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EU will das Ozonloch stopfen

Technik
EU will das Ozonloch stopfen

Lösemittellacke sind leicht zu verarbeiten und ergeben hervorragende Oberflächen, vertragen sich jedoch nicht mit den Umweltzielen der EU. Volker Hägele beschreibt eine Verordnung zum Schutz der Erdatmosphäre.

Holzverarbeiter setzen immer noch gerne konventionelle Lösemittellacke ein. Diese enthalten flüchtige organische Stoffe (VOC = Volatile Organic Compounds), die als Vorläufersubstanzen von bodennahem Ozon im Sommer (Sommersmog) gelten und zur Zerstörung der Ozonschicht beitragen. Die europäischen Umweltminister wollen die VOC-Emissionen deutlich senken, um Menschen, Tiere, Pflanzen und deren Lebensgemeinschaften zu schützen.

Die meisten großen Lackverarbeiter haben ihren Betrieb bereits spätestens mit dem Inkrafttreten der VOC-Verordnung im Jahr 2001 auf lösemittelarme oder gar lösemittelfreie Oberflächenmaterialien wie z. B. Wasser- oder UV-Systeme umgestellt. Ein großer Teil der Lösemittelemissionen entstammt jedoch aus Klein- und Mittelbetrieben. Um die ehrgeizigen VOC-Reduktionsziele zu erreichen, hat die EU-Kommission die »Decopaint«-Richtlinie erarbeitet. Ihre Umsetzung auf nationaler Ebene ist die »chemikalienrechtliche Verordnung zur Begrenzung der Emissionen flüchtiger organischer Stoffe (VOC) durch Beschränkung des Inverkehrbringens lösemittelhaltiger Farben und Lacke«, kurz ChemVOCFarbV. Diese Verordnung gibt Grenzwerte für den Lösemittelgehalt von Farben und Lacken vor, die in und an Gebäuden, Bauteilen und dekorativen Bauelementen verarbeitet werden. Zu den Bauteilen zählen unter anderem Fertigteile, Fenster, Türen, Zargen, Fußböden, Treppen und Vertäfelungen. Nicht dazu zählen hingegen folgende Ausnahmen:
  • Möbel und dazugehörige Innenausbauteile einschließlich Küchen
  • Produkte zum Zwecke der Restaurierung und Unterhaltung von Bauwerken und ihren Bauteilen (genehmigungspflichtig)
  • Produkte, die ausschließlich in Lackieranlagen verarbeitet werden, die in den Geltungsbereich der 31. BImSchV (VOC-Verordnung) fallen (bei Betrieben, die mehr als 5 t Lack/a verarbeiten)
  • nicht filmbildende und in Anhang C des europäischen »CEPE Leitfadens« aufgeführte Produkte: »products out of scope«, z. B. Öle und Wachse, Beizen, HSM usw.
Seit dem 1. 1. 2007 dürfen nur noch Oberflächenbeschichtungen hergestellt und vermarktet werden, deren VOC-Höchstgehalt dem Anhang II der Verordnung entspricht. In der zweiten Stufe ab 2010 wird dieser Wert nochmals abgesenkt. Das Bundesjustizministerium hat diese Grenzwerte unter der Internetadresse http://bundesrecht.juris.de/chemvocfarbv/anhang_ii_12.html veröffentlicht.
Für den Abverkauf an den Handel und an gewerbliche oder private Endverbraucher existiert eine Übergangsfrist von zwölf Monaten. Produkte, die vor dem 1. Januar 2007 hergestellt wurden und nicht der Verordnung entsprechen, dürfen gleichwohl bis zum 31. Dezember 2007 verkauft werden. Der Anwender darf nicht richtlinienkonforme Produkte verarbeiten, solange er will.
Nicht erfasst von der Decopaint-Richtlinie sind Möbel und dazugehörige Innenausbauteile, einschließlich Küchen. Eine Frage, die in diesem Zusammenhang bereits früh aufkam, war: Wie ist der Begriff »Möbel« definiert bzw. was kann als Möbel und dazugehöriges Innenausbauteil angesehen werden? In DIN 68880 findet man Definitionen bezogen auf Werkstoff oder Ausführung des Möbels, Definitionen nach der Funktion, nach der Verwendung im Raum und nach der Konstruktion.
Was ist ein Möbel?
Die Verbände des Tischler- und Schreinerhandwerks beantworten diese Fragestellung wie folgt: »Der Begriff Möbel ist der Oberbegriff für Einrichtungsgegenstände in Wohnungen, Geschäften oder Büroräumen, aber auch im Außenbereich. Ein Möbel ist zweckgebunden und dient der Aufnahme von Gegenständen, dem Verrichten von Tätigkeiten, dem Sitzen oder Liegen. Die Einteilung in bestimmte Möbelgruppen ist nicht immer eindeutig und kann nach verschiedenen Kriterien erfolgen …«
Auch wenn Möbel bzw. Teile davon im Gebäude befestigt sind, bleiben sie der Definition entsprechend Möbel und fallen somit nicht in den Geltungsbereich der Verordnung. Dies gilt beispielsweise für demontierbare Einbauschränke und -küchen. Als Faustregel gilt, dass alles, was man bei einem Umzug mitnehmen könnte oder würde, als »Möbel oder dazugehöriges Innenausbauteil« angesehen werden kann.
Der Schreiner wird oft alle Produkte mit einem einheitlichen, lösemittelarmen Lacksystem (in der Regel wasserbasierend) beschichten müssen, das den Anforderungen der Verordnung entspricht, oder mit dem Auftraggeber die unterschiedlichen Lacksysteme unter Hinweis auf eine eventuell unterschiedliche Optik vereinbaren.
Unbedingt empfehlenswert ist es, die Technischen Merkblätter der Lackhersteller anzufordern und zu prüfen, ob das Beschichtungsmaterial für das vorgesehene Einsatzgebiet empfohlen und zugelassen ist. Eine Beschichtung ist generell dann geeignet, wenn die Technischen Merkblätter die Verwendung des Lacksystems für ein Produkt vorsehen.
Volker Hägele

