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»Kaufe besser aus der Region«

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»Kaufe besser aus der Region«

»Kaufe besser aus der Region«
Die Initiatoren von »Holz von hier« Gabriele Bruckner und Philipp Strohmeier Foto: Studio Pfleiderer für dds
Die Globalisierung trifft auch den Holzhandel. Das degradiert das Möbelholz aus dem Nachbarwald zu Brennholz, schwächt damit die regionale Wirtschaft und führt zu klimaschädlichen Transporten. dds im Gespräch mit Gabriele Bruckner und Philipp Strohmeier von Holz von Hier.

Frau Bruckner, Herr Strohmeier, lässt sich »Holz von Hier« exportieren oder importieren?

Gabriele Bruckner: Das Label Holz von Hier kennzeichnet ein Holz der kurzen Wege, unabhängig davon, ob der Weg über eine Staatsgrenze führt. Holz, das beispielsweise im Rheintal gewachsen und eingeschnitten ist, lässt sich ohne Weiteres ins Elsass exportieren, ohne dass zu lange Transportwege anfallen.
Welche Strecke dürfen denn ein Holzstamm, ein Brett, eine Span- oder Leimholzplatte oder ein Möbelstück zurücklegen, ohne dass sie ihren Status als Holz von Hier verlieren?
Philipp Strohmeier: Ein Fichtenstamm ist fast überall zu haben, daher liegt hier die Grenze bei nur 75 km, für die rareren Laubholzstämme und -bretter beträgt sie 200 km. Da es nur wenige Anbieter von Leimholzplatten gibt, ist die zulässige Entfernung hier großzügig mit 400 km bemessen. Spanplatten habe wir noch nicht im Sortiment, das wird sich jedoch wohl bald ändern. Die maximale Auslieferungsentfernung für den Tischler und Schreiner beträgt 150 km. Diese Entfernungsgrenzen gelten immer nur für eine Station, beispielsweise vom Säge- zum Leimholzplattenwerk. Welche Entfernung dann über alle Stationen insgesamt zusammenkommt, weisen wir auf dem an das Produkt gehefteten Label aus.
Wo ist denn hier?
Hier ist beim Einsatzort, also beim Endkunden, der ein Produkt kauft.
Dann funktioniert das System offensichtlich nicht mit Handelsketten für Möbel oder Bauelemente.
Gabriele Bruckner: Diese lassen sich von Industriebetrieben beliefern. Wir richten uns an Handwerker und Betriebe in der Region des jeweiligen Endkunden.
Wie kam es zu der Gründung des Labels?
Wir beide sind Unternehmensberater und befassen uns mit Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Bereits vor zehn Jahren haben wir uns ehrenamtlich für eine lokale Initiative für Holz aus der Region engagiert, mussten aber feststellen, dass eine Region allein zum Durchdringen des Marktes zu wenige Marktteilnehmer und zu kleine Sortimente hat. Also nutzten wir unser Know-how und installierten ebenfalls ehrenamtlich ein Nachweissystem, das kleine Betriebe überall ganz leicht anwenden können. Seit 2012 ist Holz von Hier eine eigenständige, gemeinnützige und bundesweit aktive Organisation. Ein nationales Gremium legt die Marschrichtung fest. Die Holz von Hier gemeinnützige GmbH im oberfränkischen Creußen führt den tagtäglichen Betrieb.
Wie lauten denn die Ziele von Holz von Hier?
Phillipp Strohmeier: Es gibt drei Ziele. Zunächst einmal den Klimaschutz durch kurze Stoff- und Warenströme. Das mag zwar banal klingen, aber das erzielbare Ausmaß an CO2-Einsparungen ist nach unserer Bilanz erheblich. Würde man die Wege aller Holzsortimente konsequent regionalisieren, ließe sich zehnmal soviel Energie einsparen wie man mit dem Ausbau aller kleinen Wasserkraftreserven in Deutschland erzielen könnte. Das entspricht der zehnfachen Menge an Energie, die das große 100 000-Dächer-Solarprogramm der Bundesregierung gebracht hat.
Tragen denn nur die kurzen Wege zum Klimaschutz bei?
Nein, auch die Substitution des Holzes aus tropischen und borealen Primärwäldern mit heimischem Holz. Diese Wälder stellen eine riesige CO2-Senke dar. Allein die borealen Wälder binden etwa 70 Prozent der Emissionen von Europa und Russland. Dort findet aber zum einen ein teilweise hemmungsloser Raubbau statt, zum anderen wächst dort das Holz viel langsamer nach. Eine Fichte wächst in Deutschland 80 Jahre bis zum Einschlag, in den borealen Wäldern bräuchte sie gut 200 Jahre.
Sie haben jetzt ein Ziel benannt. Was sind die anderen beiden?
Das zweite Ziel ist die Erhaltung der Artenvielfalt, und zwar weltweit und insbesondere auch in den Tropenwäldern, die etwa 50 Prozent der Arten weltweit beherbergen. Leider sind sie aktuell sehr gefährdet und schrumpfen. Unsere heimischen Wälder bieten phantastische Alternativen, sodass es gar keinen Grund gibt, die Tropenwälder auszuschlachten.
In den heimischen Wälder wachsen leider zunehmend nur noch die vom Massensegment gefragten Hölzer. Hier wollen wir auch seitens der Nachfrage eine größere Vielfalt fördern. Für den Waldbesitzer soll es sich lohnen, beispielsweise auch eine Linde anzubauen. Unser drittes Ziel ist die Förderung der regionalen Wirtschaft. FSC- oder PEFC-Holz kommt von überall und leistet hierzu keinen Beitrag.
Wie funktioniert der Nachweis, dass das Holz von hier kommt?
Das System stellt sicher, dass ein Anbieter nicht mehr zertifiziertes Holz verkauft, als er bezogen hat. Der Betrieb benötigt weder ein neues Managementsystem noch muss er sich auditieren lassen. Dahinter steckt ein internetbasiertes, betriebsübergreifendes und fremdüberwachtes Warenwirtschaftssystem. Dieses lässt sich ähnlich bedienen wie Onlinebanking.
Was bringt dem Tischler eine Mitgliedschaft bei Holz von Hier?
Er darf mit dem Umweltzeichen werben und Produkte damit auszeichnen. Da Holz von Hier von Spenden und Subventionen alleine nicht leben kann, erheben wir einen Mitgliedsbeitrag. Für eine Fünfmannschreinerei liegt dieser beispielsweise bei 300 Euro im Jahr.
Wie nimmt der Markt Ihr Angebot an?
Aktuell haben wir 160 Mitglieder, vor allem Säge-, Furnier- und Plattenwerke, aber auch Tischler und Schreiner. Der Handel sowie die großen Unternehmen halten sich eher zurück, kleinere machen begeistert mit. Holz von Hier entspricht dem Zeitgeist und bietet allen Beteiligten große Chancen.

