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Regeln für die Holztreppe

Technik
Regeln für die Holztreppe

Das Deutsche Holztreppeninstitut (DHTI) existiert nunmehr im fünften Jahr. Es begleitet die nationale und europäische Normungsarbeit und befasst sich mit dem Stand der Technik. Michael Peter fasst diesen zusammen.

Bei den „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ handelt es sich um Normen, die von interessierten Kreisen zur Vereinheitlichung und Beschreibung des technisch Machbaren und Wünschenswerten zusammengetragen werden. Je anerkannter und neutraler die Fachleute, die beim Zusammentragen und Formulieren tätig sind, umso anerkannter sind die Regeln. Die rechtliche Verbindlichkeit eines Gesetzes besitzen sie jedoch in keinem Fall. Wenn sich die Regeln aber im Baualltag bewährt haben oder wissenschaftlich durch Tests oder Berechnungen nachgewiesen sind, spricht nichts mehr gegen ihre allgemeine Anerkennung und damit auch gegen ihre Anwendung als Beschreibung des Sollzustandes eines Bauwerksteils.

Im Bereich des Holztreppenbaues sind hier im Wesentlichen zu nennen:
• d as Regelwerk Handwerkliche Holztreppen, herausgegeben vom Bundesverband Holz und Kunststoff und vom Bund Deutscher Zimmerermeister
• die DIN 18065 – Begriffe, Messregeln und Hauptmaße bei Gebäudetreppen
• die DIN 18334 – ATV für Zimmerer- und Holzbauarbeiten
• die DIN 1052 – Holzbauwerke
Das Regelwerk Handwerkliche Holztreppen gibt Konstruktionsvorgaben für Wangen- und aufgesattelte Treppen aus Massivholz. Solche Treppen gibt es schon seit Hunderten von Jahren. Sie haben sich bewährt. Doch im Laufe der Jahre gab es hinsichtlich Dimensionierung der Holzteile und konstruktiver Details immer neue Entwicklungen. Von Seiten der Wissenschaft, der Prüfstatik und der Baubehörden wurde eine klare Definition dafür gefordert, was eine handwerkliche/traditionelle Treppe eigentlich ist, also eine Treppe, deren Standsicherheit ohne Einzelnachweis aus Erfahrung zu beurteilen ist. Der Begriff erschöpft sich gerade eben nicht in der bloßen Konstruktionsart als Wangentreppe oder aufgesattelte Treppe. Das Regelwerk, erstmals herausgegeben 1995, beleuchtet stattdessen bei diesen beiden Treppentypen genau die Vorgaben hinsichtlich Befestigung, Dimension, Holzart usw.; es definiert die handwerkliche Holztreppe.
1998 wurde durch einen Belastungsversuch an einer viertelgewendelten Wangentreppe aus Fichte auch der Nachweis erbracht, dass eine Regelwerkstreppe selbst in Nadelholz den statischen Anforderungen genügt. Das Regelwerk wird jedoch vielfach als zu restriktiv angesehen. Umstritten sind die Dimensionierung von Wangen und Stufen oder die untere Befestigung auf dem Rohbeton oder die Festlegung bestimmter Verbindungsmittel. In allen Punkten hat das DHTI jedoch maßgeblich die Fortentwicklung des Regelwerkes vorangetrieben. Die Mitglieder des DHTI können exklusiv auf gutachtliche Stellungnahmen zurückgreifen. Es gibt sie
• zum Ersatz der durchgehenden Spannschraube durch die Trezifix-Gewinde-Rolle M 10
• zur Herabminderung der Stufendicke auf 43 mm bei einer maximalen Stufenlänge von 130 cm
• zur Herabsetzung der Wangendicke auf bis zu 45 mm, abhängig von der Wandhalterung und der schrägen Länge der Wange
• zum Ersatz der Gewindestange durch Schraubverbindungen bei Stufen aus Laubholz. Hier liegt jetzt eine gutachtliche Stellungnahme von Professor Dr.-Ing. Achim Irle vor, die sich auf zahlreiche Probeversuche mit verschiedenen Schrauben- und Holzarten sowie zwei alternativen Wangenausführungen stützt.
Die DIN 18065 beschreibt Begriffe, Messregeln und Hauptmaße bei Gebäudetreppen. Sie stammt vom Januar 2000 und wird ständig überarbeitet, so zur Zeit in Bezug auf die Anforderungen von Wendelstufen. Das DHTI sitzt dabei immer am Tisch, hier in Person des Vorstandsvorsitzenden Josef Ries. Die DIN 18065 ist bislang auf breite Zustimmung gestoßen, obwohl sie hinsichtlich der bequemen Begehbarkeit Vorgaben macht, auf die z. B. in den Niederlanden aus Kostengründen gerne verzichtet wird.
