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Doppelnutzen

Technik
Doppelnutzen

Mit PUR-Klebstoffen haben sich nicht nur die Produkte von Tischlern und Schreinern verbessert, sondern auch die Fertigungsprozesse. So lassen sich z. B. feuchte- und wärmebeständige Kanten im Durchlaufbetrieb anfahren. Ina Benz porträtiert eine moderne Klebstoffgattung. Teil 1: PUR Hotmelts.

Als Otto Bayer 1937 zum ersten Mal Polyurethane synthetisierte und damit die Polyurethanchemie begründete, konnte er sicher nur ahnen, welche anwendungstechnischen Möglichkeiten diese für die Zukunft bedeuten. In vielen Industriezweigen sind die Polyurethane nicht mehr wegzudenken, auch nicht in der Klebstoffindustrie. Allein in der Holz- und Möbelindustrie gewinnen die Polyurethanklebstoffe immer mehr an Bedeutung. Polyurethane sind im Möbelbau, bei Handwerkern und im Holzbau in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen im Einsatz. Dieser Beitrag geht auf die einkomponentigen Polyurethan-Schmelzklebstoffe ein. Sie werden von Möbelherstellern für die Kantenanleimung, Profilummantelung, Montage, Kaschierung und Arbeitsplattenversiegelung eingesetzt.

