatisch in Konturelemente oder geometrisch exakt bestimmte Flächen umwandeln (vgl. Abb. 2).
3-D-Laserscanner. Sie können geeignete Bauteile optisch vermessen. Zu Beginn der Messung wird der Abstand zwischen Scanner und Bauteil ermittelt. Anschließend wird das Bauteil zeilenförmig abgetastet und die ermittelten Koordinaten gespeichert. Mit einem gekoppelten Drehtisch kann der Scanner ein Bauteil ringsum vermessen. Spezielle Software wandelt diese Messdaten in CAD-Daten um (vgl. Abb. 3).
Das Abbild als Vorgabe
Das indirekte Erfassen von Konturen aus Zeichnungen oder Bildern kann manuell oder automatisch erfolgen. Die erfasste Kontur ist skalierbar und lässt sich beispielsweise über Referenzmaße auf die Originalgröße einstellen.
Digitalisierbrett. Zu Beginn der 90er-Jahre wurden Zeichenmaschinen mit Messsystemen und Eingabegräten versehen; es entstanden so Digitalisierbretter. Somit war es möglich, bestimmte Punkte einer Zeichnung manuell als Koordinaten zu erfassen. Mit dem Eingabegerät konnte festgelegt werden, ob der ermittelte Punkt zu einer Geraden oder einem Kreisbogen gehört.
Hintergrundbild. Einige CAD-Systeme (z. B. Solid Edge) bieten die Möglichkeit, Rastergrafiken als Hintergrundbilder zu laden. Über dieses Rasterbild im Hintergrund können dann Vektorgeometrien (Konturen) gezeichnet werden. Hierbei entstehen CAD-Daten. Diese wiederum können dann auch skaliert bzw. nachträglich im CAD verändert werden.
Datenwandlung. Eine weitere Digitalisierungsmöglichkeit besteht darin, digitale Bilddaten im Rasterformat in ein Vektorformat zu wandeln. Das Umwandeln einer Rastergrafik in eine Vektorgrafik wird als Vektorisieren (engl. tracing) bezeichnet. Dieses Konvertieren in eine Vektorgrafik erfolgt durch das automatische Nachzeichnen von Konturen in Rastergrafiken (Farbverlaufslinien) mittels spezieller Software bzw. einem Vektorisierungsmodul in der CAD-Software. Die so erzeugten Vektorgrafiken können dann im CAD weiterbearbeitet werden. Übliche Bezeichnungen für das Vektorisieren sind »Scan to CAD« oder »Raster to Vector«.
Punkte oder Vektoren?
Bilddaten liegen üblicherweise auf dem PC als Rastergrafik bzw. Pixel-Bild vor. Dabei besteht ein Bild aus einer Menge farbiger Bildpunkte. Diese Bildpunkte stellen das eigentliche Bild dar. Linien und Bögen werden durch gleichartig ausgefüllte nebeneinander liegende Pixel dargestellt. Eine Rastergrafik hat als charakteristische Merkmale die Farbtiefe (Anzahl der Farben) und das verwendete Farbmodell (RGB, CMYK …), so bestehen zum Beispiel Schwarz-Weiß-Bilder aus schwarzen und weißen Pixeln (1 bit), Graustufenbilder aus bis zu 256 Graustufen pro Pixel (8 bit) und Farbbilder aus Farbkomponenten, z. B. drei Kanäle à 8 bit (= 24 bit) und einer Farbtiefe von rund 16,8 Millionen Farbstufen. Rastergrafiken eignen sich für komplexe Bildstrukturen. Grafische Eingabegeräte, wie Scanner oder digitale Kameras, liefern Pixel-Daten, meistens im Format BMP, JPG oder TIFF.
CAD-Systeme arbeiten mit Vektorgrafiken. Sie enthalten Linien, Kurven und Flächen, die mit Vektoren mathematisch genau beschrieben sind. Vektorgrafiken können ohne Qualitätsverlust stufenlos vergrößert, verkleinert, gestaucht und verzerrt werden. Beim Verändern können die Eigenschaften einzelner Linien, Kurven oder Flächen erhalten bleiben oder nachträglich verändert werden. Mit der Wahl der Vektorisierungsmethode legt man die Lage von Linien (vgl. Abb. 4) oder den Umriss einer Fläche (vgl. Abb. 5) fest. Das Vektorisieren kann entweder durch manuelles Nachzeichnen oder durch eine automatische Konturverfolgung geschehen und wird als »Tracing« bezeichnet.
