1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite » Technik »

Lernen wir es nie?

Technik
Lernen wir es nie?

In seinem aktuellen Fall als Sachverständiger hat es Schreinermeister Wilfried Berger (wieder einmal) mit dem leidigen Thema „Schimmel nach Fenstereinbau“ zu tun. Auf Spurensuche im sozialen Wohnungsbau.

Es ist Mittwochmorgen und ich bin auf dem Weg zu einer Wohnung, die seit kurzem von Schimmel und Pilzen übersät sein soll. Den Akten konnte ich entnehmen, dass das Haus rund 20 Jahre alt ist und vor sechs Jahren mit einem Wärmedämmverbundsystem versehen wurde. Vor einem Jahr wurden neue Kunststofffenster eingebaut, seitdem tritt in der ganzen Wohnung Schimmel auf. Der Mieter hat eine Mietkürzung vorgenommen, da der siebenjährige Sohn häufig krank ist und unter der Auswirkung der Pilze- und Schimmelseuche leidet. Es liegen bereits ärztliche Stellungnahmen vor. Auch klagt er gegen den Wohnungseigentümer auf Schadenersatz für beschädigte Wäsche und Kleidung.

Beim Vermieter handelt es sich um eine große Gesellschaft, die dem Land angeschlossen ist. Das Objekt, um das es geht, wurde als Sozialwohnung gebaut. In einem Brief ließ die Gesellschaft die Mieter wissen, dass sie die Wohnung falsch genutzt und auch falsch gelüftet hätten, und lehnt jede Verantwortung ab. Die Frage ist nun, wer die Kosten der Sanierung übernimmt, und vor allem, wer dafür sorgt, dass die Pilze und der Schimmel nicht wieder entstehen.
Halbheiten rächen sich immer
Es ist schon fast beschämend, dass wir immer wieder versuchen, Unmögliches möglich zu machen. Wir müssen begreifen lernen, dass man beim „energetischen Bauen“ keine Halbheiten produzieren darf. Wenn ein Haus mit Dämmstoff eingehüllt wird, muss dies überall geschehen. So wurden, da die Fenster zum Zeitpunkt der Außendämmung noch nicht erneuert wurden, die Leibungen lediglich mit 5 mm Styropor ausgekleidet. Die übrige Fassade ist allerdings mit einer 60 mm starken Dämmung ausgeführt. Bereits hier ist, in Verbindung mit dem nicht vorhandenen RAL-Anschluss der Fenster, ein nicht mehr sanierbarer Schaden vorprogrammiert.
Wir müssen endlich begreifen, dass wir mit unseren High-Tech-Bauhüllen keine Schwachpunkte schaffen dürfen. Dies ist bei Altbauten teilweise gar nicht möglich, da die benötigten Einbautiefen fehlen. Entscheidend ist, dass bei Schwachstellen die Oberflächentemperatur der Innenwände unter 13 °C fällt. An diesen Stellen bildet sich Kondensat und im gleichen Zuge entstehenPilze und Schimmel.
Die energetische Aufrüstung von Gebäudehüllen kann nur gelingen, wenn ein Gesamtkonzept entwickelt wird. Im vorliegenden Fall hätte eine Lüftungsanlage eingebaut werden müssen, da wegen der Grundrissgeometrie der Wohnung befriedigendes Stoßlüften von Hand gar nicht möglich ist. Aus Kostengründen (sozialer Wohnungsbau!), kam das natürlich nicht in Frage, es wurde ja nicht einmal darüber nachgedacht.
Die entscheidenden Punkte
Die Dämmung. Entscheidend ist, dass die Außendämmung an den Leibungen nicht in der gleichen Stärke bis zum Fenster geführt wurde. Die Temperatur an der inneren Leibung fällt deshalb unter den Taupunkt. Eine technische Fehlfunktion, die der Mieter nicht zu vertreten hat und auch durch Lüften nicht beseitigen kann.
Die neuen Fenster. Bei der Sanierung wurden Kunststofffenster gewählt. Bei Kunststoff haben wir es mit einem Material zu tun, das an der Oberfläche schnell abkühlt. Hier kondensiert dann die anstreifende Luft. Man hätte, um auch hier die Sache abzurunden und zu vervollständigen „warme Kanten“ im Glasverbund wählen sollen. Gerade diese Inkonsequenz verursacht Probleme.
Die Fenstermontage. Entscheidend ist, dass die Fenster nicht nach den Grundlagen der RAL-Richtlinie eingebaut sind. Die Rahmen liegen an der Außendämmung an und die Fuge ist mit Silikon verschlossen. Diese Fuge ist nicht dicht gegen Schlagregen. Die entsprechende Dichtebene darf nicht auf der Dämmung liegen, sondern sie muss sich darunter befinden. Die Verfugung (Dreiecksfuge!) erzeugt Putzrisse, die bis in das Innere der Dämmung führen. Bereits durch diese Maßnahme ist eine Durchdringung des Schaumes mit Feuchtigkeit gewährleistet. Dort, wo der Schaum durchnässt wird, verliert er seine Dämmfähigkeit und im Innenbereich entstehen kalte Oberflächen – mit den bekannten Folgen. Hier handelt es sich um einen fahrlässigen Billigeinbau, den der Mieter nicht zu verantworten hat.
Die Anschlüsse im Außenbereich. Die Bilder in diesem Beitrag zeigen, dass die Dämmung durch die mangelhaften Anschlüsse in der Fassade zwangsläufig früher oder später „absaufen“ wird. Hier haben auch die Fassadenbauer erhebliche Fehler gemacht.
Das Lüftungsverhalten. Der Grundriss der Wohnung zeigt, dass eine ausreichende Stoßlüftung nicht möglich ist.
Die Möblierung. Ein Schrank, der vor einer der Außenwände stand, wirkt wie eine Innendämmung. Der Taupunkt der Wand wird nach innen verlagert. Somit wird hinter dem Schrank Feuchtigkeit entstehen. Hier wurde vom Mieter ein gravierender Fehler gemacht, der sich sofort rächte. Auf der anderen Seite zeigt der Grundriss, dass vom Planer klar vorgegeben wurde, dass der Schrank an diese Wand gestellt werden muss.
Vermeidbare Katastrophen?
Dieser Schaden zeigt, dass die Energiespar-Hysterie Wohnungen unbewohnbar machen kann. Es wird deutlich, dass es sehr schwer (vielleicht sogar unmöglich?) ist, Altbauten mit Dämmungen so einzuhüllen, dass keine Schwachstellen entstehen. Wenn Sanierungen vorgenommen werden, müssen Sie in jedem Fall umsichtig geplant und mit Präzision ausgeführt werden, um derartige Katastrophen zu vermeiden.