Die DIN 18334 beschreibt die allgemeinen technischen Vertragsbedingungen für Zimmererarbeiten und enthält ein Kapitel mit allgemeinen Konstruktionsvorgaben für Holztreppen. Auf Drängen des DHTI ist in der Neufassung der DIN im Januar diesen Jahres wieder festgeschrieben worden, dass das Begehen einer Treppe kein Knarren verursachen darf. Denn in der Fassung vom Dezember 2000 hieß es plötzlich nur, dass Treppen passgenau und formschlüssig zusammengearbeitet sein müssen. Bei verschiedenen Gelegenheiten hatte sich das DHTI gegen diese unsinnige Neuregelung gewandt und einen Formulierungsvorschlag unterbreitet, der sich jetzt fast wortgleich in der revidierten Norm findet: „Treppen sind so herzustellen und zu montieren, dass Knarren beim Begehen verhindert wird. Vereinzelt auftretende Knarrgeräusche sind bei größeren raumklimatischen Schwankungen nicht auszuschließen.“
Dramatische Auswirkungen kann es auch haben, wenn die Dicke der Decklage bei furnierten Trittstufen lt. Ziffer 3.13 6 der betreffenden DIN unterschritten wird. Hier müssen nach dem Abschliff bei Laubholz mindestens 2,3 mm, bei Nadelholz mindestens 5 mm übrigbleiben, an den Stoßkanten gar 6 mm. Wenn dann ein Worst-Case-Szenario eintritt, weil sich z. B. Kirschbaumfurnier aufgrund einer chemischen Reaktion der Holzinhaltsstoffe mit dem verwendeten Leim rot verfärbt und eine Nachbesserung nur in Form einer vollständigen Neuherstellung der Treppenanlage möglich ist, hat man schnell einen Schaden von weit über 70 000 Euro, wie in einem Fall, der dem DHTI vorliegt. Vielleicht ist es richtig, dass sich bei Einhaltung der Furnierdicke die Verfärbungen auf den Trittstufen nicht gezeigt hätten. Aber genauso richtig wie dieses Ergebnis eines sehr umfangreichen, wissenschaftlich exakten Gerichtsgutachtens ist es auch, dass für die Setzstufen diese Dicke der Decklage gerade eben nicht gilt und der optische Mangel genauso gravierend gewesen wäre, wenn sich nur diese Setzstufen verfärbt hätten. Zudem ist es nicht Zielrichtung der betreffenden DIN, Verfärbungen aufgrund chemischer Reaktionen auszuschließen, sondern eine ausreichende Decklage dient dazu, Abnutzungserscheinungen in Abhängigkeit von der voraussichtlichen Nutzungsdauer einer Treppe vorzubeugen. Man sieht: Es geht nicht nur um den Wortlaut von Normen, sondern auch um deren Sinn und Zweck.
Die DIN 1052 in Verbindung mit der DIN 1055 gilt der Berechnung und Ausführung von Holzbauten und ist damit auch grundlegend für die Statik von Holztreppen. Es gibt zahlreiche Treppenbauer, die diese Norm und die damit zusammenhängenden (deutschen) Lastannahmen gerne nach unten verändern würden. In Europa gilt z. B. nicht überall ein Sicherheitsbeiwert vom dreifachen der Verkehrslast. Aber die betreffenden Normen sind nun einmal Ausdruck deutscher Sicherheits- und Qualitätsphilosophie im Bauwesen. Letztlich resultieren aus der DIN 1052 auch die Berechnungen und Zulassungen von nichthandwerklichen Holztreppen, den sogenannten ingenieurmäßigen Konstruktionen. Gerne schaut sich der findige Handwerker bei der Konkurrenz um und meint, er könne die Mittelholmtreppe oder die handlaufgetragene Treppe einfach nachbauen – gewissermaßen nach Augenmaß. Aber die Konstruktionsdetails, Lastannahmen, Verbindungs- und Befestigungsmittel sowie sonstige Zulassungsparameter beruhen auf der Forschung und Entwicklung des Zulassungsinhabers und sind dessen geistiges Eigentum – er wird sie allenfalls gegen eine Lizenzgebühr weitergeben, wie im Falle der TSH-Treppe, einer beim Deutschen Institut für Bautechnik zugelassenen handlaufgetragenen Treppe (DHTI-Mitglieder erhalten einen ansehnlichen Rabatt auf die jährliche Lizenzgebühr).
Aber ohne Zulassung und Beachtung der Anforderungen der DIN 1052 können vor allem noch Jahre später massive Schäden zu Tage treten. So geschehen bei einer Mittelholmtreppe. Hier stellten die Kunden zunächst mehr als fünf Jahre nach dem Einbau vermeintliche Oberflächenmängel, nämlich Furnierablösungen am Holm, fest. Deren Ursache lag jedoch in Eigenspannungen, die durch Kriechverformungen innerhalb der Konstruktion und durch ungeeignete Fuß- und Kopfanschlüsse hervorgerufen wurden. Bei einem solch gravierenden Mangel kann u. U. auch die Einrede der Verjährung abgeschnitten sein. Wenn ein Unternehmen ein an sich zulassungspflichtiges Bauteil ohne Zulassung einbaut und die besonderen statischen Ansprüche der Konstruktion kennt, dann verschweigt es arglistig einen für den Vertragsschluss erheblichen Umstand mit der Folge, dass die fünfjährige Gewährleistungsdauer auf 30 Jahre verlängert wird.

