Eindrücke auf der imm cologne
Bevor das große C kam, habe ich 20 Jahre ohne Unterbrechung die imm cologne besucht. Nach drei Jahren Pause hatte ich nun erwartet, dass Hersteller und Designer die erzwungene Einkehr dazu genutzt haben, ein großes Spektrum an Neuigkeiten vorstellen zu können, doch haben sie offenbar die meiste Zeit abwartend in ihren Büros und Fabriken verbracht: Wo ist die Reaktion der Kreativen auf Veränderungen, die diese Pause mit sich gebracht hat? Viele Bereiche der Kultur sind längst wieder belebt. Bühnenkünstler, die lange nicht auftreten durften, machen es vor – wo fehlte es bei den Designern und der Möbelindustrie? In der Coronazeit gab es Konsumzuwächse, Geld war da, Menschen wurden zwangsweise häuslicher. Was ist mit Virtual Reality und Smart Home, Trends vor Corona? Home Office, veränderte Kommunikation, begrenzter Wohnraum, Energiewende, alternative Materialien – das alles sind keine wichtigen Themen bei den meisten Herstellern auf der imm 2024. Nur die hier zunehmend vertretenen Terrassen-Möblierer haben begriffen, dass die Temperaturen steigen!
Exnovation ist das Gegenteil von Innovation. Wenn Fortschritt nicht von den Kreativen und Herstellern kommt, liegt das nicht an der Messe imm cologne – die Ideen zur Vernetzung der »Einrichtungs-Community« und der Plattform-Gedanke weisen jedenfalls in die richtige Richtung. Die »Connecting Communities« und die in den Hallen verteilten Infopoints »The Circles« sind gute Impulse. Auch mit der 20. Auslobung des Pure- Talents-Design-Wettbewerbs zeigt die Messe Gespür für wichtige Tendenzen. Unverständlich ist mir, dass in Zeiten des Nachwuchsmangels darüber hinaus das Forum für den Nachwuchs fehlte. Sehen Verband der Deutschen Möbelindustrie und der Handelsverband Möbel und Küchen in Köln nur die Orderplattform? Genügend Platz für junge Talente hätte es gegeben!
Globalisierung als Bumerang
Das Pendel der Globalisierung schlägt heute zurück: Wir werden globalisiert und es fühlt sich nicht gut an. Es ist immer problematisch, wenn staatlich gelenkte und subventionierte Industrien auf freie, kleinteilig strukturierte Märkte treffen. Gerade einmal 35 Prozent der Aussteller der imm cologne kamen in diesem Jahr aus Europa und 44 Prozent aus China oder Honkong. Wer da noch an kurzfristige nationale Alternativen zu einer einigen, innovationsstarken, pluralistischen EU glaubt, schaut nur auf sein Populismusbarometer. Es geht mir dabei nicht um Protektionismus, sondern um Handel auf Augenhöhe.
Bleibt abzuwarten, ob ich mich im kommenden Jahr beim Besuch der Kölner Möbelmesse wieder auf das konzentrieren kann, worüber ich eigentlich dieses Mal schon berichten wollte: Frische Ideen und gutes Design! Für den Messestandort am Rhein ist es fatal, wenn Hersteller bestenfalls ihre Kollektionen pflegen oder Köln gleich den Rücken kehren, weil in Mailand vermeintlich alles viel schicker ist.
Dirk Schellberg, Dipl.-Designer und Tischlermeister, ist selbstständiger Produktdesigner und Dozent an der Fachakademie für Raum und Objektdesign Garmisch-Partenkirchen.