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Wo drückt der Schuh?

Was Fensterbauer bewegt
Wo drückt der Schuh?

Immer wenn es Probleme rund um das Thema Bauelemente gibt, werden Experten des IFT-Rosenheim gefragt. Ingo Leuschner, Leiter des IFT-Sachverständigenzentrums, fasst zusammen, in welchen Bereichen es die größten Unsicherheiten gibt.

der Blick auf die Fragestellungen und Aufgaben im IFT-Sachverständigenzentrum und der IFT-Hotline der vergangenen Jahre zeigt einige interessante Entwicklungen. Einerseits haben aktuelle Themen wie die großen Flügelformate und -gewichte, Sicherheitsanforderungen (vor allem Absturzsicherheit), farbige Kunststoffprofile u. Ä. einen merklichen Anteil erreicht. Andererseits halten Klassiker wie die Montage- und Dichtheitsthemen die Bauschaffenden auf Trab. Neben einer festzustellenden »Virtualisierung« der Fragen hin zu rechtlichen und formalen Themen ist auch eine zunehmende Entfremdung von Verbraucher, Planer, Hersteller und dem zunehmend komplexen Bauprodukt selbst zu bemerken.

Die aktuellen Top 10

Aus einer Basis von ca. 2500 telefonischen Auskünften an der IFT-Hotline, 400 schriftlichen Anfragen und über 230 Gutachten-Projekten des Sachverständigenzentrums der letzten 15 Monate lassen sich die wesentlichen Problemfelder ableiten. Alle am IFT-Rosenheim vertretenen Bauprodukte sind dabei; der Schwerpunkt liegt selbstverständlich bei Fenstern, Türen, Verglasungen und Fassaden. Die Themen zur Montage und zu anderen, direkt mit dem Einsatzort verbundenen Aspekte wie Montage einbruchhemmender Bauteile, Montage von Fensterbänken, Tauwasser, Lüftung usw. nehmen insgesamt etwa 50 Prozent ein, was über die vergangenen Jahre ein gleichbleibendes Niveau darstellt. Lediglich das Herausfallen der Tauwassermängel aus den Top 10 im Vergleich zu den Vorjahren ist hier bemerkenswert. Weiterhin hat sich das Thema CE/BauPVo/Dokumentationen – auf niedrigem Niveau – verdoppelt.

Das Fenster, ein Smartphone?

Die sichtbare Qualität von praktisch allen Konsumprodukten ist mittlerweile auf einem sehr hohen Niveau angekommen. Die täglichen Erfahrungen der Konsumenten mit Smartphone, Möbeln und anderen Gütern werden auch auf Bauelemente übertragen. So häufen sich Reklamationen und die damit verbundenen Bewertungen von visuellen »Unregelmäßigkeiten«.

Technische Kennwerte und Klassen sind unhandlich und taugen kaum noch als Verkaufsargument, daher werden die Konstruktionen mehrheitlich über Gestaltungsdetails und Ausstattungsfeatures verkauft. Tatsächlich ist das visuelle Niveau von Fensterprofilen, Beschichtungen, Glas usw. recht hoch geworden. Umso schneller fallen nun Unterschiede in Glanz, Farbe, kleinen Riefen usw. auf. Abweichungen, wie sie in Richtlinien zum Glas oder für Rahmenoberflächen beschrieben werden, sind dem Kunden kaum mehr vermittelbar und nur noch orientierend heranzuziehen. Die Feststellung, ob eine visuelle Veränderung eine hinzunehmende Unregelmäßigkeit, eine Bagatelle, einen Mangel oder einen schwerwiegenden Schaden darstellt, ist von einer Reihe von Faktoren abhängig:

a) Betrachtungsabstand

b) Art der Beleuchtung, z.B. diffuses Licht

c) Umfang der visuellen Veränderung: Flächenanteile, Anzahl der betroffenen Bereiche

d) Erscheinungsbild der visuellen Veränderung: gleichmäßig, fleckig …

e) Intensität der visuellen Veränderung

f) Geltungswert und Nutzungsart des Gebäudes

g) Zugänglichkeit und Einsehbarkeit des betroffenen Bereichs.

Daraus folgt, dass jede Beanstandung individuell bewertet werden muss, weil sie von den örtlichen Randbedingungen abhängig ist. Für die Bewertung der Faktoren, die in direkter Verbindung mit dem Mangel stehen (a bis c) kann ein bekanntes Schema nach Prof. Dr. Rainer Oswald zugrunde gelegt werden, vgl. unten stehende Tabelle. Bei der Verwendung dieser Matrix ist zu beachten, dass sie nur helfen soll festzulegen, wann überhaupt ein Mangel vorliegt und eine Minderung diskutiert werden soll (Bereich »hinnehmbar«). Ist eine Beseitigung des Mangels ohne großen Aufwand möglich, z.B. durch den Austausch eines außen aufgeschraubten Profils ohne große Eingriffe in den Baukörper, so müssen auch kleinere, als hinnehmbar eingestufte Mängel beseitigt werden.