Software und ihre Möglichkeiten
Einige CAD/CAM-Systeme verfügen über Vektorisierungsmöglichkeiten. Es gibt mehrere Vektorgrafikprogramme, die sich sehr gut für die grafische Bildbearbeitung eignen, aber nur bedingt CNC-Konturen aus Rastergrafiken erzeugen können. Hinsichtlich der Leistung von Vektorisierungsprogrammen lassen sich folgende Unterscheidungen treffen:
  • Einfache Vektorisierungssysteme können nur in Linien konvertieren. Das Vektorbild hat eine Rasterung bzw. Treppung und besteht ausschließlich aus Linien, die dann im CNC-Programm als G01-Befehle erscheinen
  • Im mittleren Leistungsbereich können die Rastergrafiken in Linien und Kreisbögen konvertiert werden. Dieser Leistungsbereich ist im Allgemeinen ausreichend, wenn das CNC-Programmiersystem nur Linien und Bögen, aber keine Kurven verarbeiten kann
  • Systeme im oberen Leistungsbereich übertragen die Rastergrafik in Linien, Bögen und Kurven (Splines). Sie erzeugen sehr genaue Konturen. Im Ergebnis können neben Linien und Bögen auch Kurven erzeugt werden, die dann im CAD- bzw. CAM-System in Linien und Bögen konvertiert werden müssen
Unterscheiden sich die importierten Daten hinsichtlich ihrer Genauigkeit (Anzahl der Nachkommastellen) erheblich von der Datengenauigkeit des CAD-Systems, kann es zu offenen, sich überschneidenden oder überlappenden Konturen kommen. Diese Konturfehler sind in der Normalansicht meist nicht zu sehen, führen aber in der Folge als offene Konturen zu Problemen bei der Generierung des CNC-Programmes. Bei der Auswahl der Vektorisierungssoftware sollte man beachten, dass sich die DXF-Schnittstellen früherer AutoCAD-Versionen teilweise erheblich voneinander unterscheiden.
Üblicherweise werden 2-D-Rastergrafiken vektorisiert (vgl. z. B. Abb. 6). Auf dem Markt sind spezielle Softwaresysteme verfügbar, die die Graustufen eines Bildes auswerten und diesen einzelnen Graustufen dann Z-Höhen zuweisen. Mit den so erzeugten Daten lassen sich 3-D-Gravuren oder -Reliefs erzeugen (vgl. Abb. 1).
Beim 3-D-Vektorisieren besteht eine direkte Abhängigkeit von jeweiliger Graustufe und der dazugehörigen Z-Koordinate, d. h., die maximale Z-Höhe der Kontur wird durch die Anzahl der Graustufen des Farbmodells dividiert und weist damit der jeweiligen Graustufe eine Z-Höhe zu.
Sorgfältige Vorarbeit
Bei der Vorbearbeitung der Grafik muss man sehr viel Sorgfalt walten lassen, denn diese Sorgfalt entscheidet wesentlich über den Umfang der Nachbearbeitung der Konturen im CAD. Besonderer Wert ist bei der Vorbereitung der Rastergrafik auf folgende Schritte zu legen:
  • Entfernen nicht benötigter Bildelemente oder Bildbestandteile
  • Ausfüllen von Fehlstellen im Bild (so genanntes Schließen von Löchern, Herstellen durchgehender Konturen)
  • Ausdünnen von Linien (Linien mit geringer Pixelbreite/Haarlinien, unter Umständen entstehen sonst Doppelkonturen)
  • Reduzieren der Farbtiefe des Bildes auf ein sinnvolles Maß, schwarz-weiß bzw. Graustufen (jeder Farbumriss liefert eine eigene Kontur)
  • Prüfen, ob eine im Bild vorhandene Schrift vektorisiert werden soll oder ob die Schrift im CAD nachträglich wieder eingefügt werden soll. Häufig verliert eine vektorisierte Schrift ihre Genauigkeit (und damit ihre Ausstrahlung) und muss dann nachträglich geglättet oder entzerrt werden
Da das zu vektorisierende Bildmaterial in der Regel nicht im Originalmaß vorliegt, muss dem CAD/CAM-System ein Referenzmaß bekannt sein. Dieses Referenzmaß dient dazu, das vektorisierte Bild im CAD auf die spätere Größe zu skalieren.
Fläche oder Linie?
Beim Vektorisieren wird entweder die Mitte einer Linie oder der Umriss einer Fläche erzeugt. Die Software »CorelTrace« (Bestandteil der Software »CorelDraw«) bietet mehrere Vektorisierungsmöglichkeiten, wobei für technische Belange nur die Optionen Umriss (einfach oder erweitert) bzw. Mittellinie (einfach oder Mittellinienumriss) sinnvoll sind:
  • Einfacher Umriss: Erzeugt eine Vektorgrafik, die dem Bitmap weitgehend entspricht. Die Genauigkeit ist dabei einstellbar
  • Erweiterter Umriss: Erzeugt eine Vektorgrafik, die dem Bitmap weitgehend entspricht. Einstellbar sind die Genauigkeit, das Rauschen, die Farbanzahl der Vektorgrafik, die Knotenreduzierung und die minimale Objektgröße
  • Mittellinie: Das Vektorisierungsverfahren Mittellinie wandelt Bitmaps in Liniengrafiken um. Die Rastergrafik muss dabei schwarz-weiß sein
  • Mittellinienumriss: Das Mittellinienumrissverfahren konvertiert Bitmaps in Strichzeichnungen mit einer Referenzmittellinie. Einstellbar sind die Genauigkeit und die Knotenreduzierung
Da die Vektorisierungsprogramme im Allgemeinen eine Vorschau-Funktion haben, kann man die einzelnen Optionen austesten, um für den speziellen Fall eine geeignete Vektorisierungsmethode zu finden.
