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Nicht nur eine Kostenfrage

Technik
Nicht nur eine Kostenfrage

Welche Messersysteme gibt es aktuell für Abrichten und Dickenhobelmaschinen? Willi Brokbals, Fachlehrer an der Meisterschule Ebern für das Schreinerhandwerk, hat sich auf der Ligna 2009 schlau gemacht.

Beim Kauf einer neuen Hobelmaschine stellt sich auch die Frage nach dem für den jeweiligen Einsatzzweck richtigen Messersystem. Es gibt zahlreiche Einflussgrößen: Rüstzeiten, Hobelgüte, Präzision und nicht zuletzt die Kosten je Schneide sowie die Folgekosten für eventuelle Qualitätsmängel. Die gleichen Parameter gelten beim Umrüsten einer alten Hobelmaschine, die auf den aktuellen Stand der Technik gebracht werden soll.

Die Ligna 2009 war Anlass wieder einmal nachzufragen: Welche für den Schreiner sinnvollen Messersysteme für Abrichten und Dickenhobelmaschinen werden aktuell angeboten? Willi Brokbals, Fachlehrer an der Meisterschule Ebern für das Schreinerhandwerk hat sich auf den Weg gemacht und Hersteller und Händler besucht. Als Alternative zum Streifenhobelmesser bietet der Markt zurzeit folgende eigenständige Hobelmesserwellensysteme:
  • Wendemessersysteme (Brück, Barke)
  • Fliehkraft-Spannsysteme (Samvaz/Tersa, Leitz/CentroStar, Terminus, Kanefusa)
  • Sonstige Systeme: Variplan (Leitz), Spiralmesser (Leitz)
Streifenhobelmesser
Nach wie vor sind Streifenhobelmesser gefragt. Sie werden überall dort eingesetzt, wo Rüstzeiten eine untergeordnete Rolle spielen. Auch die erzielbare Einstellgenauigkeit weicht von den übrigen Systemen ab, da sie von vielen Faktoren beeinflusst wird. Sie hängt vom Geschick des Mitarbeiters ab, der die Messer wechselt und kann bei jedem Wechsel anders sein. Auch die Art der Einstelllehre spielt eine große Rolle. Ist die den Messerüberstand bestimmende Fläche aus Aluminium und wird die Lehre nur mit Muskelkraft gegen die Welle gehalten, ist mit größeren Abweichungen zu rechen, als bei Messing-Anschlagflächen bei denen die Lehre zum Einstellen mit der Welle verschraubt wird.
Streifenhobelmesser werden in unterschiedlichen Schneidewerkstoff-Qualitäten angeboten: Eine Palette unterschiedlich vergüteter HS-Ausführungen ist ebenso zu finden, wie Hobelmesser mit HW-Einlagen. Kanefusa bietet Messer mit auf der Messerspanfläche angebrachter Spezialbeschichtung an, die den Standweg bis zum Sechsfachen des Standardmessers steigert. Eine nur wenige Mikrometer dicke, für das Auge extra sichtbar gemachte Schicht verhindert das Abtragen des weicheren Schneidstahls (HS) und führt so zur verzögerten Schneiden-Verrundung. Da die Beschichtung auf der Spanfläche aufgebracht ist, kann die Brust geschärft werden, ohne die Auflage zu zerstören. Die Schneidwirkung des nachgeschärften Messers ist laut Hersteller nahezu wie die eines neuen.
Wendemessersysteme
Der Aufbau der Wendemessersysteme von Brück und Barke ist grundsätzlich gleich: Ein Messerträger mit Bolzen und Magneten hält das Wendemesser mit entsprechenden Bohrungen. Die Lochabstände sind bei beiden Anbietern gleich. Zusammengefügt haben Träger und Messer die Abmessungen eines Streifenhobelmessers. So können sie diese in neuen oder alten Messerwellen ersetzen. Richtig installiert, geschieht der Messerwechsel zügig und dauerhaft ohne Einstelllehre.
Um die Vorteile des Systems zu nutzen, müssen die Federn, die das Streifenhobelmesser in Richtung Einstelllehre drücken, gegen Einstellhülsen getauscht werden, auf denen der Messerträger aufliegt. Einmal eingestellt, werden sie in die vorhandenen Wellenbohrungen geklebt und geben zukünftig zuverlässig das Maß vor. Eine Messerflugkreis-Genauigkeit von unter 0,15 mm ist so problemlos möglich.
