1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite » Allgemein »

Smart Shopper

Allgemein
Smart Shopper

Die Wertschöpfung im Tischler- und Schreinerhandwerk findet immer weniger in der Werkstatt statt. Die Gestaltungsmöglichkeiten verlagern sich zunehmend auf den Einkauf. dds im Gespräch mit Unternehmensberater Jürgen Gerhartz.

Wie lässt sich beim Einkauf am leichtesten Geld einsparen?

Sehr effektiv ist ein regelmäßiger Austausch mit Kollegen über Preise. Das garantiert zwar noch kein Preisoptimum, kann aber große Verluste verhindern. Noch größere Einsparpotenziale sehe ich in der intensiven Beobachtung des Zuliefermarktes. Der erfolgreiche Betrieb entwickelt sich zum Smart Shopper und entscheidet immer wieder von neuem, ob der Zukauf nicht günstiger ist als die Eigenfertigung. Jeden Tag bietet die Zulieferindustrie neue Produkte und Ideen, mit denen der Handwerker am Markt punkten kann.
Wo sehen Sie weitere Potenziale?
Viele Betriebe hätten weniger Liquiditätsprobleme, wenn sie die Einkäufe auf den tatsächlichen Bedarf für die nächsten Aufträge beschränken würden. Eine weitere Möglichkeit, ohne großen Aufwand Geld zu sparen, ist der Beitritt zu einem Einkaufsverband.
Wie lässt sich der Markt beobachten?
Wer Fachzeitschriften liest, bekommt schon eine Menge mit. Darüber hinaus empfehlen sich Messebesuche z. B. der Interzum in Köln oder der ZOW in Bad Salzuflen. Hier sieht der Tischler und Schreiner zum einen, was designmäßig angesagt ist. Zum anderen kann er sich mit konkreten Produkten und Lösungen auseinandersetzen und Zulieferer kennenlernen. Nicht zu vernachlässigen sind die Händler und Handwerker verschiedener Gewerke vor Ort. Wer schon konkretere Vorstellungen von der zu beschaffenden Ware hat, kann danach auch im Internet recherchieren.
Was bietet der Zuliefermarkt?
Neben dem reinen Werkstoffangebot gibt es zwei Produktgattungen, zum einen Baukasten- oder Systemlösungen und zum anderen Individualanfertigungen. Meister der Baukasten- oder Systemlösungen ist die Beschlagindustrie. Das Angebot reicht von maßvariablen Schubkästen, die der Verarbeiter lediglich mit der passenden Front zu versehen hat, bis hin zu kompletten Büromöbelcontainern, die sich mit einer individuell gestaltbaren Hülle verkleiden lassen. Daneben stellen sich Industrie und spezialisierte Handwerksbetriebe auf die hochautomatisierte individuelle Maßanfertigung ein. Der normale Tischler und Schreiner wird einen Spezialisten, z. B. für gezinkte Schubkästen, nur in Ausnahmefällen preislich unterbieten können.
Führt das nicht dazu, dass alle Tischler- und Schreinerprodukte irgendwie gleich aussehen?
Nein und ja. Die Verkleidung des Büromöbelcontainers oder das Schubkastenvorderstück sind ja in gewissen Grenzen frei gestaltbar, während die Funktion, Mechanik und das Innenleben identisch sind. Trotzdem ist die Frage durchaus berechtigt. Was vom Tischler und Schreiner kommt, sieht immer ähnlicher aus. Typisches Beispiel sind die Schiebewände. Obwohl jeder Hersteller sein eigenes Profil verwendet, kann der Laie die Systeme kaum voneinander unterscheiden. Die Produkte werden tatsächlich immer uniformer, das ist ein klarer Trend!
Begeht die Branche nicht einen Fehler, wenn sie ohne Not die Wertschöpfung aus der Hand gibt?
Nein, die Not ist ja da! Gerade kleinere Betriebe können maschinentechnisch mit den größeren nicht mithalten, da es an Kapital und Auslastungsmöglichkeiten fehlt. Folglich können sie gewisse Arbeiten nicht mehr zu Wettbewerbspreisen erledigen. Einen Ausweg bietet nur der spezialisierte Zulieferer. Die kleineren Betriebe im Tischler- und Schreinerhandwerk müssen sich damit abfinden, dass sie immer mehr Montage- und Handarbeiten ausführen werden, und zwar sowohl in der Werkstatt als auch auf der Baustelle.
Welche Tätigkeiten bleiben dem Tischler und Schreiner, dem das Montagethema nicht liegt?
Auch Kleinbetriebe können sich spezialisieren und Technologien einsetzen, die bis vor wenigen Jahren Industrieunternehmen vorbehalten waren. Spezialisierung heißt Investition in Know-how, das der Wettbewerber möglichst nicht hat, Hightech und Zuarbeit für andere Betriebe.
Sollten auch kleine Montagebetriebe ein professionelles Einkaufsmanagement betreiben?
Die Bedeutung des Einkaufs wird massiv zunehmen, weil der über den Lohn beeinflussbare Anteil der Wertschöpfung zurückgeht und sich die Gestaltungsmöglichkeiten in Richtung Einkauf verschieben. In den meisten Betrieben läuft die systematische Erkundung des Marktangebotes, das Einholen von Angeboten und das Aushandeln von Preisen und Konditionen mehr schlecht als recht. Wer sich hiermit nicht intensiv befassen kann oder will, ist mit dem Beitritt in einen Einkaufsverband sicherlich gut beraten.
Was für Einkaufsverbände gibt es?
Die Einkaufsverbände, die ich kenne, haben sich zu Verbundgruppen weiterentwickelt. Der Einkauf ist jetzt nur noch ein Teil eines umfassenden Dienstleistungsangebots, das z. B. auch die Marketingunterstützung oder die Organisation des Erfahrungsaustausches umfasst. Die stetig wachsende Angebotsvielfalt und eine eher kritische Haltung der Tischler und Schreiner gegenüber Standardlösungen erschweren das Bündeln von Bestellungen.
Das Interview führte dds-Redakteur Georg Molinski
Aktuelles Heft
Titelbild dds - das magazin für möbel und ausbau 4
Aktuelle Ausgabe
04/2024
EINZELHEFT
ABO
dds-Zulieferforum
Tischlerhandwerk in Zahlen

Zahl der Betriebe im Tischlerhandwerk

dds auf Facebook


dds auf YouTube

Im dds-Channel auf YouTube finden Sie:
– Videos zu Beiträgen aus dds
– Kollegen stellen sich vor
– Praxistipps-Videos
– Maschinen & Werkzeuge

Abonnieren Sie dds auf YouTube »