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Die Holztreppe auf Knopfdruck ist inzwischen Alltag. Treppensoftware macht es möglich. Was dabei gern auf der Strecke bleibt, ist individuelle Qualität, sind der Entwurf und jene Art von Baukunst, die einer x-beliebigen Stiege das besondere Etwas verleihen. Dabei liegt das wirklich Gute oft ganz nah. Christine Ryll stellt besondere Treppen vor.

Keine aufwändigen Aufrisse von Hand mehr, stattdessen hochpräzise Ausdrucke nach Eingabe von nur wenigen Daten. 3-D-Darstellungen auf Knopfdruck – und die Holzlisten gibt es gratis dazu. Computerprogramme haben den Treppenbau vereinfacht. Doch sie haben auch dazu geführt, dass das Produkt Treppe allmählich zum Einheitsbrei mutiert. Nur mehr wenige Betriebe machen sich die Mühe, maßgeschneiderte Lösungen zu erarbeiten. Einer davon ist Holzbau Saurer aus Höfen bei Reutte in Österreich.

Tragflächen (Bild 1 und 2). Dipl.-Ing. Alexander Wasle vom Architekturbüro Walch hatte Saurer mit dem Bau seines Wohnhauses beauftragt, ganz aus Holz. Die Innentreppe stellte er sich als frei schwebende, grazile Skulptur vor, die Stufe für Stufe aus einer Wand kragt. Wie beim Tragflügel eines Flugzeugs sollte der Auftrittquerschnitt zur Auflagermitte hin anschwellen und zum Rand maximal 2 cm dick auslaufen. Als Materialien kamen nur Beton und Stahl in Frage, der Dimensionen wegen. »Das geht auch in Holz«, konterte Saurer und legte los. In einer Testreihe fräste er auf dem BAZ drei statisch ausgeklügelte Pilotstufen aus Eschenholz heraus. Am Auflager sowie am massivsten Punkt in Treppenmitte blähen sie sich 8 cm, 10 cm oder 12 cm dick auf. Zum Rand hin laufen sie 2 cm dünn aus.
Alle drei Muster wurden in eine Holzriegelwand eingezinkt, verleimt und anschließend am schwächsten Punkt mit 500 kg belastet. Das Ergebnis: Die Keilverzinkung der 10 cm dicken Stufe brach bei diesem Druck am Auflager aus. Die Stufe selbst hielt stand. »Von der Belastung her hätte daher auch die 8-cm-Variante funktioniert«, zieht Wasle Bilanz. Er gab trotzdem 2 cm zu, denn die 10-cm-Alternative bietet das angenehmste Lauferlebnis: Sie federt nicht so stark wie die dünnere und ist nicht so steif wie die massivere Stufe.
Montagefreundlich
Auftritt für Auftritt ist mit der angrenzenden 12 cm dicken Holzriegelwand verzinkt. Diese setzt sich aus einzelnen, aneinander gereihten Riegeln zusammen, die mit 30 cm exakt dieselbe Breite haben wie die Stufen. 50 cm lange Stahlstangen mit 12 mm Durchmesser durchbohren Riegel und Stufen und sichern die ausgefeilte Konstruktion. Deren Montage war vergleichsweise einfach. Alle Stufen wurden im Werk gefräst und dort mit dem passenden Riegel gekoppelt. Auf der Baustelle schoben die Schreiner die Treppenteile nur noch zusammen. Fertig war die Skulptur.
Eingestemmt und aufgehängt (Bild 3). Ähnlich flink entwickelte sich die Stiege, die Werner Zwyssig aus Seelisberg in der Schweiz nach den Plänen der Architektin Margrit Baumann in ein altes Bauernhaus einsetzte. Auch hier kragen die Stufen aus einer massiven Holzwand aus. Vertikale, mit Schwalbenschwanzzinken verbundene Bretter tragen die Stufen auf der Raumseite. Sie sind mit der Balkenlage des oberen Stockwerks verschraubt und laufen noch bis auf die Brüstungsgeländerhöhe weiter. 5 cm tiefe Taschen in der historischen Tannenholzwand dienen als Auflagerfläche für die 4 cm dicken und 29 cm tiefen Stufen. Als Sicherheitsanker dienen Zapfen.
