Ein zur guten Form NRW gezeigtes Gesellenstück orientiert sich stark an einem Möbelentwurf des Holzbildhauers Erich Brüggemann. Spannend ist, wie die Gestaltungsidee übersetzt wurde.
Kennen Sie das: Sie sehen ein Möbelstück und denken: Habe ich das nicht schon irgendwo so ähnlich gesehen oder täusche ich mich? Zu Hause nachgeblättert: Genau! Doch hier handelt es sich weniger um eine Kopie als um die Transformation einer Idee. Das Vorbild stammt aus dem Buch »Neue Möbel« von Erich Brüggemann, das 1991 im Verlag DVA erschienen ist. Dort heißt es: »Der Kommodenschrank steht auf vielen Beinen und lebt von dem Kontrast des geschlossen wirkenden Schubkastenblocks mit den feinen Stützrahmen. Im oberen Bereich sind diese Rahmenleisten spitz gerundet, im unteren Bereich nach innen. Wichtig ist, dass die Schubkästen leicht in einer Fläche nach unten gewölbt sind …«
Etwas pietätlos könnte man sagen: Der Tischlergeselle hat das Kunstwerk des Holzbildhauers auf der Kreissäge nachgebaut. Dem sind einige plastische Details zum Opfer gefallen: Aus dem gespannten Schubkastenkorpus wurde ein Plattenkorpus, aus den geschnitzten Stützrahmen modifizierte Gerüste aus Kanthölzern. Man könnte auch sagen: Der Tischler hat eben mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln gearbeitet. Die Entwürfe von Brüggemann waren ausdrücklich als Anregung für Tischler gedacht, hier gibt es keine Kritik. Doch hielt der Holzbildhauer die »Mittel« des Tischlers für differenzierter, als sie hier zum Einsatz gekommen sind.
Albert Einstein sagte: »Man soll die Dinge so einfach wie möglich machen. Aber nicht einfacher.« Übertragen auf unseren Fall heißt das: Hier verliert die gestalterische Idee durch ihre zu starke Vereinfachung an Kontur. JN
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Genau hingeschaut