Im Porträt
Die Initiatoren von Holz von Hier, Gabriele Bruckner und Philipp Strohmeier beraten Unternehmen in Fragen des Umweltschutzes und des nachhaltigen Wirtschaftens. Ehrenamtlich haben sie das überregionale und bundesweit realisierbare Label »Holz von Hier« geschaffen.

Was bedeutet »Holz von Hier«?

 

40114274Holz von Hier ist ein Herkunftsnachweis, der für ein Produkt die Stoffströme entlang der gesamten Verarbeitungskette nachvollziehbar erfasst und dokumentiert. Das funktioniert ganz einfach ohne aufwendige Audits. Holz von Hier hängt von keiner geografischen Region ab. Im Fokus steht lediglich die Transportentfernung des Holzes in der Produktionskette. Holz von Hier ist ein Herkunftsnachweis für das Produkt und nicht den Betrieb. Ein Betrieb der ein bestimmtes Produkt als Label Holz von Hier vermarktet, kann andere Produkte in seinem Sortiment führen, die kein Holz von Hier enthalten. Diese darf er allerdings nicht als Holz von Hier vermarkten. Holz von Hier ist offen für alle interessierten Betriebe: Sägewerke, Platten- und Leimholzhersteller, Holzhändler oder auch Tischler und Schreiner. Sie müssen nur die festgelegten Regeln für die via Internet dokumentierten Stoffströme in der Verarbeitungskette des Holzes erfüllen.

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dds-Redakteur Georg Molinski führte das Interview mit den Holz-von-Hier-Geschäftsführern Gabriele Bruckner und Philipp Strohmeier.
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