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Auf den Zahn gefühlt

Technik
Auf den Zahn gefühlt

Die Schnittleistung moderner Handsägen ist den selbst nachschärfbaren Universalsägen von gestern bei weitem überlegen. Forscher von der Universität Stuttgart entwickelten ein Verfahren, wie sich die Leistungsfähigkeit von Handsägen messen lässt. Uwe Heisel, Johannes Tröger und Marco Schneider stellen es vor.

Auf dem Markt gibt es eine Vielzahl verschiedener Sägetypen wie Bügelsägen, Zugsägen und Handsägen, die auf Druck arbeiten. Letzt genannte sägen besonders schnell. Neben dem Aufbau der Säge entscheidet die Verzahnung über das Einsatzgebiet, den notwendigen Kraftaufwand und die Schnittgüte. Moderne Sägen sind hochspezialisierte Einweg-Produkte. Sie erlauben keinen Vergleich mit den selbst nachschärfbaren Universalsägen vergangener Zeiten. Die Schnittleistung und -güte sind wesentlich höher, Beschichtungen verkleinern die Reibung in der Schnittfuge, die Geometrien der Verzahnung ist sehr komplex und macht ein Nachschleifen nur schwer möglich.

Der Markt im Segment der Handsägen ist stark umkämpft. Qualitätswerkzeuge müssen mit günstiger Importware konkurrieren. Bei der Anschaffung wird häufig nur der Kaufpreis berücksichtigt, das Verhalten der Säge, die erzeugbare Qualität, der Kraftaufwand beim Sägen und die begrenzte Lebenszeit durch Abstumpfung der Verzahnung stehen hinten an.
Systematische Entwicklung
Im professionellen Einsatz zeigen sich dann aber schnell die Unterschiede, die den Käufer bei der nächsten Kaufentscheidung beeinflussen. Die Hersteller moderner Handsägen haben die Bedürfnisse der professionellen Nutzer erkannt und verbessern ihre Produkte ständig. Sie nutzen auch wissenschaftliche Methoden, um die Eigenschaften der Produkte zu untersuchen und daraus Verbesserungen abzuleiten.
Am Institut für Werkzeugmaschinen der Universität Stuttgart wird seit Jahren der Zerspanprozess von Fräs- und Kreissägewerkzeugen untersucht. Mit modernen Prüfständen wurde nun auch handgeführten Sägen auf den Zahn gefühlt.
Mehr noch als bei maschinengetriebenen Sägen, wie beispielsweise Kreis- oder Bandsägen, kommt es bei handgeführten Sägen darauf an, mit möglichst geringen Bearbeitungskräften auszukommen. Die Messung der herrschenden Kräfte dient damit nicht nur der Beurteilung einer Säge sondern gibt wichtige Hinweise bei der Entwicklung neuer und Verbesserung bestehender Zahngeometrien.
Im Auftrag der Firma Irwin Industrial Tools wurde sowohl ein Prüfstand zur Kraftmessung an Handsägen angepasst als auch eine Aufnahmesoftware und eine Methodik zur Auswertung der Kräfte erstellt.
Schnittkräfte erfassen
Zur Untersuchung und Vermessung einer Handsäge werden Proben definierter Abmessung auf eine Kraftmessdose gespannt. Beim anschließenden Sägen werden die auf das Werkstück wirkenden Kräfte erfasst (Bild 1). Hierbei wird zwischen Schnittkraft, Schnittnormalkraft und Passivkraft unterschieden. Die ermittelten Kräfte werden mit der eigens geschriebenen Software ausgewertet. Wie bei der Schnittkraftmessung von Fräswerkzeugen im Bearbeitungszentrum bietet sich auch bei der Messung von Handsägen eine Filterung der gemessenen Rohdaten an. Damit kann der Verlauf der Schnittkräfte besser von einem überlagerten Rauschen und Schwingungen des Sägeblatts getrennt werden (Bild 2).
Auswertung
Die so gewonnenen Datenschriebe können nun weiter ausgewertet werden, z. B. nach der notwendigen Zeit, der Anzahl der Hübe, der mittleren Kräfte etc. Weiterhin können die Daten nach Hub und Rückhub getrennt und separat ausgewertet werden. In einer tiefer gehenden Analyse können weitere Kennwerte gebildet werden, wie die Leistung, die die sägende Person aufbringen muss und die Energie, die bis zum Ende des Schnitts aufgewandt wird.
Zur Beurteilung von Fräswerkzeugen in der maschinellen Zerspanung werden weiterhin spezifische Daten genutzt, die bestimmte Kenngrößen in ein Verhältnis zueinander setzen. Die spezifische Schnittkraft (kc) wird als Verhältnis von mittlerer Schnittkraft zum mittleren Spanquerschnitt definiert. In diesem Wert werden gleichzeitig die aufgebrachte Kraft aber auch die Geschwindigkeit, mit der gearbeitet wird sowie die Dicke der entstandenen Fuge berücksichtigt. Der kc-Wert liefert somit wichtige und vor allem vergleichbare Zahlenwerte, die eine Einschätzung der Schnittgüte einer Säge liefern können.
Als Beispiel zeigt Abbildung 3 die gemessenen Werte der spezifischen Schnittkraft von zwei Sägetypen und drei Werkstoffen. Deutlich zeigt sich die unterschiedliche Festigkeit der Materialien, MDF und Kiefer liegen bei etwa 65 bis 75 Prozent der Werte von Buche. Deutlich zeigt sich die Säge Typ 2 überlegen, denn die kc-Werte sind zwischen 16 und 25 Prozent niedriger als bei der Säge mit der Verzahnungsvariante 1. Für den Anwender würde dies ein Viertel weniger Kraftaufwand beim Sägen bedeuten, wodurch sich eine enorme Arbeitserleichterung ergeben würde. Allerdings reicht die Betrachtung der kc-Werte allein nicht aus.
Neben den Schnittkräften liegt ein zweites wesentliches Augenmerk auf der erzeugten Oberfläche. Hier kann mit einem Oberflächenmessgerät eine objektive Beurteilung der Rauigkeit erfolgen. Kraftkennwerte und die Qualitätskennwerte liefern zusammen wichtige Erkenntnisse zur Verbesserung bestehender Sägen und zur Entwicklung neuer Schneidengeometrien für den wachsenden Markt an alternativen Werkstoffen, die zusätzlich zu Massivholz und Holzwerkstoffen, auf den Markt drängen und ebenfalls mit Handsägen bearbeitet werden können.
Es sägt sich immer leichter
An die neue Generation von Handsägen stellen vor allem professionelle Nutzer wie Tischler und Schreiner immer höhere Anforderungen, die die Sägenhersteller zwingen, ihre Produkte ständig zu verbessern. Außerdem sind die Sägen an immer wieder neue Einsatzgebiete und Materialien anzupassen. Die wissenschaftliche Untersuchung der Sägen hilft den Herstellern ihre Produkte objektiv zu bewerten und aus den Ergebnissen Verbesserungen an den Sägen abzuleiten. Maßgebliches Ziel ist immer die Verringerung der Kräfte, die der Nutzer aufbringen muss, sodass sich im professionellen Einsatz eine hohe Arbeitserleichterung ergibt.
Prof. Dr.-Ing. Uwe Heisel, Prof. Dr.-Ing. Johannes Tröger und Dipl.-Ing. Marco Schneider
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