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Nach dem Vorbild der Bienen

Technik
Nach dem Vorbild der Bienen

Bienen verwenden einen lösemittelfreien Nestklebstoff: Wachs, das bei Körpertemperatur flüssig ist und nach Abkühlung erstarrt. Moderne Schmelzklebstoffe orientieren sich an diesem Vorbild. Michael Blasius und Lars Gestring von Jowat stellen den Erfolgsklebstoff vor.

Lösemittelfrei und trotzdem beim Auftrag flüssig, nahezu universell einsetzbar bei Kombination vieler Materialien und das bei besten Adhäsionseigenschaften und zwar auch dann noch, wenn hohe thermische Beständigkeit gefordert ist: Das leisten Schmelzklebstoffe. Ihr Erfolgszug geht durch alle Handwerke und Industriezweige: Automobil-, Verpackungs-, Textilhandwerk und -industrie und unzählige Anwendungen. Und natürlich sind diese Alleskönner im Holz- und Möbelhandwerk ebenso zu finden wie in der Holz- und Möbelindustrie. Kantenklebung, Profilummantelung, Oberflächenkaschierung – immer, wenn es um anspruchsvolle Klebungen geht.

Die Anwender wussten die Vorteile dieser Klebstofffamilie schnell zu schätzen. Die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der chemischen Industrie hielten Schritt mit ihren wachsenden Erwartungen und so haben Anwender heute eine Vielzahl von Schmelzklebstoffsystemen zur Auswahl, die die unterschiedlichsten Anforderungen meistern.
Physikalisch abbindende Schmelzklebstoffe. Zu den gängigsten Schmelzklebstoffen zählen
  • Ethylen-Vinyl-Acetat (EVA)
  • Amorphe-Poly-Alpha-Olefine (APAO)
  • Poly-Olefine (PO)
Die Klebwirkung ergibt sich ausschließlich aus dem physikalischen Erstarren bei der Abkühlung. Es sind keine Mischvorgänge zu beachten, der Schmelzklebstoff liegt als Granulat, Stick oder Pillow vor. Im aufgeschmolzenen, flüssigen Zustand erfolgt der Auftrag auf eins der zu klebenden Werkstücke. Nach der Fügung und der schnellen Abkühlung / Erstarrung ist eine sofortige Handlingsfestigkeit der geklebten Teile vorhanden. Diese Klebstoffe sind auf Verarbeitungstemperaturen von 170°C bis 210°C ausgelegt. Der Erweichungsbereich begrenzt die Wärmebeständigkeit der Klebungen. Bei EVA liegt der Erweichungsbereich bei 80 bis 100 °C, bei APAO und PO bei 100 bis 120 °C, erfüllen aber bei vielen Anwendungen die Anforderungen.
Bei diesen drei Klebstoffsystemen wird zwischen ungefüllten und gefüllten Klebstofftypen unterschieden. Der Füllstoffanteil (z. B. Kreide) hat dabei Einfluss auf die Klebeigenschaften und daher auch auf die Qualität des fertigen Produktes. Die Klebstoffhersteller reagieren auf die Anforderungen des Marktes, Klebstoffsysteme mit angemessenen Klebeigenschaften zu adäquaten Preisen zu liefern.
Gefüllte Schmelzklebstoffe benötigen – anders als ungefüllte Schmelzklebstoffe – höhere Auftragsmengen, liefern eine mittlere Festigkeit und hinterlassen beispielsweise beim Kantenanleimen eine sichtbare Leimfuge.
Die geringere Dichte der ungefüllten Klebstoffe bringt auch eine gewichtsmäßig geringere Auftragsmenge und damit einen Kostenvorteil mit sich. Bessere Klebeigenschaften (Kreide klebt nicht) und eine sehr geringe, kaum sichtbare Leimfuge kommen als Qualitätsmerkmale hinzu.
Chemisch reagierende Schmelzklebstoffe. Mehr Festigkeit und Widerstandskraft als jeder rein physikalisch abbindende Schmelzklebstoff bieten chemisch reagierende Schmelzklebstoffe, die PUR-Systeme. Sie bestehen überwiegend aus Polyurethan (PUR), also Polymeren, die für die Kohäsion (innere Festigkeit) sorgen, und Harzen, die die Adhäsion (die Verkrallung) sicherstellen. Bei der Klebung mit PUR-Klebstoffen entsteht auch eine sofortige hohe Anfangsfestigkeit durch das physikalische Abbinden. Die geklebten Teile lassen sich innerhalb kürzester Zeit weiterverarbeiten. Die sich anschließende, bis zu mehreren Tagen dauernde chemische Reaktion mit der Luftfeuchtigkeit und der Materialfeuchte führt zu deutlich höheren Resistenzen gegen Wärme- und Feuchteeinwirkungen als bei als bei Klebungen mit Weißleim. So eignen sich PUR-Schmelzklebstoffe besonders für Küchen- oder Badezimmermöbel.
