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Auf Augenhöhe

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Auf Augenhöhe

Nur weil die Plattenverarbeitung ein anlagenintensives Geschäft ist, haben die Industriebetriebe hier noch lange nicht die Nase vorn. Im Arbeitsergebnis agieren Industrie- und Handwerkermaschinen inzwischen durchaus auf Augenhöhe. Maschinenhändler Dr. Ulrich Keller und sein Nachfolger als nun alleiniger Geschäftsführer von Dr. Keller Holztechnik, Oliver Gillhaus, im Gespräch mit dds.

Wie steht es um die wirtschaftliche Lage der Tischler und Schreiner?

Dr. Ulrich Keller: Bei den fertigungstechnisch spezialisierten Betrieben läuft das Geschäft zurzeit gut bis sehr gut. Dem Allrounder, der meint, alles zu können und das auch tut, geht es nach unserer Beobachtung trotz voller Auslastung renditemäßig nicht ganz so gut, wie man es vermuten könnte.
Welche Ligna-Neuheiten bringen dem Plattenverarbeiter kurzfristig Nutzen, welche längerfristig?
Oliver Gillhaus: Kurzfristig stellt sich der Nutzen mit solchen Innovationen ein, die weniger Handarbeit und eine höhere Produktqualität mit sich bringen, etwa bei Kantenanleimmaschinen. Auch die Optimierung des Fertigungsflusses bei weniger Personaleinsatz, beispielsweise durch die Anbindung eines automatischen Plattenlagers an die Säge, gehört hierzu. Nützlich sind auch Techniken, die den Fertigungsablauf verkürzen. Dazu gehören beispielsweise die Fünfachstechnik, die Aggregatevielfalt oder CAD/CAM-Systeme. Längerfristig wird der Tischler und Schreiner von der zurzeit noch zu teuren Laserbekantungstechnik sowie den neuen Lager- und Transportsystemen profitieren. Ein großes Thema, das jedoch noch am Anfang der Möglichkeiten steht, ist die Energieeinsparung.
Die Plattenverarbeitung ist ein recht anlagenintensives Geschäft. Kann ein Dreimannbetrieb hier ohne Weiteres mithalten?
Keller: Das kommt darauf an, was das Unternehmen macht. Wichtig ist, dass das Geschäftsmodell auch eines Dreimannbetriebes stimmt. In den letzten Jahren hat sich hier die Technik enorm in Richtung preiswerter und dennoch sehr leistungsfähiger Handwerklösungen entwickelt. Für jede Betriebsgröße ist da etwas Passendes dabei. In Bezug auf das Arbeitsergebnis arbeiten die Handwerkermaschinen inzwischen auf Augenhöhe mit den Industriemaschinen. Die Unterschiede liegen im Automatisierungsgrad, den Durchlaufzeiten, den bearbeitbaren Werkstückabmessungen oder der Belastbarkeit über mehrere Schichten hinweg. Einen gewissen Plattendurchsatz vorausgesetzt, findet selbst der Dreimannbetrieb exakt auf seine Erfordernisse zugeschnittene und bezahlbare Maschinen.
Würden Sie einem Dreimannbetrieb empfehlen, Plattenzuschnitte samt Bekantung und CNC-Bearbeitung oder sogar komplette Korpusse zuzukaufen?
Gillhaus: Liegt die Kernkompetenz des Betriebs bei Massivholz oder Bauelementen und fallen mengenmäßig nur begrenzt Möbel aus Plattenwerkstoffen an, würde ich ihm das empfehlen. Ein Kleinbetrieb, der für den Plattenzuschnitt und das Kantenanleimen ausgestattet ist, wird die CNC-Bearbeitung vernünftigerweise zukaufen, obwohl es bereits sehr preiswerte Einsteigermaschinen gibt. Ein Geschäftsmodell wäre auch, sich mehr vertrieblich als Generalunternehmer zu betätigen. Die Software für die Erstellung der Angebote liefert dem Produktionspartner die Konstruktionsdaten. Das erleichtert die Arbeitsteilung. Wir kennen übrigens auch Dreimannbetriebe, die sehr gut ausgestattet sind, und beides, den Vertrieb und die Fertigung, hervorragend stemmen. Darüber hinaus betätigen sie sich zur Auslastung der Maschinen außerdem auch noch als Zulieferer.
Viele Betriebe können ihre Plattenlager kaum noch handhaben. Worauf sollten sie besonders achten, wenn sie in eine Säge-Lager-Kombination investieren?
