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»Ich bin ein Getriebener«

Gestaltung
»Ich bin ein Getriebener«

Nils Holger Moormann widmete sich nach Jurastudium und Import französischer Fahrzeuge vor fast 30 Jahren aus Begeisterung dem Möbeldesign und gründete den nach ihm benannten Vertrieb. Zur IMM 2008 stellte er im Kölner Museum für Moderne Kunst aus. Der Designer Martin A. Büdel hat ihn dort besucht.

Das Interview führte der Designer Martin A.Büdel

Es gibt eine Geschichte, wie Nils Holger Moormann zu den Möbeln kam. Ein Tramper hat im Auto von einem Architekten erzählt, der Möbel baut …
Design war damals nicht inflationär, ich wusste gar nicht, was das ist. Ich bin in diese Welt kurz eingetaucht und war von Anfang an vollkommen fasziniert. Warum ich dann nach vorne gekommen bin – ich denke, das ist so, wenn du etwas mit voller Leidenschaft machst und eher spielerisch durchs Leben stolperst.
Was macht Moormann denn anders als andere?
Ich wollte nie maschinenhörig werden und immer die Möglichkeit haben, Topleute zu holen. Das hat dazu geführt, dass wir nie selber gefertigt haben, sondern die Aufträge bei uns im Umkreis von 30 Kilometern vergeben. Das hat mich jahrelang ins Aus geboxt, weil die Beschaffungskarawane bis in die Hintermongolei vorgedrungen ist und eine Stunde dort 80 Cent statt 38 Euro kostet. So lagen wir mit unseren Preisen restlos daneben. Andererseits haben wir es überstanden. Ich glaube, die Leute fragen heute ganz andere Sachen: Das ist ein geiles Möbel, sieht gut aus, was ist das für eine Firma?
Wie findet ihr Produzenten?
In den Anfängen durch »try and error«. Ich fuhr im Stau hinter einem Lkw, »Trumpf Abkantpressen, wir sind die Nummer eins, wir sind die Qualität« habe ich gelesen und mir die Nummer aufgeschrieben. Ich hab da angerufen und gesagt, anscheinend habt ihr ja was mit Abkantpressen zu tun, ich brauch den Kontakt zu jemanden, der so eine Maschine hat. Und so habe ich das auch mit dem Holzverarbeiter gemacht. Heute darf ich das nicht mehr, da haben wir Fachleute, die aus der Beschaffung kommen, Ingenieure oder Geschäftsführer.
Aschau im Chiemgau …
… war als Standort reiner Zufall. Ich habe ein paar Mal die Kurve nicht gekriegt und bin da hängen geblieben. Das ist für eine Möbelkollektion eher schlecht, weil das Zuliefererumfeld dort noch mehr fehlt als anderswo. Ich bewundere die italienischen Möbelindustrie. Da gibt es unglaubliche Netzwerke, wie vielleicht noch bei uns in Ostwestfalen. Auf kleinem Raum hast du enorme Kompetenzen gebündelt. Die klassischen Zulieferbetriebe haben bei uns einfach kein Netz.
Vernetzt ihr eure Zulieferer?
Unbedingt, jeder muss die Gesamtkette verstehen und wissen, um welches Produkt es eigentlich geht. Es gilt nicht »ich baue einen Tisch«, sondern ich baue vielleicht nur den rechten Fuß eines Tisches, weil den Rest andere machen. Da ist es wichtig, jemandem zu sagen, auf deinem Massivholzding, da ruht das alles. Wenn du Scheiße baust, kann der Rest auch nichts mehr werden.
Wie kommt ihr zu Produkten?
Wir kriegen am Tag ein bis zwei Einreichungen, da sind auch Sachen dabei, die man bauen könnte. Wir machen aber in der Regel pro Jahr nur zwei Entwürfe, mehr kriegen wir nicht durch. Ich sage immer »schick ja nix, bitte nicht« und dann auf einmal bist du am Bauen. Mein Plädoyer ist immer, dass es mir gefällt, aber ich beuge mich, wenn zu viel Gegenwind aus unserer Designabteilung kommt.
Wie ist die Firma Moormann organisiert?