Vom Foto zum Relief
Nachfolgend soll an einem Beispiel die Methodik erläutert werden. Für die Kapelle des Flughafens Halle-Leipzig wurde ein Kruzifix gefräst. Als Vorlage diente ein Bild im TIF-Format (vgl. Abb. 5). Dieses Bild wurde mit der Software CorelDraw V11, Option erweiterter Umriss, vektorisiert.
Beim Festlegen der Vektorisierungsparameter sind bestimmte Kontrollbereiche im Bild (vgl. Kreise in Abb. 1) festzulegen, an denen die Genauigkeit bzw. das Ergebnis der Vektorisierung geprüft werden kann. Da die Flächenumrisse als stetige Kurven (Splines) erzeugt werden, kann es unter Umständen in Ecken, Spitzen oder Übergängen zu Abweichungen von der Ursprungskontur kommen. Anhand der Kontrollbereiche kann der Einfluss der Vektorisierungsparameter auf das Ergebnis beurteilt werden. Im Anschluss an das Vektorisieren ist die Vektorgrafik in das gewünschte Zielformat (z. B. DXF, DWG) mit der festgelegten Datengenauigkeit (z. B. Anzahl der Nachkommastellen) zu speichern.
Nachbearbeitung
Nach dem Vektorisieren wird die Vektorgrafik in das CAD-System importiert. Bestehen die Vektorgrafiken aus Kurven (Splines), so sind diese Kurven in Bögen und Linien zu konvertieren. Nicht benötigte Konturen sollten ausgeblendet bzw. gelöscht werden. Anschließend sind die Konturelemente zu Konturzügen zusammenzufassen bzw. Konturen in Teilkonturen aufzubrechen.
Nach dem Skalieren auf die endgültige Größe (Skalieren auf das Referenzmaß) können die erzeugten Konturen hinsichtlich der Bearbeitbarkeit mit dem Fräser genauer geprüft werden, so z. B. auf geometrische Exaktheit, Radien von Innenecken oder so genannte »Flaschenhals«-Bereiche.
Nur nichts anbrennen lassen
Mitunter empfiehlt es sich, die erzeugten Konturen zu Testzwecken in Einzelelemente aufzubrechen, um so genannte »Kettenlinien« (eigentlich Polylinien; Folgen von miteinander verbundenen Linien kleiner Längen und geringer Koordinatenänderungen) festzustellen. Bei älteren CNC-Steuerungen können diese Kettenlinien während der Bearbeitung zum temporären Vorschubstopp bei laufender Arbeitsspindel und damit zu Brandstellen führen. Solche Linien sollten in Nacharbeit durch Geraden und Bögen ersetzt werden.
Ein nachträgliches Einfügen geometrischer Elemente (z. B. Schrift) schließt dann die Nachbearbeitung ab. Abschließend ist das Gesamtbild in bearbeitbare Teilkonturen (hier: vier Teile) zu zerlegen. In den Abbildungen 8, 9 und 10 ist das fertige Kruzifix zu sehen. Die vektorisierten Konturen wurden per DWG-Format in die Software AlphaCAM importiert und dort die entsprechenden CNC-Bearbeitungen generiert.
Grenzen der Vektorisierung
Trotz der relativ einfachen Möglichkeiten, Rastergrafiken in Vektorgrafiken zu wandeln, gibt es bestimmte Einschränkungen. Rastergrafiken mit vielen Farbverläufen oder Füllmustern eignen sich nicht für eine Vektorisierung. Wenn sich die Füllungen in der Rastergrafik nicht entfernen lassen, entstehen beim Konvertieren zu viele unnötige Konturen und man hat einen hohen Nachbearbeitungs- und Korrekturaufwand.
Ebenso wenig eignen sich Bilder mit stark zerklüfteten grafischen Umrissen, z. B. Stahlstiche oder Stadtansichten. Solche Bilder führen zu sehr detaillierten Konturen, eng beeinanderliegenden Bearbeitungskonturen und erheblichen Dateigrößen.
Hans-Peter Linde,
BA-Dresden

Service Buchtipp
Das NC/CNC Handbuch informiert umfassend über Werkzeugmaschinen, Steuerungen und Zubehör.
Hans B. Kief, und Helmut A. Roschiwal: NC/CNC Handbuch 2007/2008, Carl Hanser Verlag, München, 543 Seiten mit zahlreichen farbigen Abbildungen, 24,90 Euro, ISBN 3-446-40943-2

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