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Schicht im Schacht

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Schicht im Schacht

Ein Schacht sollte als Zugang ins unterirdische Rietberg-Museum für asiatische Kunst dienen. Fritz Rutz wusste diese Vorgabe der Architekten umzusetzen. Ein 13 Meter hoher Eichenholzkäfig trägt die Treppenanlage.

Einziges, von außen sichtbares Zeichen des neuen Erweiterungsbaus des Rietberg-Museums für asiatische Kunst ist ein Glashaus, der sogenannte Smaragd. Dieser fügt sich unaufdringlich in ein Ensemble von historischen Villen des Parks ein. Der vergleichsweise kleine Glaskubus dient als Eingangshalle des Erweiterungsbaus. Vom Smaragd aus gelangen die Besucher über eine gerade Podesttreppe, die in einem zwölf Meter tiefen Schacht mit durchlaufenden Eichengittern vollflächig verkleidet ist, in die zwei Untergeschosse mit den Ausstellungsräumen. Der unterirdische Bau verbindet den Smaragd mit dem gegenüberliegenden historischen Gebäude, in das man ebenfalls über einen gleich gestalteten Treppenschacht hinauf gelangen kann. Durch die schachtartigen Treppenanlagen ging wenig Fläche für die Ausstellung verloren. Sie widerspiegeln so das architektonische Anliegen.