Brück hat sein System weiter entwickelt und bietet sowohl den klassischen Messerträger als auch einen mit zwei aus dem Messerträger vorstehenden, geprägten Nasen an. Bei diesem System entfällt das Einstellen der Hülsenschrauben, da die Nasen am Umfang der Hobelwelle aufliegen und so den Messerüberstand exakt bestimmen. Genaue Anlagestellen für die Nasen vorausgesetzt, gibt Brück die Messerflugkreis-Genauigkeit mit etwa 0,05 mm an.
Beide Hersteller bieten die Schneidenwerkstoffe HS und eine Kobalt-Legierung an. Letztere soll von der Qualität bzw. vom Schneidverhalten zwischen HS und HW angesiedelt sein.
Fliehkraft-Spannsysteme
Messer in Fliehkraft-Spannsystemen werden durch, auf die Keilleisten wirkenden, Zentrifugalkräfte gespannt und sind immer Wendemesser. Das ist bei jedem Hersteller so und doch weicht jedes System von dem des Mitanbieters ab. Die Messer unterscheiden sich in der Größe und in der Art der Profilierung, die eine formschlüssige Verbindung gewährleistet. Diese ermöglicht wiederum das Bestücken einer Hobelwelle mit unterschiedlich langen Messern, und/oder unterschiedlichen Schneidenwerkstoffen. Muss an einer Abrichte mit angenommener Hobelbreite 500 mm immer wieder abrasives Material gefügt werden (z.B. Vollkernplatten), kann sie mit 400 mm langen HS-Messern und 100 mm langen HW-Messern bestückt werden. Zum Fügen der exotischen Hobelware nutzt man die HW-Messer, während die HS-Messer geschont werden.
Tersa. Der Klassiker unter den Fliehkraft-Spannsystemen ist sicherlich das von der Schweizer Firma Samvaz SA entwickelte Tersa-System. Gratfrei gestanzte Lamellen werden auf einem Rundkern aus Stahl zusammengepresst und unter Hochdruck mit Hülsenschrauben verspannt. Doch auch Ganzstahl-Hobelwellen werden angeboten. Bei beiden Bauarten ist die Messerflugkreis-Genauigkeit etwa 0,02 bis 0,05 mm.
Mittlerweile werden Tersa-Messer vom Hersteller in fünf verschiedenen Messerqualitäten angeboten: Die einfachsten sind aus Chromstahl, die am häufigsten eingesetzten aus Hochleistungs-Schnellschnitt-Stahl (HS). M42+ nennt Samvaz die über dem HS angesiedelte Messergüte.
Mit einem relativ stumpfen Keilwinkel und dem besseren Schneidenwerkstoff soll der Standweg deutlich steigen. Eher exotisch mutet das goldfarben beschichtete Messer an, das auf dem deutschen Markt weniger üblich ist, doch durch die Vergütung Standwegverlängerung bewirken soll. Auch Hartmetall-Messer (HW) sind erhältlich.
CentroStar. Mit CentroStar bezeichnet der Werkzeughersteller Leitz sein Fliehkaft-Spannsystem in einer Stahlmesserwelle. Auch hier wird, wie schon beim Tersa-System, das Messer durch einen Schlag auf den Spannkeil gelöst und kann, nachdem ein seitlicher Schutzring die Öffnung frei gibt, ausgeschoben werden. Um das System wieder zu sichern, wird ein Zapfen, einem Schraubendreher ähnlich, in eine Bohrung am Wellenumfang gedrückt. Federn geben dann der Keilleiste und dem Messerhalter die erforderliche Vorspannung.
Die zwei oder vier Messer sind aus HS oder HW und sind mit einer Spanleitstufe ausgestattet, die laut Hersteller auch in kritischen Bereichen für gute Oberflächen sorgt. Wegen seiner geschlossenen Bauform ist das CentroStar-System leiser als Messerwellen mit Streifenhobelmessern.
Terminus. Wird die Keilleiste beim Tersa-System mit einem leichten Hammerschlag gelöst, reicht beim Terminus-System der Druck der Daumen. Die Keilleiste wird in Richtung Wellenzentrum gedrückt und durch eine leichte Wippbewegung fixiert. Das dann frei liegende Messer kann jetzt nach oben entnommen, gedreht oder gewechselt werden. Wird die Keilleiste mit Daumendruck wieder gelöst, drücken Federn sie in Richtung Flugkreis und halten das Messer sicher in der erforderlichen Position. Die endgültige, sichere Klemmung bewirken wiederum die Zentrifugalkräfte. Terminus gibt die Genauigkeit seines Systems mit etwa 0,02 mm an.
