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So geht’s auch

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So geht’s auch

In der dds-Serie »So geht’s auch« beschreibt Willi Brokbals konventionelle Fertigungsmethoden, die nicht in Vergessenheit geraten sollten. Teil 1: Gehrungen an Schmalflächen mit der Formatkreissäge.

Scheinbar unaufhaltsam schiebt sich eine Wunderlösung für vermeintlich alle Fertigungsanforderungen in das Leben des Schreiners: das Bearbeitungszentrum (BAZ). Sägen, fräsen, bohren, schleifen in allen erdenklichen Winkeln sind möglich, Kanten anleimen fast schon Pflichtprogramm. Über Sinn und Unsinn eines BAZ wird viel geschrieben und diskutiert und es hat unbestritten seinen sehr berechtigten Platz in der Fertigung. Diese kleine Serie über Vorrichtungen und Fertigungsmethoden, die nicht in Vergessenheit geraten sollten, will sich nicht an dieser Diskussion beteiligen, sondern bewährte Lösungen wieder ins Gedächtnis rufen. Es geht nicht um die Antwort auf die Frage nach dem ökonomisch sinnvollsten Verfahren, sondern um die Vielfalt der Lösungsmöglichkeiten.

Gehrungsschnitte bis 45°
Auf Gehrung gefertigte Möbel und Einbauten erweisen sich oft als nicht banale Aufgabe. Die Schnittflächen müssen parallel zueinander und im zuvor festgelegten Winkel zur Plattenfläche verlaufen. Der Aufwand, um gute Ergebnisse zu erzielen, hängt stark von der Maschinenausstattung ab: Je weniger diese auf diese Anforderung abgestimmt ist, desto größer ist die Herausforderung für den Schreiner. Mit den entsprechenden Bestückungen sind diese Aufgaben am Bearbeitungszentrum oder an einer horizontalen Plattensäge mit schwenkbarem Sägeaggregat einfach zu lösen. Doch auch derjenige, der auf die Formatkreissäge angewiesen ist, hat gute Möglichkeiten zum Ziel zu gelangen.
Beispiel: Die Schmalflächen einer Korpusseite 1000 x 180 x 19 mm, KF weiß, sollen umlaufend 45°-Schrägen erhalten. Es gibt drei Varianten, wie sich das auf der Formatkreissäge realisieren lässt:
Variante 1. Wird das Sägeblatt auf 45° geschwenkt, kann man Schnitte rechts oder links des Blattes ausführen. Wird links des Sägeblattes gearbeitet, ergibt sich der Vorteil, dass das Werkstück mit der auslaufenden Spitze, also mit der späteren Außenseite, nach oben liegt. Auf dieser Seite entstehen keine Ausrisse, wenn das richtige Sägeblatt verwendet wird. Auf der Unterseite sind kleine Fehler oder der minimale Falz der Vorritzsäge eher hinnehmbar als auf der Außenseite. Sind die kurzen Schenkel noch problemlos zu sägen, muss das Werkstück zum Sägen der langen Seiten mit dem kurzen Schenkel (180 mm + Zugabe) gegen den Winkelanschlag gelegt werden. Dabei treten leicht Abweichungen vom rechten Winkel auf. Auch das Anschlagen der schon gesägten, empfindlichen Kante am Klappanschlag führt oft zu Absplitterungen und in der Folge zu Maßabweichungen (Bild 2).
Variante 2. Führt man das Werkstück am Parallelanschlag, um die Gehrungen zu sägen, tritt das Sägeblatt auf der späteren Werkstück-Außenseite aus und hinterlässt oft Ausbrüche. Zudem besteht die Gefahr, dass die spitze Kante der schon gesägten und nun am Parallelanschlag geführten Schmalfläche etwas in den kleinen Spalt zwischen Parallelanschlag und Sägetisch rutscht (Bild 1). Maß- und Winkelabweichungen sind dann kaum noch zu verhindern. Dem Problem durch Unterlegen einer Platte zu begegnen, birgt neue Schwierigkeiten und führt zu Maßabweichungen und zusätzlichem Materialverbrauch.
Variante 3. Dieser Weg reduziert die Probleme aus Variante 1 und 2: Alle Werkstücke, die eine schräge Schmalfläche erhalten, werden mit 20 mm Zugabe je Kante rechtwinkelig zugerichtet. 1040 x 440 x 19 mm, (Bild. 3).
Bevor man mit dem schräg Sägen beginnt, ermittelt man anhand einer genauen Zeichnung oder durch Schnittversuche, an welcher Position der Parallelanschlag stehen muss, damit bei geschwenktem Sägeblatt nur die zuvor zugegebenen 20 mm abgesägt werden. Bei 3,5 mm Schnittfugenbreite sind es genau 34 mm (Bild 4).
Der Parallelanschlag wird vor das Sägeblatt zurückgezogen, da er nur zum Ausrichten der Anlagekante benötigt wird. Das Werkstück wird mit der langen Seite gegen den Winkelanschlag gelegt, mit der kurzen Seite gegen den Parallelanschlag und die Schräge gesägt. Die Sägehilfe Fritz und Franz erleichtert das Sägen der langen Seiten. Hier drückt eine am Parallelanschlag montierte Rolle von Panhans das Werkstück fest auf den Maschinentisch (Bild 5). Die Platte flattert nicht und liegt sicher und plan auf. Hinter dem Parallelanschlag lässt sich ganz einfach auch eine Sicherheitsabeckung montieren (Bild 6 und 7). Rationell und genau und sicher arbeitet man bei langen Werkstücken mit dem Vorschubapparat, der das Werkstück gleichmäßig transportiert (Bild 8).
Gehrungsschnitte über 45°
