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Physik statt Chemie

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Physik statt Chemie

Mit UV-Strahlenphysik lassen sich Lösemittel einsparen und die Umwelt schonen. UV-Holzlacke erzeugen bereits heute sehr hochwertige Oberflächen. Neue Entwicklungen von wasserverdünnbaren UV-Lacken ermöglichen den Auftrag im Spritzverfahren und damit die Beschichtung profilierter Teile. Dr. Gerhard Grüll stellt sie vor.

Beschichtungssysteme, die mit UV-Strahlung ohne die Verdunstung von Lösungsmitteln härten (sogenannte 100-Prozent-UV-Systeme), sind für die Beschichtung von Holz und Holzwerkstoffen in der Möbel- und Fertigparkettindustrie bereits seit längerer Zeit in Anwendung. Es handelt sich dabei um vorpolymerisierte UV-härtbare Acrylharze, die mit Monomeren des selben Harzes verdünnt werden. Bei Bestrahlung mit UV-Licht lösen Photoinitiatoren im Lacksystem die Härtungsreaktion aus, bei der das Verdünnungsmittel mitvernetzt wird und damit als Reaktivverdünnung fungiert. Dadurch kommt es praktisch zu keiner Verdunstung von Lösungsmitteln und der aufgebrachte flüssige Lack härtet in sehr kurzer Zeit vollständig aus.

Für ebene Flächen
Diese 100-Prozent-UV-Systeme ergeben Oberflächen mit einer sehr guten Qualität, die sich durch eine hohe Beständigkeit, Härte und Kratzfestigkeit auszeichnet. Ihre Anwendung beschränkt sich jedoch auf ebene Flächen, wie Fertigparkettdielen und Möbelkorpusteile. Der Grund dafür liegt darin, dass diese Lacksysteme nur im Walzauftrag aufgebracht werden können, was in mehreren dünnen Schichten erfolgt und dass für die Aushärtung, die in Durchlaufanlagen stattfindet, eine definierte UV-Bestrahlung erforderlich ist. Daher werden diese Lacksysteme auch fast ausschließlich in größeren Betrieben mit industrieller Fertigung eingesetzt.
Um neben dem Walzauftrag auf ebene Flächen auch die Beschichtung von profilierten Holzteilen zu ermöglichen, gleichzeitig aber die qualitativen und wirtschaftlichen Vorteile der UV-Härtung zu nutzen, wurden in den letzten Jahren wasserverdünnbare UV-Lacke für Holz entwickelt. Die UV-härtbaren Polyurethandispersionen, kurz als UV-PUDs bezeichnet, stehen als Rohstoffe für die Lackindustrie bereits in der zweiten und dritten Generation zur Verfügung und werden laufend entsprechend der Anforderungen in verschiedenen Anwendungsbereichen weiterentwickelt. Mit diesen UV-härtenden Produkten wird die Beschichtung im Spritz- und Gießverfahren zusätzlich zum Walzauftrag ermöglicht. Darüber hinaus wird intensiv daran gearbeitet, auch pigmentierte Beschichtungsstoffe mit UV-Strahlung härten zu können, was ebenfalls mit der neuen Lacktechnologie ermöglicht wird.
Die Herausforderung bei wasserverdünnbaren UV-Lacken ist, dass die Lacke in relativ hohen Nassfilmdicken mit unterschiedlicher UV-Einstrahlung (auch auf abgeschatteten Flächen) und trotz der Lichtabsorption und -reflexion durch Pigmente ausreichend härten. Dies ist die Voraussetzung dafür, um einen der wichtigsten Vorteile der wasserverdünnbaren UV-Lacke nützen zu können: die vollständige Aushärtung und Erlangung der Endeigenschaften (Blockfestigkeit, Wasserdampfdurchlässigkeit etc.) im Werk. In diesem Zusammenhang wird oft von einem Dual-Cure-Effekt gesprochen, was bedeutet, dass die Lacke mit zwei Härtungsmechanismen – der UV-Härtung und der Härtung unter Umgebungsbedingungen – ausgestattet sind, wodurch eine vollständige Aushärtung auf allen Flächen erreicht werden soll.
Einschränkender Faktor bei den wasserverdünnbaren UV-Lacken ist jedoch das Ablüften des Wassers. Es muss vor der UV-Härtung unbedingt ausreichend verdunstet werden. Das kann mit Hilfe von Düsen-, Mikrowellen- und IR-Trocknern auf wenige Minuten beschleunigt werden, was jedoch wiederum entsprechende Anlagen erfordert. Andernfalls sind ausreichende Trocknungszeiten einzuhalten, bevor mit UV-Licht gehärtet wird.
Eine UV-Härtung funktioniert natürlich nur mit einer entsprechenden Härtungsanlage, für deren Gestaltung es mehrere Möglichkeiten gibt. Klassisch werden für ebene Flächen Durchlaufanlagen in Form von UV-Tunnels mit mehreren hintereinander geschalteten Lampen-Aggregaten eingesetzt. Diese Anlagen können auch für profilierte Teile, wie Möbelfronten, Tür- oder Fensterrahmen verwendet werden.
Lösungen für 3-D-Teile
Für dreidimensionale Teile, wie z. B. Sessel, gibt es auch UV-Boxen, in deren Inneren durch entsprechend reflektierende Oberflächen versucht wird, eine gleichmäßige Bestrahlung des Werkstückes zu erreichen. In den Niederlanden wurde sogar schon mit mobilen UV-Lampen experimentiert, die von Malern auf der Baustelle beim Streichen von Fenstern und Türen eingesetzt wurden. Diese Handlampen haben sich jedoch noch nicht durchgesetzt, da ihre Handhabung und die gleichmäßige UV-Bestrahlung der Oberflächen wohl sehr schwierig sind.
Für die effiziente UV-Härtung von Beschichtungen auf Holzuntergründen stehen Anlagen in Entwicklung, in denen unter Intergasatmosphäre (Stickstoff oder CO2) gehärtet werden kann und damit die Sauerstoff-Inhibierung verhindert wird. Dies ermöglicht eine geringere Leistung oder Anzahl der UV-Lampen, die Reduktion der Photoinitiatoren im Lack und eine höhere Produktivität durch höhere Durchlaufgeschwindigkeiten.
In der Strahlenhärtung von Lacken steckt noch sehr viel Potenzial für weitere Entwicklungen hinsichtlich Qualitätsverbesserungen, Effizienzsteigerungen und verbesserter Umweltverträglichkeit. In der industriellen Fertigung können UV-härtende Lacke für ebene Flächen heute als Stand der Technik bezeichnet werden. Der Schlüssel für die Anwendung in kleineren Betrieben liegt in der Anpassung der Anlagentechnik zur Applikation und Aushärtung für kleinere Losgrößen. Die Vorzüge der UV-Lacke können in der Holzbranche künftig wesentlich dazu beitragen, die steigenden Anforderung der Kunden und der Gesetzgebung zufriedenstellend zu erfüllen. Dr. Gerhard Grüll
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