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Ran an 50plus

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Ran an 50plus

Rundumservice, Qualität und persönliche Beratung schaffen den Zugang zu einer finanzstarken Klientel. Jan Herrmann hat sich mit den Chancen für das Tischlerhandwerk auseinandergesetzt.

Diese Kundengeneration sollte sich jeder Tischlerbetrieb genau anschauen: Die GfK schätzt die Kaufkraft der 50–59-Jährigen mit 24008 Euro im Jahr als überdurchschnittlich ein, mit zunehmendem Alter geben die Menschen außerdem mehr Geld für Wohnen aus. Bei den 70-Jährigen sind es 40 Prozent ihres Einkommens, bei jüngeren Erwachsenen nur 30 Prozent. Für einen Tischlerbetrieb bieten sich deshalb in diesem Kundensegment gute Marktchancen. Die zukünftige ältere Kundschaft wird groß an der Zahl sein, außerdem wird sie mehr Geld ausgeben können als die Generation vor ihr. Will sich Ihr Betrieb von Konkurrenten durch das Kundensegment 50plus abheben, müssen Sie die Bedürfnisse dieser sehr heterogenen Käufergruppe aber sehr gut kennen, um sie gezielt ansprechen zu können.

Wer ist eigentlich 50plus?
Um Werte, Einstellungen und Verhalten dieser Klientel kennenzulernen, reicht eine Altersangabe allein nicht aus, da das tatsächliche Alter vom subjektiven immer abweicht. TNS Infratest identifizierte drei Subgruppen der Z50+, die sich in ihren Lebensstilen und Werten sehr unterscheiden:
»Passive Ältere« (37 Prozent) sind die älteste Gruppe und die »klassischen« Rentner. Sie leben zurückgezogen, sind unterdurchschnittlich aktiv, haben wenig Sozialkontakte und sind durchschnittliche Mediennutzer. Kaufkraft und Bildungsniveau liegen unter dem Schnitt. Ihre Werte sind traditionsverbunden, sie sind materiell und familiär eingestellt, aber wenig erlebnisorientiert. Sie haben kaum Interesse an neuen Produkten.
»Kulturelle Aktive« machen 33 Prozent der Z50+ aus, der Frauenanteil ist hoch. Sie sind überdurchschnittlich kulturell und sportlich aktiv, pflegen die Sozialkontakte zur Familie und zum Bekanntenkreis. Ihre Werte sind stark kulturell, sozial und religiös geprägt und weniger individualistisch. Sie haben ein überdurchschnittliches Interesse an Design.
»Erlebnisorientierte Aktive« haben einen Anteil von rund 30 Prozent an der Z50+. In dieser Gruppe ist der Anteil der 50–60-Jährigen und der Männer überdurchschnittlich hoch. Diese Menschen sind der aktivste, gesündeste und einkommensstärkste Typus, ihr Lebensstil und ihre Werte sind denen der Unter-50-Jährigen sehr ähnlich. Die Gruppe ist technikaffin, extrovertiert, freizeit- und erlebnisorientiert.
Hoher Qualitätsanspruch
Die Z50+ hat viele Jahre Konsumerfahrung und deshalb hohe Qualitätsansprüche. Vor der Anschaffung von langlebigen Gebrauchsgütern wird gründlich und sorgfältig sondiert, inwieweit das Kaufobjekt den Qualitätskriterien Solidität, Haltbarkeit und Funktionalität entspricht. Die Z50+ lässt sich bei der Kaufentscheidung sehr von Marken beeinflussen, aber auch davon, ob die Produkte aus ökologisch bzw. sozial verantwortlichen Betrieben stammen. Die Glaubwürdigkeit des Anbieters spielt eine wesentliche Rolle. Höherpreisige Produkte mit fachkundiger Beratung werden bevorzugt: Gütesiegel, Zertifikate und Markennamen erzeugen Vertrauen. Spontankäufe über Kredit sind selten. Es werden Produkte gekauft, die die Kompetenz des Anbieters ausstrahlen und so Sicherheit und Orientierung geben.
Die Z50+ bevorzugt eine Beratung mit Mustermappen oder Planungsprogrammen bei sich zu Hause. Zusatzleistungen in Form von Hilfestellungen werden mit zunehmendem Alter verstärkt angenommen. Komplettlösungen aus einer Hand sind erwünscht. Die Zahlungsmoral der Z50+ ist in der Regel gut. Die Z50+ besucht Fachgeschäfte, da sie dort fachliche Fähigkeiten sowie eine persönliche, zuvorkommende Beratung durch das Verkaufspersonal erwartet. Älterem Verkaufspersonal wird in Designfragen eine höhere Kompetenz zugetraut, bei technischen Problemen wird jüngeres Personal bevorzugt.