Wir sind zwanzig Mitarbeiter, einige in der Verwaltung, die zählen die Erbsen, die anderen machen die Kunden klar. Dann gibt es vier, die setzen die Entwürfe in Möbel um. Dann kommt die Produktionsabteilung, die bauen den Prototyp und arbeiten mit unseren Zulieferern zusammen.
Prototypen baut ihr selber?
Wir machen meistens Pappmodelle. Für einen Zulieferer ist das so eine Sache einen Prototyp zu machen. Wir jagen denen ja Aufträge rein, dass die qualmen. Die haben oft gar keine Zeit. Jedes komplexe Ding braucht einen Prototyp, du siehst einfach was es kann oder was es eben nicht kann und dann kommt die Entscheidung.
Es gab in den letzten Jahren auch mehrere Hausentwürfe …
Das hat so langsam angefangen. Als erstes Verpackungsdesign, dann war man Bedienungsanleitungsdesigner und als drittes war es die Schraube, die man selber schöner machen kann. Und so ging es weiter. Ich habe letztes Jahr diesen Lesesessel gemacht, weil ich für Mailand eine tolle Installation brauchte. Dann hat sich das Ding wieder Erwarten extrem gut verkauft!
Wie wichtig ist die Person Moormann im Unternehmen?
Leider sehr wichtig. Ich hab damals, als es losgegangen ist, auf einem Bierdeckel ein Firmenlogo mit meinem Namen gemalt, das war Fluch und Wunder zugleich. Heute würde ich die Firma sicherlich anders nennen. Wenn es mir nicht gut geht, geht es der Firma wahrscheinlich in dem Jahr auch nicht gut. Das finde ich für die Mitarbeiter nicht so toll.
Ihr nennt euch Möbelverleger …
Wir sind eben nicht der klassische Herstellungsbetrieb, wie es ihn früher gab, hinten dampfen die Schornsteine und vorne steht der dicke Benz. Das mit dem Verlag ist ein Bild: Da gibt es einen Lektor, der überprüft den Stoff und sagt, das ist shit, das ist super.
Ihr geht 2008 zum dritten Mal nach Mailand auf die Messe. Stellt ihr euch international auf?
Deutschland macht uns Sorge. Fängt hier einer an zu jammern, machen alle anderen unbedingt mit. Es reicht schlechte Stimmung, damit auf einmal die Lichter flackern. Das nervt und ist für den Betrieb gefährlich. Wir haben vor fünf Jahren angefangen, den Exportanteil zu vergrößern und sind jetzt bei 35 Prozent, 50 Prozent wollen wir erreichen. Das hilft, wenn es in Deutschland schlecht läuft.
Was darf man nach dem Museumsauftritt erwarten?
Ich weiß nicht was kommt, aber wir werden schon weiter Flagge zeigen! Ich fände es extrem schade, wenn die Kölner Messe weiter an Bedeutung verliert. Aber die machen jetzt ja was.
Wie funktioniert euer Vertrieb?
Am Anfang haben wir alles selber gemacht. Dann haben wir zwei Handelsvertreter eingestellt und jetzt haben wir gar keinen Außendienst mehr in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Und das geht wunderbar.
Das heißt, die Händler melden sich inzwischen direkt bei euch?
Mehr oder weniger! Mich erschreckt es immer, weil man sagt, dann kauft kein Mensch diese wunderbare Ware, aber auf der anderen Seite funktioniert es. Weil der Druck eher vom Charme der Produkte kommt. Wenn man es bis zum Endverbraucher schafft, ist das natürlich der absolute Segen. Wir haben eine gute Presse und so langsam bekommt man einen Namen. Da hat jemand einen Tisch mit so einem Knick gesehen, weiß aber nicht wo. Er geht zum Möbelhändler und im besten Fall fällt dem ein, dass der Tisch von Moormann ist. Uns führt er zwar nicht, aber was glaubst du, wenn ihm das zwei- oder dreimal passiert. Andererseits nimmt die Abhängigkeit des Lieferanten gewaltig zu. Es gibt immer weniger von Inhabern geführte Möbelläden, fast keine Youngsters und fast keine Experimente. Dazwischen musst du als Hersteller einfach rotzfrech dein Ding machen.
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