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Insolvenzgrund Scheidung

Marketing & Betriebsführung
Insolvenzgrund Scheidung

Die Frau von Schreinermeister H. lässt sich scheiden. Ihr Anwalt berechnet den Wert der Firma nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren auf 600000 Euro. Muss der Handwerker ihr die Hälfte auszahlen, ist er zahlungsunfähig. Ein Rechtstipp von Michael Sudahl.

Michael Sudahl

Stehen Handwerker wegen einer Scheidung vor Gericht, wird manchem schwarz vor Augen. Seitdem zu Beginn des letzten Jahres die Regierung die Pläne zur Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer veröffentlicht hat, folgen Gerichte dem sog. vereinfachten Ertragswertverfahren. Damit wird festgestellt, wie viel ein Betrieb Wert ist. Das Problem: Das Verfahren nimmt als Basis für die Zukunftsprognose primär den durchschnittlichen Gewinn der vergangenen drei Jahre an. Dieser wird mit einem aus der aktuellen Zinslage abgeleiteten Faktor multipliziert. »Heraus kommen oftmals Werte, die viel zu hoch sind«, sagt Experte Werner Preißing. Er tritt als Gutachter vor Gericht auf und ist Autor mehrerer Bücher zum Thema Wertermittlung.
Ertragswert vs. Statuswert
Im Scheidungsfall rechnet ein Gutachter mit dem vereinfachten Ertragswertverfahren der Finanzverwaltung. Dabei multipliziert er den Betriebsertrag mit einem Kapitalisierungsfaktor. Dieser berechnet sich so: Ertrag dividiert durch die Summe aus Basiszins und Risikoaufschlag. Den Basiszins veröffentlicht die Bundesbank. Er liegt für dieses vereinfachte Ertragswertverfahren aktuell bei 3,61 Prozent; der Gesetzgeber hat den Risikoaufschlag auf 4,5 Prozent festgesetzt. Bei einem Durchschnittsertrag der vergangenen drei Jahre von 50000 Euro steht unterm Strich ein Firmenwert von 600000 Euro.
Preißing hingegen analysiert die betriebswirtschaftliche Situation des Betriebes nach dem Statuswertverfahren. Dabei werden auch die Zukunftsaussichten beleuchtet, etwa indem ein Businessplan erstellt wird – ähnlich wie ihn Banker bei einer Kreditvergabe erwarten. Statt des hohen Betrages von Gutachter eins (Ertragswertverfahren) sieht das Statuswertverfahren den Wert der Schreinerei H. bei 120000 Euro.
Das Statuswertverfahren
Beim Statuswertverfahren werden zunächst Umsätze und Erträge betrachtet. Die sind bei Handwerkern u.a. an die Zahl der Mitarbeiter gekoppelt. Erzielen Betriebe einen Umsatz von 100000 Euro je Mitarbeiter und Jahr, liegt der Ertrag bei ca. 10000 Euro pro Kopf. Im Beispiel des Schreiners H. sinken die Umsätze im Jahr 2008 von 100000 auf 80000 Euro. Der Grund: Ein Großauftrag kam nicht zustande. Beim Ertrag ergibt sich ein Minus von 8000 Euro.
Um festzustellen, ob das Unternehmen in der Lage ist, in Zukunft Gewinne zu erzielen, erfasst das Statuswertverfahren betriebswirtschaftliche Faktoren. Der Substanzwert belegt, was an Betriebsausstattung vorhanden ist, etwa Lager, Fuhrpark oder Werkzeug. Im Organisationswert erkennt man, wie gut interne Abläufe definiert sind. Der Praxiswert zeigt, wie viel Euro der Betrieb erwirtschaftet hat. Eine Vorausschau der zu erzielenden Umsätze bündelt schließlich der Auftragswert. Betrachtet werden beispielsweise die Art der Kundenbeziehungen, Engagement der Mitarbeiter, Führungsstil des Chefs, Rechnungswesen, räumliche Lage und die Anzahl der Auftraggeber. So ergibt sich ein ganzheitliches Bild des Betriebes.
Zukunftsaussichten fließen ein
Dem Gericht ist nun klar: Die Zahlen der Vorjahre sind mit der aktuellen Situation und den Zukunftsaussichten nicht vergleichbar. Denn neben der verschlechterten Ertragssituation hat der Betrieb mit weiteren Schwierigkeiten zu kämpfen. Durch einen Meisterwechsel rissen Kundenverbindungen ab, neue Arbeitsabläufe und Zuständigkeiten kosten Zeit und zusätzlich belastet die Wirtschaftskrise die Zukunftsprognose.
Darin unterscheiden sich die beiden Analysemodelle: Das Ertragswertverfahren betrachtet ausschließlich theoretisch mögliche Erträge. Beim Statuswertverfahren geht es um eine Einschätzung von Potenzialen für die Zukunft.

Der Experte
Dr.-Ing. Werner Preißing ist Architekt und Systemanalytiker. Er berät Büros und Betriebe und ist u. a. Dozent an der Steinbeis-Hochschule sowie an der TU Dortmund. Der Autor ist Verfasser verschiedener Fachbücher zur Wertermittlung.
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