Gillhaus: Steht das Lager, läuft nichts mehr. Der Betreiber wird auf das Lager unbedingt angewiesen sein. Daher sollten Soft- und Hardware aus einer Hand kommen. Der Anwender sollte genau prüfen, ob der Ausrüster langfristig Service, Reparatur und Weiterentwicklung gewährleisten kann.
Spielen unkonventionelle technische Lösungen in Ihrem Geschäft eine große Rolle?
Keller: Die Vorreiterrolle übernimmt in der Regel die Industrie. Trotzdem schauen wir für unsere Handwerkskunden voraus und lassen sie so früh wie möglich daran teilhaben. Vor 30 Jahren habe ich eine Kantenanleimmaschine verkauft, die Ecken kopieren konnte. Dazu brauchte man damals vier Aggregate zu jeweils 36 000 DM und zusätzliche zwei Meter Maschinenlänge. Hinzu kam noch ein enormer Aufwand, die Aggregate aufeinander abzustimmen. Die kleinsten aktuellen Kantenanleimmaschinen erzielen heute mit relativ einfachen technischen Lösungen viel bessere Ergebnisse.
Um welche Lösungen geht es denn heute?
Gillhaus: Aktuell sind wir davon überzeugt, dass sich die Nullfugentechnik durchsetzen wird, in welcher Form auch immer. Der mit der Laserkante neu definierte Qualitätsmaßstab gilt für das Handwerk gleichermaßen wie für die Industrie. Im Rennen um die passende Nullfugentechnik, Laser-, Plasma oder Heißluft, glauben wir wie unser Partner, die Homag-Gruppe, jedoch an den Laser. Zurzeit kostet er noch etwa 180 000 Euro, die ganze Maschine vielleicht 400 000 Euro. Wenn er sich dann durchgesetzt hat, wird er in wenigen Jahren sicherlich für einen deutlich niedrigeren Preis zu haben sein.
Wie schätzen Sie die Zukunft der Leichtbauplatte ein?
Gillhaus: Das Thema lief boomartig an. Jetzt ist es stiller geworden. Der Aufwand für die Kanten- und Befestigungstechnik ist wohl zu hoch. Großes Interesse zeigt Ikea, das Handwerk nicht.
Rechnen Sie mit Änderungen bei den Plattenwerkstoffen?
Keller: Die Vielzahl wird wie bei der Mode noch weiter zunehmen. Die kreativen Kräfte werden sich weiterhin entfalten und sowohl gestalterisch als auch technisch Neues bringen. Vielleicht erwarten uns Platten, die sich anfühlen wie Samt. Wir sind stets auf die damit verbundenen maschinentechnischen Konsequenzen gefasst.
Welche Maschinen laufen zurzeit gut, welche weniger?
Gillhaus: Alles, was mit der Platte zu tun hat, läuft gut, Plattensägen – auch mit Lager, Bearbeitungszentren, Fünfachsmaschinen und Kantenanleimmaschinen mit besserer Ausstattung. Stark zurückgegangen ist die Standardmaschine.
Mit dem Maschinenhandel geht vieles einher: Wirtschaftlichkeitsstudien, Engineering, Finanzierung, Schulung … Welche Rolle spielen Sie am liebsten?
Keller: Am allerliebsten ist uns der Fullservice mit exakt auf den Kunden zugeschnittenen Gesamtkonzepten. Das entspricht unserer ganzheitlichen Philosophie. Mit der Homag-Gruppe haben wir hier den richtigen Partner. Am Ende einer jeden Investition steht der Erfolg auf dem Prüfstand. Das ist für uns immer wieder die Chance, die Kunden auch für das nächste Projekt an uns zu binden.
Das Interview führte dds-Redakteur Georg Molinski
»Wettbewerbsfähig im Dreimannbetrieb Platten verarbeiten – an unbezahlbarer Technik muss das nicht scheitern!«
Dr. Ulrich Keller
»Die Nullfugentechnik wird sich durchsetzen, in welcher Form auch immer. Wir glauben, dass dabei der Laser das Rennen macht.«
Oliver Gillhaus

Service
Seit 60 Jahren versorgt Dr. Keller Holztechnik Handwerks- und Industriebetriebe in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen mit Holzbearbeitungsmaschinen. An den Standorten Freiburg, Mannheim und Ostfildern bei Stuttgart beschäftigt das Unternehmen 70 Mitarbeiter. Seit dem altersbedingten Ausscheiden von Dr. Ulrich Keller aus der Geschäftsleitung vor einem halben Jahr ist Oliver Gillhaus nun alleiniger Geschäftsführer.
Dr. Keller Maschinen GmbH 79110 Freiburg (Lehen), Tel.: (0761) 88500-0, Fax: -99, www.dr-keller.de
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