Damit eng verbunden steht das Bedürfnis der Z50+ nach Entlastung und Bequemlichkeit, der Kaufaufwand soll minimiert werden. Ein Betrieb sollte hier ganzheitliche Lösungskonzepte erarbeiten, die den Kunden zeitlich, physisch, kognitiv und emotional entlasten.
Rundumservice gefragt
Kunden aus der Z50+ kommunizieren gern, besonders dann, wenn sie bereits pflegebedürftig und wenig mobil sind. Eine Beratung kann eine willkommene Abwechslung zum Alltag sein. Die Zielgruppe hat ein hohes Bedürfnis nach Sicherheit. Sie hat Angst vor Kriminalität und ist in Sorge um das gesundheitliche Wohlbefinden. Hier sind vielseitige Gestaltungswünsche erkennbar, zum Beispiel Abschaltautomatiken für Herdplatten oder Türsicherungen.
Natürlich gibt es auch hier Kunden, die vor allem günstig einkaufen wollen. Doch die Mehrheit der Zielgruppe sucht einen Anbieter, der innovative und individuelle Lösungen mit einem persönlichen Betreuungsverhältnis kombiniert. Der Kunde legt Wert auf Einhaltung von Terminen und Preisvereinbarungen sowie Maßanfertigung und die Erfüllung aller Extrawünsche – und das am besten von einem alleinigen Systemanbieter.
Sind Sie fit für 50plus?
Im Tischlerhandwerk besteht das Kerngeschäft in der Herstellung von materiellen Produkten. Doch die Z50+ beurteilt die Qualität eines Produkts als Gesamtbündel an produkt-, service- und personenorientierten Teilleistungen. Erfolgreiche Betriebe passen ihre Produkte an die Anforderungen der 50plus-Kunden an, ohne dass sie als »Seniorenprodukte« wahrgenommen werden. Die Kernleistung kann um Services ergänzt werden, die über den klassischen Service, den der Kunde voraussetzt, hinausgehen. Darunter fallen Vermittlungs- und Informationsdienste sowie haushaltsnahe Dienstleistungen. In allen vier Phasen des Kundenkontakts (Informations-, Angebots-, Ausführungs- und Nutzungsphase) mit der Z50+ können dem Kunden zusätzliche Serviceleistungen angeboten werden, die ihn an den Betrieb binden. Printmedien eignen sich gut als Informations- und Werbequelle, da die Z50 + sich gerne gründlich und in Ruhe mit einem Thema befasst. Es könnten auch kleine Events wie eine Kochveranstaltung in Ausstellungsküchen organisiert werden. Hier wird der Kunde in ungezwungener Atmosphäre beraten.
Das Team muss mitziehen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten respektvoll, glaubwürdig, wertschätzend, freundlich und höflich sein und sich für den Kunden verständlich ausdrücken. Als ein Instrument könnte man im Betrieb einen Verhaltenskodex einführen, der ein einheitliches Auftreten vor dem Kunden unterstützt.
Die sozialen Fähigkeiten der Mitarbeiter sind von größter Bedeutung. Emotionale Kommunikationsinhalte wie das Gespräch über die Familie des Kunden sind genauso wichtig wie Pflege- und Wartungshinweise. In der späteren Nutzungsphase sollte der Kunde systematisch weiter betreut werden. So kann der Betrieb z. B. über Wartungsintervalle informieren und Vorschläge unter Einbeziehung von Kooperationspartnern erarbeiten. Zu besonderen Anlässen könnte der Kunde in die Ausstellungsräume auf ein Glas Sekt oder zu einem Wellness-Tag eingeladen werden. In der Nachkaufphase sollten Sie die Zufriedenheit des Kunden überprüfen, das kann man in einem persönlichen Gespräch oder am Telefon erledigen. Der Kunde fühlt sich ernst und wichtig genommen. Probleme mit Produkten oder Serviceleistungen werden auf diesem Wege auch schnell erkannt und künftig vermieden.
Um eine hohe Dienstleistungsqualität zu gewährleisten, müssen die Abläufe bei der Kundengewinnung, -bindung und -betreuung etc. klar definiert und beschrieben werden. So hat z.B. das österreichische Unternehmen Tischler-Center (www.tischler-center.at) Beratungsprozesse wie »Persönliches Gespräch führen«, »Aktive Beratung« oder »Beratung im eigenen Schauraum« definiert.
Kundendatenbank als Basis
Die Grundlage jeder Kundenbindung ist eine gut gepflegte Kundendatenbank. Neben den üblichen Daten sollten hier persönliche Informationen zu Hobbys, Kindern, Alter und Stil der Wohnungseinrichtung, Reiseziele, bevorzugte Mitarbeiter oder bisherige Beschwerden oder Anregungen vermerkt sein.
