1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite » Technik »

Auf Knopfdruck CO2-Gehalt

Technik
Auf Knopfdruck CO2-Gehalt

Der Materialpass geht in die nächste Runde: Künftig zeigt sich schon bei der BIM-Planung auf Knopfdruck, wie kreislauffähig Fenster, Türen und Gebälk tatsächlich sind. Dies verleiht der Kreislaufwirtschaft neuen Schwung.

Verlängern, verändern und immer wieder verwerten: Was aus dem Vokabular eines heutigen Nachhaltigkeitstextes stammen könnte, nannten unsere Vorfahren Alltag. Egal ob Fenster, Ziegel, Schrauben oder Holz, jedes Material und jedes Produkt erhielt eine zweite, dritte und vierte Chance, bis es schließlich verheizt, als Füllmaterial verwendet, eingeschmolzen oder auf andere Weise in den Materialkreislauf zurückgeführt wurde.

Unter dem Oberbegriff Kreislaufwirtschaft hat diese Denk- und Handlungsweise nach Jahren der Missachtung inzwischen erneut in unserem Alltag Platz gefunden. Wie anno dazumal geht es auch heute darum, Material wiederzuverwerten bzw. in den Materialkreislauf zurückzuführen, um nachhaltiger und klimafreundlicher mit den begrenzten Ressourcen unserer Erde umzugehen, als es die letzten Jahrzehnte der Fall war. Und wie früher ist das Ziel dieser Denk- und Handlungsweise, mit begrenzten Ressourcen bestmöglich zu agieren, zu sparen oder – angesichts steigender Materialkosten – finanziell sogar zu profitieren, indem Fenster, Nägel und Schrauben einfach nochmals verbaut werden. Dazu kommt der Nachhaltigkeitsaspekt, der angesichts des hohen CO2-Abdrucks der Bauwirtschaft immer stärker an Bedeutung gewinnt. Der nachhaltigen Materialwirtschaft gehört somit die Zukunft – und die ist zwangsläufig auch mit der schriftlichen Erfassung der jeweiligen Materialien verbunden. Während unseren Vorfahren dafür jedoch nur Papier und Bleistift zur Verfügung standen, gibt es für uns im Zuge der Digitalisierung inzwischen neue Möglichkeiten, um die Dokumentation und damit auch die Kreislaufwirtschaft zu optimieren.

Passport und Madaster

Eine große Rolle spielen dabei sogenannte Material- oder Gebäudepässe, die wiederum auf der Plattform Madaster virtuell hinterlegt werden. Auf diese Weise halten Planer bzw. Immobilien- oder Bauunternehmen die Materialien und Produkte, die in einem Gebäude – egal ob Neubau oder Bestand – verarbeitet sind, virtuell fest und zahlen damit quasi den Geldwert der Balken, Türen und Fenster auf ein Materialkonto ein. Und wie bei einem regulären Konto wächst der Materialwert auf der Materialbank ebenfalls im Laufe der Zeit an und kann nach dem Rückbau des betreffenden Gebäudes in Form von Schrauben, Brettern oder Fensterrahmen wiederverwertet oder in den Materialkreislauf zurückgeführt werden.

Auch wenn der Materialpass bis dato erst von einigen wenigen Unternehmen eingesetzt wird, so dürfte sich dies dank der neuen Gesetzgebung und der zunehmenden Verbreitung von Building Information Modeling (BIM) bald ändern. Früher oder später werden sich daher alle Unternehmen der Baubranche mit Materialdatenbanken beschäftigen – vom Hochbau bis zum Innenausbau und von der Planung bis zum ausführenden Gewerk. Schon jetzt schreiben zum Beispiel Vorreiter wie die Nassausche Heimstätte Wohnungs- und Entwicklungsgesellschaft oder Eerkes Architects mit Recyclingaufstockungen oder ganzen Gebäuden aus Recyclingmaterialien Geschichte. Und die Bayerische Hausbau, EPEA und Madaster haben jüngst beschlossen, im Rahmen der Teilsanierung des Huthmacher-Hauses in der Berliner City West eine Analyse der Nachhaltigkeitspotenziale mit Blick auf die Kreislaufwirtschaft und Urban Mining durchzuführen. Denn wenn die Materialdatenbanken einmal etabliert sind, kann der Materialkreislauf geschlossen werden. Und ggf. sogar der ausführende Unternehmer in der Datenbank hinterlegt werden, sodass er für Folgeaufträge angesprochen werden kann.

Eingabe über Excel oder IFC

Die dafür notwendigen Informationen können – beim Neubau ebenso wie beim Bestandsgebäude – auf Grundlage eines Excel-Dokuments oder über eine IFC-Schnittstelle als offener Standard direkt aus der BIM-Planung in die Materialdatenbanken übertragen werden. Dort dokumentieren sie, welche Gebäudeteile in der jeweiligen Immobilie verbaut sind und in welcher Dimension bzw. Anzahl. Sie zeigen an, wo sich das jeweilige Material befindet, und listen die beim Rückbau einzuhaltende Reihenfolge auf. Die Verknüpfung der EPEA-Material- und Produktdatenbank mit der Madaster-Plattform macht es zudem möglich, CO2-Emissionen und die Kreislauffähigkeit von Immobilien zu berechnen und in die Berichterstattung aufzunehmen. Die Materialherkunft (Sekundärrohstoffe, nicht-erneuerbare Primärmaterialien, nachwachsende Rohstoffe) sowie die Verwertung (Wiederverwendung, Verwertung, Verbrennung, Deponie) sind schon im Datensatz hinterlegt. So können die Nutzer die für ihr Vorhaben erforderlichen Berechnungen nun auch individuell durchführen.

Auf Knopfdruck CO2-Fußabdruck

Um dieser Entwicklung einen zusätzlichen Schub zu verleihen, haben die Werkbank IT GmbH und EPEA zudem den ersten BIM-basierten Building Circularity Passport® (BCP) entwickelt und dabei Daten-Know-how, BIM-Technologie und Nachhaltigkeitskriterien kombiniert. Dazu stellt EPEA Daten und Algorithmen für den digitalen Abgleich in den CAD-Programmen bereit. Der BCP gibt Planern, Bauherren und Investoren unmittelbar – auf Knopfdruck – Auskunft über den CO2-Fußabdruck, die Recyclingfähigkeit oder den verbauten Rohstoffrestwert des Gebäudes. So lässt sich bereits in der Planungsphase eines Gebäudes in wenigen Sekunden herausfinden, wie sich die verwendeten Baustoffe auf die Ökobilanz auswirken. Bisher waren dafür aufwendige Berechnungen nötig.


Christine Ryll ist Architektin und schreibt als Architekturjournalistin über die Themen Bau, Architektur und Immobilien. In dds schreibt sie immer wieder über die Digitalisierung im Bereich Architektur und Bauhandwerk.

Aktuelles Heft
Titelbild dds - das magazin für möbel und ausbau 4
Aktuelle Ausgabe
04/2024
EINZELHEFT
ABO
dds-Zulieferforum
Tischlerhandwerk in Zahlen

Zahl der Betriebe im Tischlerhandwerk

dds auf Facebook


dds auf YouTube

Im dds-Channel auf YouTube finden Sie:
– Videos zu Beiträgen aus dds
– Kollegen stellen sich vor
– Praxistipps-Videos
– Maschinen & Werkzeuge

Abonnieren Sie dds auf YouTube »