Die einkomponentigen PUR-Hotmelts gehören zu den Klebstoffsystemen, die neben dem physikalischen Abbinden (Abkühlen der heißen Klebstoffschmelze) zusätzlich durch eine chemische Reaktion mit Feuchtigkeit vernetzen. Dies stellt den Klebstoffformulierer bei der Herstellung vor die Aufgabe, die in den Rohstoffen enthaltene Feuchtigkeit zu entfernen. Die Abfüllung erfolgt in trockene und feuchtigkeitsdichte Gebinde. Die Klebstoffe sind als Granulat, in Kartuschen, Dosen, Hobbocks oder als Fassware erhältlich.
Fixiert sofort und härtet danach
Die Verarbeitung der Polyurethan-Schmelzklebstoffe – oft auch als Polyurethan-Hotmelts bezeichnet – erfolgt durch Aufschmelzen. Der heiße Klebstoff wird anschließend auf eines der Fügeteile appliziert und innerhalb der Offenen Zeit mit dem zweiten Werkstück gefügt. Durch das Abkühlen des Klebstoffes wird bereits eine handfeste Verbindung der Teile erzeugt. Das ermöglicht im Produktionsprozess sehr schnelle Taktzeiten und ein unmittelbares Weiterverarbeiten der Werkstücke.
Die chemische Vernetzung wird durch die in der Luft und den zu verklebenden Werkstoffen enthaltene Feuchtigkeit initiiert, kann aber auch durch reaktive Inhaltsstoffe der Substrate realisiert werden. Entsprechend der zur Verfügung stehenden Feuchtigkeit wird die Vernetzungsgeschwindigkeit des Klebstoffes beeinflusst.
Bei der Vernetzungsreaktion entstehen geringste Mengen an Kohlenstoffdioxid, welches in der Regel aus dem Klebstofffilm entweicht. Bei der Verwendung von nicht porösen vor allem großformatigen Werkstoffplatten (wie z. B. PVC oder verschiedenen Metallen) kann dies zu Gaseinschlüssen führen, die die Klebfuge schwächen. Deshalb ist bei der Verarbeitung darauf zu achten, die Umgebungsbedingungen möglichst konstant und definiert zu halten. Zu viel Feuchtigkeit oder zu hohe Temperaturen können das für das Klebstoffsystem typische Reaktionsverhalten genauso negativ beeinflussen wie zu niedrige Verarbeitungsparameter. Eine direkte Befeuchtung des Klebstoffes ist nicht zu empfehlen, vielmehr sollte die relative Luftfeuchtigkeit optimal zwischen 40 und 70 Prozent liegen.
Die Polyurethan-Hotmelts werden in der Regel mit Walzen, Düsen, Sprühköpfen oder Handpistolen appliziert. Die klebstoffführenden Anlagenkomponenten, wie Aufschmelz- und Auftragsgeräte, sollten mit einer Antihaftbeschichtung ausgestattet sein. Des Weiteren ist eine exakte Temperaturregelung zur Verhinderung von Nebenreaktionen zu empfehlen. Eine Überhitzung oder längere thermische Belastung des Klebstoffes über die Verarbeitungstemperatur hinaus kann zu einem sehr schnellen Viskositätsanstieg führen.
Außerdem empfiehlt es sich, die aufgeschmolzene Klebstoffmenge so zu bemessen, dass ein vollständiger Verbrauch in maximal vier Stunden gewährleistet ist. Bei längeren Stillstandszeiten von mehr als einer halben Stunde empfiehlt sich eine Temperaturabsenkung, um die Hitzebelastungen für den Klebstoff gering zu halten. Bei der Verwendung von Tankanlagen sollte die Schmelze mit einem trockenen Inertgas überlagert werden, um eine Reaktion mit Luftfeuchtigkeit zu verhindern. Trockener Stickstoff oder getrocknete Luft in der entsprechenden Güte werden hierbei üblicherweise eingesetzt.
Die Reinigung der Anlagen und der Klebstoffwechsel erfolgen mit entsprechenden Spülmitteln, bis der Polyurethan-Hotmelt vollständig aus dem System entfernt ist. Da sich das Spülmittel farblich vom Klebstoff unterscheidet, ist dieser Prozess relativ einfach durchzuführen. Vor längeren Stillstandszeiten sollte die Maschine leergefahren und anschließend gespült werden. Bei der erneuten Inbetriebnahme muss zunächst der Klebstoff eingefüllt und das Spülmittel vollständig aus der Anlage gepresst werden. Wenn auf einer Verarbeitungsanlage verschiedene Schmelzklebstoffe, reaktive und nichtreaktive, verarbeitet werden sollen, so ist die Verträglichkeit zu überprüfen.
Fest und widerständig
Mit reaktiven PUR-Schmelzklebstoffen erzielt der Tischler und Schreiner im rationellen Durchlaufbetrieb Verklebungen, die feuchte- und wärmebeständiger sind als bei anderen Klebstoffen. Durch die chemische Vernetzung erreichen sie neben dem besonderen Widerstandsvermögen auch sehr hohe Festigkeitswerte. Diese Vorteile spiegeln sich auch in der aktuellen Marktentwicklung wider: Gegenüber anderen Klebstoffen konnten PUR-Systeme ein deutlich höheres Wachstum erzielen.
Meistert widrige Verhältnisse
Mögliche chemische Reaktionen mit den Inhaltsstoffen bzw. reaktiven Gruppen der Werkstücke sorgen für eine gute Adhäsion zu vielen Materialien. Beispiele hierzu sind die Bereiche Flächenkaschierung, Klebung von Verbundelementen und Leichtbaumöbel-Plattenfertigung und andere. Ferner erzielt der Holzverarbeiter mit PUR-Schmelzklebstoffen eine höhere Lösemittel-, Wasser- und Wasserdampfbeständigkeit als bei herkömmlichen Schmelzklebstoffen. Im Bereich der Feuchtraummöbel (Küche, Bad u. a.) werden für viele Klebungen Polyurethan-Schmelzklebstoffe bevorzugt eingesetzt.
Nicht nur die Klebstoffindustrie weiß Polyurethane zu schätzen, sondern auch die Lackhersteller. Die Lackverarbeiter loben die sehr guten Haftungseigenschaften und die hohe Beständigkeit gegen Lösemittel, Chemikalien und Witterungseinflüsse. Polyurethan-Lacke finden Verwendung als Grundierung, Deck- und Klarbeschichtung. Ina Benz, Jowat AG
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