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Masterarbeit von Michl Goß

Die Stärken des handwerklichen Möbelbaus: Masterarbeit von Michl Goß
Hashtag Handwerk

Was sind die Stärken des handwerklichen Möbelbaus? Dieser Frage ist Michl Goß in seiner Masterarbeit an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle nachgegangen.

Was macht Handwerk in Abgrenzung zur
Möbelindustrie aus? Als Tischler und Interior Designer hat Michl Goß die Möglichkeit genutzt, sein Thema theoretisch und auch praktisch abzubilden. Mit der Masterarbeit »Hashtag Handwerk« möchte er Stärken des handwerklichen Möbelbaus in den Fokus rücken und darüber hinaus zeigen, wie dabei Handwerk und Design zusammenspielen können.

Ein erster Schritt zu den Stärken des Handwerks lag für Michl Goß in der Wahl seiner Hochschule, denn an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle sind Gestaltung und Handwerk traditionell eng miteinander verbunden: Die Hochschule ging vor mehr als 100 Jahren aus einer gewerblichen Zeichen- und Handwerkerschule hervor und bietet Studierenden aus Kunst- und Designfakultäten hervorragende Werkstätten, ihre Ideen zu verwirklichen. Bereits im Grundlagenstudium werden sie an unterschiedliche Materialien mit den einschlägigen Bearbeitungs- und Verformungstechniken herangeführt. Auch in den Semesterferien können dazu Kurse belegt werden. In der Fakultät Innenarchitektur ist die Verbindung von Handwerk und Gestaltung traditionell besonders dicht: »Hier springen Studierende mehrmals täglich zwischen Werkstätten und Projektraum hin und her, wenn aus Skizzen und CAD-Zeichnungen Mock-ups oder Architekturmodelle werden«, so Michl Goß.

Auf Spurensuche vor Ort

Die Fertigungstechniken und Produktionsmittel von Handwerk und Industrie liegen nahe beieinander, die Grenze sei oft fließend, erklärt Michl Goß. Dennoch hafte dem Handwerk ein gewisser Mehrwert an. Um auszuloten, was handwerkliche Werkstücke konkret von industriell gefertigten Möbeln unterscheidet, hat er sechs Möbelbauer aufgesucht, Produktionsweisen und Firmenstrukturen betrachtet und Interviews mit Geschäftsführern und Produktmanagern geführt. Auf diese Weise wurden vergleichend sechs renommierte Unternehmen porträtiert, die in Summe ein breites, differenziertes Spektrum des holzverarbeitenden Möbelbaus abbilden. Aus den Überschneidungen der Standpunkte zieht Michl Goß seine Rückschlüsse und entwickelt daraus einen kaleidoskopartigen Blick auf das Handwerk.

Eine herausragende Rolle spielt die Qualifikation der Gesellen und Meister als Grundlage individuellen und rationellen Möbelbaus. Einzelstücke effizient zu fertigen, erfordere Wissen und Können: »Es geht um Vorplanen und Denken, was passiert bei bestimmten Arbeitsvorgängen, die Arbeit danach einzuteilen, das hat einen riesigen Stellenwert«, sagt Peter Medau von der Tischlerei Zweibaum aus Berlin. Der Erfahrungsschatz eines jeden werde mit jedem Projekt größer. Davon profitieren der Betrieb, aber auch die Kunden. Tilman Allstadt, Werkstätte für Massivholzmöbel in Tunzenberg, bestärkt: »Je größer die Erfahrung und je intensiver das Gefühl ist, mit dem man arbeitet, desto besser ist auch das Ergebnis.« Das gelte insbesondere für die Verarbeitung von Massivholz im Gegensatz zu standardisierten Werkstoffen. Die Ressource Holz lasse sich regional gewinnen und verarbeiten, wachse nach und speichere darüber hinaus Kohlendioxid. Auch Franz Buchner von Team7 unterstreicht den ökologischen und nachhaltigen Aspekt hochwertiger Möbel aus Holz: »Wir haben die Philosophie, dass unsere Produkte in der Regel so lange halten sollen, wie der Baum zum Nachwachsen braucht.« Charakteristisch sei die intensive Verbindung der Kundschaft zum handwerklichen Werkstück, an dessen Entwurfsprozess sie direkt beteiligt sei. Dank seiner regionalen Verortung sei es dem Handwerk möglich, mit der Gestaltung auf Raumsituationen wie auf bestehende Möbel zu reagieren. Das Handwerk habe den Vorteil, »beim Besuch des Kunden ein bisschen nach links und rechts zu schauen«, wie es Jan Arne Pecusa von der Tischlerei Tigeno aus Leuna benennt. Hier könne sich »der Tischler mit Planung und Ideen abheben«, ergänzt Günther Schweiger von der Speedmaster GmbH in Steinsfeld, die als rationeller, spezialisierter Zulieferer Betriebe des Tischler- und Schreinerhandwerks unterstützt.

Argumente für das Handwerk

Für den praktischen und gestalterischen Teil seiner Masterarbeit wollte Michl Goß Besonderheiten des Handwerks begreifbar machen und daraus Merkmale der Alleinstellung ableiten. Er sieht eine Sonderrolle des Handwerks gerade in Bezug auf Mensch, Raum, Objekt, Natur und Kultur. Seine Argumente für das Handwerk ordnet er diesen Kontexten zu. So lässt sich etwa an gedrechselten Garderobenknöpfen eine persönliche Handschrift des ausführenden Tischlers ablesen. Eingefräste Koordinaten an einer Tischkante geben Auskunft über die Herkunft des Holzes. Für ein Kabinettschränkchen wird die Marqueterietechnik mithilfe moderner Technologien neu interpretiert. Ein Stuhl visualisiert die Reparaturfähigkeit und eine raumgreifende Ankleide bildet einen Gegenentwurf zur klassischen Schrankwand. Die kleine Kollektion aus fünf exemplarischen Möbelstücken versteht sich dabei nicht etwa als Blaupause für handwerklichen Möbelbau, sondern vielmehr als eine Visualisierung seiner Grundlagen und potenziellen Stärken.


dds-Redakteur Johannes Niestrath ist Michl Goß beim mitteldeutschen Tischlertag in Halle im September 2023 begegnet: Dort sprach er zum Tagungsthema Region über den USP des Handwerks.


Steckbrief

Michl Goß ist Tischler und hat an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle Innenarchitektur studiert. Seinen Masterstudiengang »Furniture and Interior Design« hat er mit der Arbeit »Hashtag Handwerk« abgeschlossen, die wir hier verkürzt in Ausschnitten wiedergeben. Michl Goß arbeitet als selbstständiger Designer in Leipzig.
Seine Entwürfe entwickelt er für und mit Handwerksbetrieben.

www.mett.studio, @mett_en_detail


Der Designer

Michl Goß ist
Tischler und Interior Designer.

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