Auf diese Weise war es z. B. der Schreinerei Wolf aus Rödermark (www.holz-im-raum.de) möglich, durch Direktmarketing das Fehlen eines eigenen Ausstellungsraumes zu kompensieren. Die Tischlerei führt zielgruppenspezifische Akquisition durch Mailings und gezielte Anschreiben durch. Durch eine Kundendatenbank können auch wichtige Kundengruppen wie Pflegeeinrichtungen und Referenzkunden (wie z. B. der Bürgermeister der Stadt) verstärkt betreut werden.
Eine Datenbank ist über eine Open-Source-Software-Lösung wie SugarCRM möglich, die kostengünstig zugänglich ist. Auf Serverseite können preiswerte ASP-Lösungen genutzt werden, bei dem ein Rechenzentrum für mehrere Unternehmen Kapazitäten zur Verfügung stellt. Ein Vorteil der DV-gestützten Kundendatenbanken liegt darin, dass diese mit einem Content-Management-Systeme (CMS) kombiniert werden. So kann der Benutzer seine Daten auf der Website verändern, z. B. ob Informationen zu neuen Designmöbeln erwünscht sind. Gleichzeitig spart der Betrieb Zeit für die Datenpflege.
Kooperationen eingehen
Um älteren Kunden Komplettleistungen aus einer Hand anbieten zu können, ist die Vernetzung mit Partnern wichtig. Der Kundennutzen besteht in einem hohen Maß in Convenience, da nur ein Ansprechpartner bei der Leistungserstellung, Gewährleistung und Rechnung auftritt. Für den Betrieb erweisen sich kooperative Komplettlösungen als geeignet, um eine Subunternehmerrolle ohne Preisgestaltung zu vermeiden. Kooperationen sind bei begrenzten personellen Kapazitäten notwendig. Ein einzelner Betrieb ist nicht in der Lage, ein Servicenetz für eine 24-Stunden-Hotline zu führen. Mit einer Zusammenarbeit erhält der Kunde verlässliche Leistungen zu einem fairen Preis und der einzelne Betrieb eine leistungsgerechte Kostenbeteiligung. Zudem können die Betriebe untereinander von ihrem Image profitieren.
Auch bei Projekten wie einer Altbausanierung oder Renovierung sind komplementäre Kooperationen mit anderen Gewerken notwendig. Über die Zusammenarbeit hinaus könnte zur Erschließung der Z50+ eine zentrale Vermarktungsstelle durch Gründung einer eigenen Gesellschaft erwogen werden, wie es z. B. die 50plus Handwerker Komplettleistung GbR (www.50plus-handwerker.de) aus dem Elbe-Weser-Dreieck in die Praxis umsetzte. Die Vorzüge liegen in einem professionellen, einheitlichen Markenauftritt. Darüber hinaus ermöglichen solche Gesellschaften eine gemeinsame Marktforschung und Produktentwicklung, eine bessere Auslastung der Maschinen, Messeauftritte, gemeinsame Veranstaltungen, leistungsgerechte Kostenteilung, einen systematischen Innen- und Außendienst, die Schulung der Mitarbeiter und die Erweiterung des regionalen Tätigkeitsbereiches sowie gemeinsame After-Sales-Aktivitäten. Als weitere Kooperationspartner kommen Bildungseinrichtungen, Pflegedienste, Architekten, Wohnberatungseinrichtungen oder Freiwilligeninitiativen wie »Senioren helfen Senioren« in Betracht.
Auch vertikale Kooperationen können sinnvoll sein. Franchisegeber bieten vermarktungsfähige Fertigprodukte mit lukrativen Dienstleistungselementen und Marketingsystemen. So stellt z. B. die TopaTeam AG aus Wolnzach ihren Partnern im Handwerk ein professionelles Gesamtkonzept zur Verfügung, mit dem das Marktsegment 50plus effektiv bearbeitet werden kann.
Als weitere mögliche Kooperationspartner kommen Handwerkskammern und Fachverbände sowie Zulieferbetriebe in Frage. Der Fachverband Tischler NRW vereint Partner in dem Netzwerk »Komfort erleben« (www.komfort-erleben.de), das eine eigene Marke für die Z50+ kreierte. Jan Herrmann

Autor und Beitrag
Der vorliegende Beitrag resultiert aus der Diplomarbeit »Marktorientiertes Innovationsmanagement im Tischlerhandwerk
zur Bewältigung des demographischen Wandels« am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Philipps-Universität in Marburg.
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