Die beiden Treppenschächte verbinden die drei Ebenen jeweils über eine gerade, zweiläufige Treppe in U-Form mit einem Halbpodest. Als Last abtragende Wangen dient eine Ständerkonstruktion. Die durchlaufenden Kanthölzer sind im Abstand von 60 cm gesetzt. Dazwischen bildet ein flächiges, kreuzüberblattetes Holzgitter mit einem quadratischen 25-mm-Raster über die gesamte Höhe den schachtartigen Körper. Wie die Setz- und Trittstufen ist auch der Treppenunterlauf mit 18 mm dicken Eichendecks beplankt.
»Eigentlich schwebte den Architekten eine Messingkonstruktion vor. Der Preis von einer Million Schweizer Franken und nur schwer beherrschbare Schwingungen brachten sie jedoch davon ab«, sagt Fritz Rutz, Inhaber von Treppenbau.ch, der darauf hin die Treppenanlagen in einer Holzkonstruktion angeboten hat.
Stahlschwerter und Spanten
Holzpfosten tragen die Treppen. Die äußeren Pfosten ersetzen die Lichtwange, sind auf Zug belastet und hängen in U-Profilen an den Zwischendecken. In diese Stützen sind Leuchten eingelassen. Der Abstand zum Boden beträgt sieben Millimeter. Fritz Rutz wählte die hängende Konstruktion, weil er die Knickgefahr der Pfosten meiden wollte. Ihr Querschnitt ist nämlich für die Kabelzuführung der Leuchten geschwächt. Die inneren Pfosten stehen im Treppenauge und sind auf Druck belastet.
Eine der wenigen Vorgaben seitens der Architekten war, dass die Vorderkante der Tritte jeweils mit der Pfostenachse übereinstimmt. Die Stahlschwerter, die Eigengewicht und Nutzlast der Treppe über jeden zweiten Tritt in die senkrechten Pfosten einleiten, mussten deshalb außermittig in den Stützen angebracht werden. Diese Stahlschwerter wurden an jedem Befestigungspunkt mit vier Passbolzen an den Pfosten befestigt. Die Schwerter sitzen unmittelbar hinter der Setzstufenbeplankung. »Es gab im Grunde keine vernünftige Alternative zur Konstruktion mit den Stahlschwertern. Die Nutzlast pro Stufe beträgt immerhin 400 kg«, erklärt Pirmin Jung, der die Konstruktion berechnet hat.
13 nebeneinander angeordnete 10 cm hohe zickzackförmige Spanten bilden die Unterkonstruktion des Treppenkörpers. Sie sind aus doppelten 27 mm dicken Drei-Schicht-Platten gefräst und im Abstand etwa 50 Millimetern mit den Stahlschwertern verschraubt. Zum Schlucken des Trittschalls sind die Hohlräume mit Glaswolle ausgefüllt. Die äußere, sichtbare Fläche der Spanten erhielt ein Eichen-Doppel, da diese durch das Gitter zu sehen ist.
Eichen- und Fichtenholz
Die äußeren Pfosten weisen drei, die inneren nur zwei sichtbare Seitenflächen auf. Fritz Rutz entschied sich deshalb, die Stützen mit einem Kern aus Fichte auszuführen und die Ständer mit Lamellen aus acht bis zwölf Millimeter dicker Eiche zu verkleiden. Aus Eichenblockware stellte er Kanthölzer her, die er mit Keilzinkenstößen auf Längen von bis zu sieben Metern brachte und auf einer doppelten Trennbandsäge zu dünnen Lamellen schnitt. »Die Lamellen waren für uns zwar recht aufwendig«, sagt Rutz, »jedoch gibt es nur wenige sichtbare Leimfugen und ein ruhiges Holzbild. Wir konnten die Kabelkanäle darunter verstecken. Außerdem ist Fichtenholz günstiger als Eiche.«
Die Eichenplatten für Setzstufen, Tritte und Untersicht wurden nach dem Nuten und Fälzen für den Gleitschutz aus Messing zu Winkeln verleimt. Ihr besonderes Erscheinungsbild erhalten die Treppenschächte aber durch die gitterartige Wandbekleidung, die mit ihrer Dimension und unsichtbaren Befestigung das Bild der Anlage dominieren.
Zur Herstellung der Gitterelemente verwendete Fritz Rutz besäumte und einseitig vorgehobelte Eichenbretter. Er fräste die Kreuzüberblattung noch im Rohzustand auf dem BAZ. In einem Durchlauf an der Vierseiten-Hobelmaschine fügte er die rechte Seite, hobelte auf Dicke und trennte die Bretter zu Leisten auf. Das präzise Maß erzeugte die Breitbandschleifmaschine. Die Überblattung ist so tief eingefräst, dass ein kleiner Hohlraum entsteht. »Hier können sich kleine PUR-Leimkugeln ausdehnen, ohne dass etwas austritt. Das sparte uns eine Menge an mühseliger und teurer Putzarbeit«, sagt Fritz Rutz.
Um nicht die empfindlichen und wertvollen Kunstschätze im Museum zu gefährden, galt es, lösungsmittelfreies Öl für die Oberflächenbehandlung zu verwenden. Auf etwa 55° erwärmt ließ es sich nicht nur komfortabel mit der Airless-Pistole spritzen, es drang auch besonders tief in das Holz ein.
Montage in zwei Richtungen
Hinsichtlich der Arbeitsstunden steht die Montage gleich hinter der Herstellung der Gitter. Ein auf Holzfaserplatten geklebter 1:1-Ausdruck des Grundrisses half, die Geometrie auf der Baustelle zu kontrollieren. »Mit Lasergeräten konnten wir ganz einfach überprüfen, ob alles rechtwinklig und lotrecht ist«, sagt Fritz Rutz. Damit sich die Stahlschwerter durch einfaches Einschieben in den Pfosten verankern ließen, wurde der Pfosten bei jedem Kreuzungspunkt mit Treppenkörper in der Länge gestoßen. Der Treppenkörper und die Gitter verdecken alle Stöße.
Schwierig gestaltete sich die Absturzsicherung bei der Montage. Ein Gerüst wurde Zug um Zug mit dem Einbau der Treppe wieder abgebaut. Trotzdem war die Schwindelfreiheit der Monteure dringend erforderlich, weil mit der Montage des Treppenkörpers nur die mittleren Spanten eingebaut werden konnten. Eine Schraublänge musste jeweils offen bleiben, damit die äußere, die spantenverkleidende Eichenlamelle, direkt auf die Pfosten und die Gitterroste geschraubt werden konnte.
Die Gitterroste und die Deckleisten der Pfosten mussten vor der Montage des nächsten Treppenlaufes angebracht werden. Montiert wurden diese mittels eigens hierfür angefertigter Riffeldübel. Die 8,3 mm dicken Dübel wurden in die Eichengitter eingeleimt und dann auf den weicheren Fichtenkern aufgeklopft, bei denen der Bohrdurchmesser lediglich 8 mm beträgt. Damit weder von unten noch beim Begehen der Treppe ein Schraubenkopf sichtbar ist, musste die Untersicht in Abwärtsrichtung und der Treppenbelag aufwärts gehend montiert werden. Christian Härtel

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