Wenn der zu sägende Winkel an der Schmalfläche 45°, bei manchen Sägen auch 47° übersteigt, wird es aufwendiger, diesen Arbeitsgang an der Formatkreissäge auszuführen. Will der Tischler und Schreiner nicht an die Tischfräse ausweichen, kann er das Werkstück mithilfe einer Vorrichtung hochkant am nur leicht geneigten Sägeblatt entlangführen. Zwei Vorschläge verdeutlichen das.
Vorrichtung 1. Sie besteht aus einer MDF-Platte, die das Werkstück hält und sich in aufrechter Position entlang des Parallelanschlags schieben lässt. Dazu verhilft eine gefälzte Massivholzleiste an der Rückseite. Falz und Platte bilden eine Nut, in die der Parallelanschlag der Säge hineinpasst. Diese Leiste wird so an die MDF-Platte geschraubt, dass die untere Schmalfläche der Platte auf dem Maschinentisch steht und der Falzgrund etwas Abstand zur schmalen Fläche des Parallelanschlags hat. Gleitet die Nutleiste nahezu spielfrei, wird die untere Plattenkante zur hohen Anschlagfläche hin gefast, damit eine Lücke entsteht, in der sich Späne ablagern können und Fertigungstoleranzen beim Sägen reduzieren.
Das Sägeblatt wird beispielsweise auf 30° geschwenkt und so hoch gestellt, dass beim Vorbeischieben der Führungsplatte eine wenige Millimeter tiefe Nut entsteht (Bild 10). Diese Nut markiert die Position der Werkstückinnenkante. Die jetzt fertige Führungsvorrichtung wird abgenommen, auf Böcke gelegt und das Werkstück passgenaue aufgespannt.
Eine auf den festgestellten Rollwagen montierte Kammfeder, Bogendruckfeder oder Druckrolle drückt das Werkstück samt Vorrichtung gegen den Parallelanschlag und verhindert das Kippen. Ratsam ist das Stabilisieren des Parallelanschlags mit einer Stütze, damit er nicht dem Seitendruck nachgibt und ausweicht.
Wer mit dieser Methode gut zurecht kommt, kann die Vorrichtung im nächsten Schritt noch verbessern: In die MDF-Platte werden von oben zwei Schlitze gesägt die zwei Schlossschrauben aufnehmen, mit denen eine zusätzliche Platte von vorn als Verschleißplatte befestigt ist. Durch die Schlitze wird diese höhenverstellbar. Ist sie verbraucht, kann sie mit wenig Aufwand ersetzt werden.
Vorrichtung 2. Hier führt nicht der Parallelanschlag die senkrechte Platte, sondern der Schiebetisch bzw. Rollwagen (Bild 11). Dazu fertigt man aus Plattenwerkstoffen einen großen Winkel, der gut ausgesteift wird. Eine Anschlagleiste, die gegen die Vorderkante des Rollwagens stößt, erleichtert wiederholtes und genaues Positionieren (Bild 12). Soll die Vorrichtung häufiger eingesetzt werden, sollte gegen die zum Sägeblatt zeigende Platte des Winkels eine Opferplatte geschraubt werden. Damit sie ihren Zweck erfüllt, muss sie schon bei der Gesamttiefe der Vorrichtung berücksichtigt werden. Die Vorrichtung kann mit Sternschrauben und in die Tischnuten geschobenen T-Nuten-Muttern (Flacheisen mit Gewindebohrung) sicher befestigt werden.
Nach dem Anschnitt der Opferplatte liegt die Position der Schnittfuge fest und das Werkstück wird gegen den senkrechten Winkel gespannt. Eine untergelegte Distanzleiste erleichtert das Ausrichten des Werkstückes bei gleichzeitigem Spannen. Ist das Werkstück gesichert, wird der Sägewagen vorgeschoben und die Schräge gesägt. Bei schwierig zu spannenden Teilegrößen unterstützt eine am Parallelanschlag befestigte Bogendruckfeder oder Druckrolle, die oberhalb des Sägeblattes gegen das zu sägende Element drückt, die gute Werkstückführung.
Die Edellösungen, mit denen man Werkstücke auf dem Rollwagen befestigen kann, sind Exzenterspanner oder in der Höhe verstellbare Kniehebelspanner. Auch in den Wagen bündig eingearbeitete Vakuum-Sauger werden angeboten und halten die Werkstücke sicher fest. Ein kurzes Stück gefälzte Leiste leistet jedoch auch hervorragende Haltedienste: Die etwa 70 x 40 x 16 mm große Leiste erhält an der Stirnfläche einen Falz (7 x 10 mm) und in der Mitte der großen Fläche eine durchgehende Bohrung mit 8,5 mm Durchmesser.
In die Tischnut wird ein passender Nutenstein oder ein etwa 50 mm langes Flacheisen mit M8-Gewinde im Zentrum eingeschoben. Jetzt kann der Falz über eine Werkstückkante geschoben und die Leiste mit einer Flügelmutter, einer Rändelschraube oder einem Sterngriff gespannt werden. Eine an beiden Enden derart geklemmte Platte hält den üblichen auftretenden Bearbeitungskräften stand. Fälzt man beide Enden des Niederhalters mit unterschiedlichen Maßen, können mit demselben Niederhalter dickere oder dünnere Werkstücke gehalten werden.
Willi Brokbals
»Im CNC-Zeitalter drohen althergebrachte Arbeitsweisen in Vergessenheit zu geraten.« Willi Brokbals

Der Autor
Willi Brokbals ist Holztechniker und Fachlehrer an der Meisterschule Ebern. Themen und Fächer: Werkstatt, Vorrichtungsbau, CNC, Pneumatik, Maschinenpraxis und Sicherheit.
Meisterschule Ebern, 96106 Ebern, Tel.: (09531) 9236-0, Fax: -30, www.meisterschule-ebern.de
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