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Beschaffung in schwierigen Zeiten

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Beschaffung in schwierigen Zeiten

Klar strukturiertes Arbeiten ist produktiv. Das gilt auch für die Materialbeschaffung in der Schreinerei. Vor allem in Zeiten der Rohstoffverknappung ist strategisches Handeln beim Materialeinkauf unerlässlich.

Sehnsüchtig schaut der Inhaber und Vater durch das Bürofenster. Draußen lernt sein fünfjähriges Mädchen gerade Fahrradfahren. Ein Mitarbeiter aus der Werkstatt hilft dabei. »Da schauen Sie, das ist meine Tochter. Und was mache ich den ganzen Tag? Immer nur arbeiten! Ich hab nicht mal Zeit, ihr das Fahrradfahren beizubringen! Wissen Sie, wer ihr hilft? Mein Cousin. Der ist bei mir angestellt und hat um vier Uhr Feierabend!«

Ich spreche mit dem Schreinermeister die Abläufe seiner Arbeitsvorbereitung weiter durch, auf der Suche nach Vereinfachung. Wie kauft er seine Platten ein? »Natürlich lastzugweise!« Hat er feste Lieferanten? Er schüttelt den Kopf. »Ich denke gar nicht dran! Für jeden Zug den ich einkaufe, frage ich drei bis vier Lieferanten an. Und ich habe schon gut verhandelte Preise!« Wie lange braucht er für so eine Preisanfrage? »Na, so 30 bis 45 Minuten.« Bei den Telefonaten quetscht er seine Lieferanten noch ein bisschen aus, sagt er.
Auf die Frage, wie viel Euro er denn für so einen eingekauften Zug einspare, wird er zuerst blass, dann gibt er kleinlaut zu, es seien nur so 20 Euro. Ich schaue ihn streng an: »Wieviel ist Ihre Meisterstunde in Euro wert? Und wie viel ist Ihnen Ihre Lebensqualität wert? Sie können gerne so weitermachen, aber dann will ich nie wieder einen Ton darüber hören, dass Sie zu viel arbeiten!«
Was das Thema Beschaffung betrifft, so hapert es bei vielen Schreiner-Betrieben. Tatsächlich wird durch Fehler bei der Wahl der Lieferanten, Mängel in der Lagerverwaltung, unrationelle Nachbestellung etc. viel Geld verschleudert.
Grundsätzlich muss der Handwerker zwischen Standardware und Kommissionsware unterscheiden. Bis zur gemeinsamen Verarbeitung haben beide nichts miteinander zu tun.
Standardware. Bei der Standardware ist es erforderlich, dass sich der Schreiner einen kompletten Überblick über die in seinem Betrieb vorhandenen Bestände verschafft – und dass er den notwendigen Bestand genau analysiert. Beide Größen weichen häufig stark voneinander ab. Die Regel: Standardmaterial muss immer so reichlich vorhanden sein, dass der Betrieb permanent fertigen kann, ohne dass ein kurzfristiger Beschaffungszwang eintritt.
Vorteile einer festen Beziehung
Bei der Standardmaterialliste ist es sinnvoll, sich auf einen einzigen Lieferanten zu konzentrieren. Mit diesem bespricht man Preise und Konditionen. Was Sie so in der Arbeitsvorbereitung an Zeit für Preisanfragen einsparen, übertrifft die paar nicht eingesparten Cent im Einkauf bei weitem. Voraussetzung ist: Die Absprachen mit Ihrem Standardlieferanten sind verlässlich, die Abrechnungen ehrlich. Uns sollten sich die Preise ändern, bekommen Sie als Inhaber Bescheid, bevor dies Ihre Bürokraft beim Abgleichen der Rechnung bemerkt.
Noch ein wichtiger Vorteil einer solchen festen Verbindung: Wenn, wie wir es gegenwärtig erleben, die Rohstoffe knapp sind, wird sich Ihr Standardlieferant ein Bein ausreißen, um Ihnen Material zu beschaffen.
