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»Man muss den Laden zur Hauptsache machen«

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»Man muss den Laden zur Hauptsache machen«

Meister Jaekel repariert Schuhe und fertigt Maßschuhe, für anspruchsvolle Kunden auf der Straße und auf der Bühne. Mit einem Handwerksbetrieb in der Größenordnung einer Schreinerei möchte er nicht tauschen …

Neue Schuhe zu fertigen bezeichnet Ralf Jaekel als sein Hobby. Für den Grundumsatz sorgen die Reparaturen. Das war besonders zu Beginn seiner Selbstständigkeit so. Inzwischen nimmt die Maßfertigung immer mehr Raum ein. Werbung machen die Kunden. »Von 100 Leuten haben vielleicht vier gute Schuhe und die vier kennen sich untereinander.«

Momentan werden im Wechsel eine Woche Maßschuhe und eine Woche Reparaturen gemacht. Reparieren kann auch heißen, nagelneuen 500 Euro teuren Schläppchen von Chanel anständige Sohlen zu verpassen. Oder billigen Pumps, die nur einen Tag getragen wurden, einen funktionsfähigen Absatz. Wer Maßschuhe will, kann sich zwischen reiner Handarbeit und teilkonfektionierter Ware entscheiden. Teilkonfektionierte Schuhe werden in England vorgestanzt und erfordern dann noch etwa 20 Stunden Handarbeit. Ein völlig von Hand gearbeiteter Schuh entsteht aus bis zu 80 Einzelteilen in mindestens der doppelten Zeit und kostet auch das doppelte: etwa 1200 Euro. Qualitativ gibt es keinen Unterschied.
Schuhmacherei ist übrigens eine sehr intime Angelegenheit und verlangt viel Menschenkenntnis. Jaekel macht zum Beispiel lieber Herrenschuhe als Damenschuhe und das hat seinen Grund: »Herren sehen sich die verschiedenen Modelle an und sagen klasse, der da gefällt mir. Bei Damenschuhen geht das anders. Da hat dann jemand Größe 42, die Schuhe sollen aber aussehen wie 36.«
Auch von der Kundschaft auf der Bühne könnte Meister Jaekel noch viele Geschichten erzählen. »Tänzer sind oft faule Strick’, die pfeffern die Schuhe in die Ecke und wollen sie am nächsten Tag wieder anziehen. Sie stehen damit vier, fünf Stunden auf der Bühne und schwitzen wie die Ochsen. Da löst sich so ein Schuh auf!« Ralf Jaekel ist Schuhmacher, wie sein Großvater. Schon früh schaut er sich jede Schuhmacherei an, die ihm in die Quere kommt. Nach der Lehre in Stuttgart und Gesellenjahren in verschiedenen Betrieben geht er zur Meisterschule nach München. Bevor er 1988 als »Meister Jaekel« für 120000 DM den seit 1932 bestehenden Laden in der Stuttgarter Neckarstraße übernimmt, arbeitet er dort noch ein gutes Jahr als Geselle mit Meisterbrief.
Die Regale in der Werkstatt sind immer bis zur Decke mit Arbeit für mehr als sieben Tage die Woche gefüllt. Damit der Laden rund läuft, muss Jaekel mit seinen drei Mitarbeitern auch fast rund um die Uhr arbeiten. Mit einem Handwerksbetrieb in der Größenordnung einer Schreinerei möchte er nicht tauschen. »Ich habe monatlich laufende Kosten von etwa 14000 Euro, Löhne, Miete, Material und Werkstatt. Bei einer Schreinerei ist das schnell ein Vielfaches. Ich könnte theoretisch auch allein arbeiten. Ich würde einen Vogel kriegen, wenn ich Gesellen auf einer Baustelle laufen hätte und nicht selbst dabei bin, also gar nicht sehe, was da passiert. In meinem Laden greife ich abends ins Regal und arbeite hier und da noch einmal nach. Früher habe ich 100 Stunden in der Woche gearbeitet, irgendwann kriechst du aus der Werkstatt und fragst dich, was riecht da draußen so komisch. Das ist Sauerstoff. Heute arbeite ich weniger, also 80 bis 90 Stunden in der Woche. Preislich stehe ich im mittleren Segment – mit quali- tativ hochwertiger Arbeit und besten Materialien. Ich selbst schlage keine großen Nägel ein. Die Werkstatt ist wichtig. Man muss den Laden zu seiner Hauptsache machen, das musst du ausstrahlen. Du musst zu 105 Prozent hinter deiner Arbeit stehen können. Natürlich gibt es trotzdem unzufriedene Kunden, ich bin auch nicht der heilige Geist. Dann sollen sie woanders hingehen. Viele kommen zurück.« AG/JN
»Wenn man es richtig macht, kann man davon leben.«
»Ich selbst schlage keine großen Nägel ein.«
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