Kompakt
Decopaint und ChemVOCFarbV
Die ChemVOCFarbV ist die Umsetzung der europäischen Decopaint-Richtlinie in deutsches Recht. Sie gibt vor, dass für Gebäude und bestimmte Bauteile und Bauelemente nur noch Oberflächenmaterialien in Verkehr gebracht werden dürfen, die bestimmte Lösemittelgrenzwerte einhalten. Einige Produkte wie z. B. Möbel sind ausdrücklich aus dem Geltungsbereich der Verordnung ausgeschlossen. Siehe: http://bundesrecht.juris.de/chemvocfarbv

Service
Fachvorträge auf der Ligna
Volker Hägele, Umweltberater beim Landesfachverband Schreinerhandwerk BW, hält auf der Ligna auf dem BHKH-Stand Vorträge über die Decopaint-Richtline und gesundes Wohnen. 16. Mai, 11 und 15 Uhr, Halle 17, Stand A33, A34 und B34.

»Wer riskiert schon Ärger mit den Behörden?«

Wie Tischler und Schreiner mit der ChemVOCFarbV umgehen sollten, erläutert Volker Hägele.
Meinung
Der Tischler und Schreiner sollte in die technischen Merkblätter des Beschichtungsmaterials schauen und prüfen, ob es für den vorgesehenen Einsatzzweck geeignet und der Einsatz erlaubt ist. Was passiert, wenn ein Schreiner ein nicht verordnungskonformes Produkt, z. B. einen Möbellack«, auf ein Bauteil aufträgt? Die Verordnung sieht es als Ordnungswidrigkeit, wenn ein Produkt nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig etikettiert wurde. Als Straftat wird behandelt, wer eine Farbe, einen Lack oder ein Produkt in den Verkehr bringt (§3 Abs. 1). »Inverkehrbringen« wird als »Bereitstellung für Dritte…« beschrieben. Mit welchen Rechtsfolgen ein Tischler und Schreiner zu rechnen hat, wenn er gegen den Geist dieser Verordnung handelt, bleibt abzuwarten. Es gibt die Auffassung, dass der Verarbeiter nicht betroffen ist und mit keiner Strafe rechnen muss. Diese Sichtweise ist sicher im Sinne der Schreiner, die Wasserlacke ablehnen. Auch wenn die Vorgaben lückenhaft sind, ist es dringend zu empfehlen, sich mit den verordnungskonformen Lacken auseinanderzusetzen und sich an die Vorgaben der Lackhersteller zu halten. Wer riskiert schon den Ärger mit den Behörden, der sich vielleicht nicht sofort, aber auf mittlere Sicht einstellen könnte?! Volker Hägele
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