Bauprodukte kombinieren immer mehr Eigenschaften wie Wärmeschutz, Schalldämmung und Einbruchsicherheit auf höchstem Niveau. Leider bleiben dabei gelegentlich Grundanforderungen wie leichte Bedienbarkeit oder die Schlagregendichtheit auf der Strecke. Während Eigenschaften wie die Einbruchhemmung im Normalfall nie in einem Fensterleben zum Tragen kommt, sind die täglich erlebbaren Funktionsbeeinträchtigungen aber maßgeblich für den Nutzer. Die Verformung von Profilen aufgrund von großen Temperaturgradienten über den wärmetechnisch optimierten Querschnitt und auch der Einsatz von dunklen Oberflächen auf der Außenseite sind hier ebenfalls zu nennen. Speziell mit großen Rahmenabmessungen führen die Verformungen im Sommer und/oder Winter zu Unmut bei Nutzer und Kundendienst.

Das Versprechen, dass jede Größe mit allen Ausstattungsmerkmalen und Farben ohne Probleme lieferbar ist, fällt beim Verkaufsgespräch meist sehr schnell. Dies in der Praxis einzuhalten, erweist sich dann oft als sehr ambitioniert. Die Systemgrenzen sollten vor dem Hintergrund von kaum zu kalkulierenden Einflüssen in der Baupraxis respektiert – oder noch besser deutlich unterschritten – werden.

»Produktnorm? Nie gehört!«

Das richtige Fenster am richtigen Ort ist nach wie vor eine große Herausforderung. Die verschiedenen Klassen und Kennwerte gemäß den Produktnormen sind allerdings in kaum einer vom IFT-Sachverständigenzentrum analysierten Ausschreibung enthalten. Einerseits ist dies auf die Unkenntnis vieler Planer zurückzuführen, was u. a. auch aus Normbezügen abzulesen ist, die teilweise noch aus dem letzten Jahrtausend stammen. Andererseits sind viele Klassen und Werte kaum griffig in die Praxis zu übertragen. Online-Anwendungen wie die IFT-Einsatzempfehlungen (www.ift-rosenheim.de/ift-einsatzempfehlungen) erleichtern die Auswahl der gängigen Klassen, sind aber kaum verbreitet.

Wenn das CE-Zeichen fehlt …

Auch die Nachfrage nach CE-Kennzeichen, Leistungserklärung, Wartungshinweisen & Co. ist beim Bauherrn noch gering ausgeprägt. Allerdings scheint dieses Thema gerade bei rechtlichen Konflikten entdeckt zu werden: In immer mehr gerichtlichen Auseinandersetzungen geht es um das CE-Kennzeichen bzw. dessen Fehlen.

Auch die Übertragung von Prüfnachweisen auf alle möglichen und unmöglichen Konstruktionen, d. h. ohne die Beachtung der tatsächlichen Übertragbarkeit, beschäftigt den Sachverständigen zusehends. Dabei können die betreffenden Fenster an sich tadellos und funktionsfähig sein. Auf verstärkte Streitigkeiten über derartige »virtuelle Mängel beim blöden Papierkram, den es früher auch nicht gebraucht hat« (O-Ton eines IFT-Hotline-Anrufers) wird man sich einstellen müssen. Dies bedeutet, dass jeder Hersteller Wert darauf legen sollte, den »Papierkram« auf dem aktuellen und richtigen Stand zu halten.

Zusammenfassung

Die technische und visuelle Qualität der Bauprodukte ist so hoch wie nie. Damit werden Ausreißer nach unten überdeutlich sichtbar. Auch die Erwartungshaltung der Kunden ist so hoch wie nie. So werden diese »Spezialfälle« nach unten auch immer weniger toleriert. Auch die Qualität der vorgeschriebenen Dokumentationen wie die CE-Kennzeichnung, Leistungserklärungen, Wartungshinweise usw. steht vor Gericht immer mehr auf dem Prüfstand.

Die Nachfrage nach Qualitätsprodukten ist hoch, dennoch greifen viele Kunden auf Billigprodukte aus obskuren Kanälen wie z.B. auf dubiose Online-Händler zurück. Interessanterweise werden aber auch dort die gleichen Ansprüche an Design, Funktion und Dauerhaftigkeit gestellt wie an hochpreisige Bauelemente. Für Firmen, die auf Qualität, Beratung und professionellen Service setzen, bestehen somit gute Aussichten sich positiv abzuheben. Der Spagat zwischen hoher Qualität in allen Belangen und sehr günstigen Preisen gelingt dagegen kaum auf Dauer.


Dipl.-Ing. (FH) Ingo Leuschner leitet seit 2014 das Sachverständigenzentrum des IFT in Rosenheim. Seit diesem Jahr ist er zudem Geschäftsbereichsleiter Technik und Mitglied der Geschaftsleitung des IFT

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