Die PUR-Klebstofffamilie zeichnet sich durch niedrige Verarbeitungstemperaturen und eine sehr gute Adhäsion, auch zu schwierig zu klebenden Materialien aus. Dazu gehören Fliesen, Glas, Metalle oder sogar hochglänzende Schichtstoffe.
Anwendungen. Schmelzklebstoffe werden gerne in der Kantenklebung, der Ummantelung, bei der Oberflächenkaschierung und auch bei der Montage von Möbeln eingesetzt. Der Materialvielfalt sind dabei keine Grenzen gesetzt. Klebbar sind beispielsweise Massivholz, Spanplatte, MDF, HPL, ABS-, PP- oder PMMA-Kantenbänder, Furnier- oder Melaminkanten, Papierfolien oder PP- und PVC-Folien (z. B. aus PP und PVC etc.) und Glas.
Manchmal fordern besondere Lebensräume auch besondere Produkteigenschaften und deren Nachweis. Dann muss der Alleskönner zum Spezialisten werden und Flagge zeigen. So zum Beispiel beim Schiffsinnenausbau. Auf See gelten besondere Regeln, nämlich die der International Maritime Organization (IMO). Der Schiffsinnenausbau ist ein gutes Beispiel für einen expandierenden Markt und ein gutes Beispiel für die hier geltenden, besonderen Anforderungen an Design, Teilekonstruktion und Materialmix. Im Rahmen des Schiffsinnenausbaus sind die Anforderungen der International Maritime Organization (IMO) zu erfüllen. Sie legt hohe Maßstäbe auch dort an, wo es beispielsweise um das Flammverhalten von Werkstoffen an Bord geht.
Ohne Steuerradzertifizierung keine Einsatzmöglichkeit an Bord. Da machen die chemisch-technischen Produkte keine Ausnahme: Bei allen gewerblich genutzten Schiffen, Yachten und Booten dürfen ausschließlich zugelassene Produkte eingesetzt werden. Am Markt sind PUR-Hotmelts mit IMO-Zertifizierung verfügbar. Jowat ist ein Anbieter und deckt den gesamten Klebstoffbedarf beim Schiffsausbau mit steuerradzertifizierten Klebstoffprodukten ab.
Maschinen und Auftragstechnik. Schmelzklebstoffe werden auf allen gängigen Maschinentypen eingesetzt: Kantenanleimmaschinen, Profilummantelungs-oder Kaschieranlagen. Sie lassen sich mithilfe von Walzenanlagen (aus Stahl oder mit Gummibeschichtung), Rund- und Schlitzdüsen, Sprühköpfen oder Handpistolen auftragen.
Klebstoffführende Teile der Aufschmelz- und Auftragsgeräte sollten mit einer Antihaftbeschichtung versehen sein. Um unerwünschte Nebenreaktionen zu verhindern, sind nach dem Aufschmelzen des Klebstoffs längere Zeiträume ohne Klebstoffentnahme zu vermeiden. Außerdem sind die vom Klebstoffhersteller empfohlenen Verarbeitungstemperaturen unbedingt einzuhalten. Gebrauchsinformationen sind gegebenenfalls anzufragen.
Fazit. Chance für die Zukunft: Schmelzklebstoffe kommen bereits in vielen handwerklichen Möbel-, Innenausbau-, Messe- und Ladenbaubetrieben, aber auch in Unternehmen aus dem Objektbereich zum Einsatz. Die Vielseitigkeit, das große Produktangebot und das sehr gute Kosten-Nutzen-Verhältnis sowie die überschaubare Anwendungstechnik machen Betriebe trendsicher und tragen erheblich zu einer Ertragsverbesserung der Handwerksunternehmen bei.
Lars Gestring und Michael Blasius
»Thermoplastische Schmelzklebstoffe haben sich für die meisten Anwendungen bestens bewehrt« Lars Gestring
»PUR-Schmelzklebstoffe übertreffen den Weißleim in puncto Hitze- und Feuchtebeständigkeit.« Michael Blasius

Die wichtigsten Schmelzklebstoffe
Physikalisch abbindende Systeme
  • EVA, Erweichungsbereich 80 bis 100 °C
  • APAO, Erweichungsbereich 100 bis 120 °C
  • PO, Erweichungsbereich 80 bis 100 °C
Reaktive Systeme
PUR, sehr feuchte- und hitzebeständig, in der Regel bis etwa 120 °C beanspruchbar

Die Autoren
Michael Blasius ist Anwendungsberater für PUR-Schmelzklebstoffe und PU-Dispersionen bei Jowat. Lars Gestring arbeitet ebenfalls bei Jowat und ist Anwendungsberater für thermoplastische Klebstoffe. Jowat AG, 32758 Detmold, Tel.: (05231) 749-0, Fax: -105, www.jowat.de
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