Aufgesattelt, durchstoßen und aufgehängt (Bild 4). Die Kurzbeschreibung der Treppe eines ebenfalls vom Architekturbüro Walch entworfenen Einfamilienhauses in Telfs in Tirol klingt martialisch. Dahinter verbirgt sich eine Treppenkonstruktion aus 1 m breiten, 30 cm tiefen und 6 cm dicken Eichenholzstufen. Sie sind an der Wandseite auf einen 6 cm dicken Holzleimbinder aufgesattelt. Auf der anderen Seite werden sie von 8 mm dicken Stahlseilen durchstoßen und mit Hilfe eines Formrohrs im Treppendurchstoßpunkt gehalten.
Faltkunstwerk (Bild 5). Die von der Schreinerei Leonhard Rumpfinger in Hohenlinden gefertigte und vom Architekturbüro Wieland Egger entworfene freitragende Treppe eines Hauses bei Stuttgart kam als ganzes Stück auf der Baustelle an. Sechs Mann waren nötig, um die Faltkonstruktion aus 4 cm dickem Eichenholz durch den Haupteingang an ihren Bestimmungsort zu hieven. Dort hält sie ein winziges Stück Eisen 2 cm von der angrenzenden Wand entfernt: ein Stahlschwert, das sich in eine Stufe bohrt und dessen Fußplatte an einem verstärkten Holzständer der angrenzenden Wand verschraubt ist. Abstand, Verankerung, statische Unsicherheiten: Solche Probleme treten bei Möbeltreppen nicht auf. Ihre Aufgabe besteht darin, möglichst elegant zwei Funktionen unter einen Hut zu bringen: Aufstiegshilfe und Möbelstück.
Regaltreppe (Bild 6). Eine Treppe in einem Einfamilienhaus in der Nähe von Marktschwaben löst dies durch eine Konstruktion, die am ehesten einer aufgesattelten Treppe entspricht. Damit die entstehenden Fächer und Schubladen groß genug sind, springt jede zweite Stufe zurück. Als Material für das von Gernot Vallentin entworfene Treppenmöbel verwendete die Zimmerei Korber 40 mm dicke Birke-Multiplexplatten und 24 mm dicke Zwischenböden.
Garderobentreppe (Bild 7). Die von Imhof Architekten entworfene und von Josef Theiler, Möbel- und Innenausbau, gebaute Treppe eines Hauses in Stansstad, Schweiz, ist eine beliebte Spielstätte der vier Kinder der beiden im Haus lebenden Familien. Sie ist das erste, was die Besucher erblicken: ein aus lackierten MDF-Platten gefertigtes und mit Ahorntritten belegtes Möbel, das Charme und Nutzwert in beeindruckender Weise kombiniert. Maßgeschneidert, hervorragend gearbeitet und individuell, so wie es sich für eine gute Treppe vom Tischler und Schreiner gehört.
Schubladentreppe (Bild 8). Eine Mischkonstruktion bildet die Basis für eine von Jordan Atelier für Solararchitektur entworfene Treppe in einem Einfamilienhaus in der Nähe von Steyer in Oberösterreich. Im fertigen Zustand nicht mehr sichtbar, verläuft zwischen zwei Wänden eine Betonlaufplatte nach oben. Sie ist mit 4 cm dicken Eschenholzstufen belegt. Seitlich verkleiden Holzwerkstoffplatten mit Melaminharzbeschichtung die Konstruktion. In der Schreinerei Aigner vorgefertigte Apothekerauszüge nehmen in der unteren Hälfte der Treppe allerlei Krimskrams auf. Christine Ryll
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