Fallstricke beim Fenstereinbau
Wer auf Wunsch des Auftraggebers Bauelemente entgegen dem Stand der Technik montiert, wandert auf einem schmalen Grat.
Immer wieder höre ich, dass Architekten und Bauherren den Fensterbauer nötigen, Fenster ohne einen RAL-gerechten Anschluss der Fuge einzubauen. Meistens, um Kosten zu sparen. Wird dabei nicht alles schriftlich festgelegt und von allen Beteiligten unterzeichnet, besteht vor Gericht keine Möglichkeit, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Da ich in all meinen RAL-Seminaren „vergewaltigt“ werde aufzuzeigen, wie der Fensterbauer sich von derartigen Nötigungen frei zeichnen kann, habe ich einige Regeln aufgestellt, die unbedingt eingehalten werden müssen. Ebenfalls habe ich eine Musterfreizeichnung vorbereitet, die vor Gericht Aufschluss darüber geben wird, wer in der Verantwortung steht.
Ganz wichtig sind Bemusterungen sowie Aufklärungsblätter, die mögliche Schäden aufzeigen und den RAL-Einbau demonstrieren. Wenn bei der Beratung solche Blätter ausgehändigt wurden und das Ganze auch noch in der Freizeichnung schriftlich fixiert wurde, kann man sich nicht mehr vorstellen, dass der Fensterbauer in die Verantwortung gezogen werden kann.
Weitere Infos: Wilfried Berger, Büro für Sachverständigenwesen 88276 Berg, Tel.: (0751) 44927, Fax: 551230
Aktuelles Heft
Titelbild dds - das magazin für möbel und ausbau 4
Aktuelle Ausgabe
04/2024
EINZELHEFT
ABO
dds-Zulieferforum
Tischlerhandwerk in Zahlen

Zahl der Betriebe im Tischlerhandwerk

dds auf Facebook


dds auf YouTube

Im dds-Channel auf YouTube finden Sie:
– Videos zu Beiträgen aus dds
– Kollegen stellen sich vor
– Praxistipps-Videos
– Maschinen & Werkzeuge

Abonnieren Sie dds auf YouTube »