Kommissionsware. Beim Beschaffen und Einkaufen von Kommissionsware muss der Handwerksunternehmer unterscheiden, ob es sich um Materialbeschaffung beim Standardlieferanten handelt oder ob er es mit einem neuen oder nur gelegentlich beanspruchten Lieferanten zu tun hat. Beim ersteren wird er, weil er schon VIP-Kunde ist, mit Sicherheit mit Vorzug bedient. Im letzteren Fall erlebt er genau das Gleiche wie unser Schreinermeister, wenn er laufend drei bis vier Lieferanten anfragt: Er ist ein Nobody, erhält entsprechend schlechte Konditionen, die außerdem immer wieder neu verhandelt werden müssen, und kann nur abwarten, ob und ggf. wann das bestellte Material kommt.
Derzeit ist es z. B. in Bayern extrem schwierig, Spanplatten zu bekommen, da die Spediteure keine Rückfrachten von Bayern haben. Platten sind deshalb bei den Händlern Mangelware. Gleichzeitig ist der Einstandspreis von Holz, etwa Konstruktionsvollholz (KVH), für die Händler seit Jahresbeginn um über 40 Prozent gestiegen! Platten könnten derzeit von den Händlern nicht verkauft, sondern zugeteilt werden. Nur sagen das die Händler nicht laut. Die Verkaufspreise für Platten sind in Polen im Moment höher als in Deutschland! Das Rohstoff-Problem dürfte sich übrigens noch verschärfen, wenn die Pellet-Produktion wie angekündigt innerhalb von drei Jahren verdoppelt werden soll.
Im Beschlägebereich haben die Vorlieferanten der Händler nicht an die Wirtschaftsbelebung geglaubt und deshalb auch nicht vorproduziert. Die Lager der Händler sind inzwischen teilweise leergefegt. Wer jetzt keine guten Lieferantenbeziehungen hat, ist schlecht dran. Für einen guten Kunden überlegt der Händler dagegen gern, wem er in letzter Zeit das gesuchte Material in interessanten Mengen verkauft hat, und fragt dort schon mal nach, ob es Überbestände gibt, mit denen er seinem Stammkunden kurzfristig aus der Patsche helfen kann.
Händler mit Zusatznutzen
Natürlich kann es bei größeren Kommissionen sinnvoll sein, diese Mengen nochmals speziell anzufragen; aber die Vorzugsbehandlung beim Standardlieferanten ist Ihnen eben nur bei entsprechend vorhandener Handelsbeziehung sicher. Wichtig ist dabei, dass Sie sich innovative Händler herauspicken, die einen Zusatznutzen bieten – neben Schulungen über innovative Produkte oder aktuelle Trends z. B. Fortbildungen in Bereichen wie Verkaufsoptimierung, Betriebsführung und vieles mehr. Im Gegenzug legt der Händler Wert auf gute Zahlungsmoral: Sehr unregelmäßiges bzw. nicht garantiertes Begleichen von Rechnungen zermürbt auf Dauer das Vertrauen in den Endabnehmer. Dasselbe gilt für permanente Preisanfragen und langwieriges internes Kalkulieren verschiedenster Produkte. Gerade kleine Anfragen kosten nicht nur den Schreiner, sondern auch den Händler viel Arbeit, Nerven und Zeit, und das bei geringen Gewinnmargen.
Im Einkauf liegt kein Gewinn
Der alte Lehrsatz »Im Einkauf liegt der Gewinn!« gilt nicht mehr! Eine reale Umsatzsteigerung und Gewinnmaximierung liegt vielmehr in der Steigerung der Produktivität – und das auf sämtlichen Ebenen des Betriebsalltags: in der Minimierung der Arbeitsvorbereitung, in einer gut strukturierten Lager-Organisation, einer optimalen Werkstatt-Organisation, in reibungslosen Standard-Arbeitsabläufen in der Verwaltung etc. Fazit: Eine optimierte Einkaufsstrategie ist gewiss nicht alles, aber doch ein ganz wichtiger Baustein für Ihren Gesamterfolg. Dipl.-Ing. Doris Paulus
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