Lobby für die handwerkliche Holztreppe
Das Deutsches Holztreppeninstitut (DHTI) ist jetzt fünf Jahre alt. Geschäftsführer Michael Peter schaut zurück auf fünf Jahre Dienst an der handwerklichen Holztreppe.
Das DHTI wurde im August 2000 als eingetragener Verein in der Nachfolge der ehemaligen Qualitätsgemeinschaft Holztreppen im BHKH gegründet und hat seinen Sitz in Saarbrücken. Getragen wird es zurzeit von 48 auf den Holztreppenbau spezialisierten Schreinerbetrieben, zehn Landesverbänden des Tischlerhandwerkes, sechs Förderkreismitgliedern und dem Bundesverband Holz und Kunststoff.
Neben der Forschungsarbeit liegt der Fokus auf der Öffentlichkeitsarbeit für qualitativ hochwertigen Holztreppenbau. Dazu dienen die Marke „Qualifizierter Meisterbetrieb Holztreppenbau“ sowie regelmäßige Anzeigenschaltungen und Veröffentlichungen in Architekturzeitschriften. Ziel ist es, einen qualitativ hohen Standard als allgemein anerkannte Regel der Technik zu definieren, bei dessen Einhaltung auch Billiganbieter nicht mehr so billig sein können. Auf europäischer Ebene soll erreicht werden, dass mit der Regelwerkstreppe eine handwerkliche Fertigung erhalten bleibt, die nicht einer umständlichen und bei Kleinstserien kalkulatorisch nicht darstellbaren Fremdüberwachung im Rahmen der CE-Kennzeichnung unterworfen wird.
Das DHTI hat alle Anstrengungen unternommen, um dem deutschen handwerklichen Holztreppenbau im Dickicht europäischer Normung Gehör zu verschaffen. Wir konnten es jetzt erreichen, dass ein neuer Normungsantrag zugunsten der industriellen Holzwerkstofftreppe zurückgezogen wurde, und verfolgen das Ziel, die Regelwerkstreppe als die traditionelle Massivholztreppe ohne Fremdüberwachung für ganz Europa festzuschreiben.
Deutsches Holztreppeninstitut Geschäftsstelle: Wirtschaftsverband Holz und Kunststoff Saar e.V. 66115 Saarbrücken Tel.: (0681) 99181-0, Fax: -31, www.dhti.de

Der Autor
Michael Peter, geb. 1959 in Saarbrücken, Abitur und Studium der Rechtswissenschaft in Saarbrücken Geschäftsführer des Wirtschaftsverbandes HKH Saar seit 1.1.1990: Geschäftsführer der Fachinnung HKH Saar; seit 2000 Geschäftsführer des DHTI; seit 2004 Geschäftsführer der Innung für Raum und Ausstattung im Saarland
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