Kanefusa. Der japanische Werkzeughersteller Kanefusa nennt sein Fliehkraft-Spannsystem Enshin. Ein gefederter Haltemechanismus wird durch leichtes Anschlagen der Keilleiste gelöst und gibt das Messer frei, damit es seitlich aus der Welle geschoben werden kann. Nach dem Messerwechsel drückt dieser Haltemechanismus es in die Endlage, wo es durch ein Nut- und Federsystem exakt bestimmt ist. Beim Einschalten der Welle wird das Messer durch den nach außen geschleuderten Keil in dieser Position gesichert. Hier, wie schon bei den Streifenhobelmessern, setzt Kanefusa auf beschichtete Spanflächen, die den Standweg um das Vier- bis Sechsfache erhöhen.
Laut Firmeninformation bewirkt die exakte Positionierung der Messer bereits vor dem Einschalten der Welle, dass es durch die auftretenden Fliehkräfte nicht mehr verrutschen kann. Das System sei sehr genau, doch konkrete Angaben wolle man nicht machen, da zu viele Faktoren außerhalb des Kernsystems beachtet werden müssen.
Sonstige Systeme
Variplan. Leitz hat ein System entwickelt, bei dem die Messer nachschärfbar sind und trotz nachgeschärfter Messer der Flugkreis-Durchmesser konstant bleibt. Nach dem Lösen einer Innensechskant-Schraube klappen Keilleiste und Messerhalter vom Messer weg und es kann nach oben entnommen werden. Gewendet und wieder eingesetzt sorgt das Zusammenwirken der Einzelteile im besonderen Spannsystem beim Andrehen der Schraube für den genauen Schneiden-Flugkreis.
Damit das System halten kann, was es verspricht, dürfen die Wendemesser nur an der Spanfläche geschliffen werden. Eine Nut in der Spanfläche gibt die Nachschärfzone vor: Ist der Nutgrund nach etwa fünf Schärfgängen erreicht, muss das Messer entsorgt werden.
Spiralmesser. In eine spiralförmig genutete Hobelwelle wird die dazu passende, gewundenen Kassette, bestehend aus Messerträger und Messer, eingesetzt und mit speziellen Spannschrauben gesichert.
Das von Leitz produzierte Spiralmesser-System arbeitet mit HS-Einwegmessern oder nachschärfbaren HS-Mehrwegmessern. Letztere werden vom Schärfservice auf den Messerträger montiert und fertig eingestellt wieder ausgeliefert. Das reduziert die Rüstzeiten beim Messerwechsel, da der Träger auf eine Begrenzungsebene in der Wellennut aufgesetzt wird und so die dauerhaft gleichbleibende Messereinstellung sichert.
Da die Kassetten von oben aus der Hobelwelle entnommen werden, muss der Tischlippen-Abstand mindestens 70 mm sein. Das schränkt den Einsatz gerade in Abrichthobel-Maschinen ein.
Durch den Messerdrall wird ein quasi ziehender Schnitt erreicht, der bei höherem Standweg auch die Oberflächengüte verbessert und die zum Vorschieben der Werkstücke nötige Kraft reduziert. Rüstet man sehr laute Maschinen mit dieser Technologie aus, kann eine Lärmreduzierung um bis zu 10 dB(A) erreicht werden. Das bedeutet eine Halbierung des Lärmeindrucks. Doch bei neuen, leisen Maschinen ist diese Wirkung nahezu vernachlässigbar, da allenfalls noch 3 bis 5 dB(A) Reduzierung möglich sind. Dieser Unterschied wird vom menschlichen Gehör fast nicht wahrgenommen.
Zeichen stehen auf Wechsel
Das Angebot wächst, haben sich doch die Klassiker unter den alternativen zum Streifenhobelmesser weiter entwickelt und sich inzwischen auf dem Markt gut behauptet: Die Hartbeschichtung zur Versechsfachung der Standzeit der Streifenhobelmesser von Kanefusa ist überzeugend, und die Nase am Brück-Messerträger verkürzt die Rüstzeiten zusätzlich. Für diejenigen Tischler und Schreiner die immer noch mit der alten Keilleistenwelle und Einstelllehre arbeiten, sollte das Grund genug sein, über einen Wechsel der Hobelwellen oder der Messersysteme von Abrichte und Dickenhobelmaschine nachzudenken.
Willi Brokbals
»Flinker Werkzeugwechsel und hervorragende Hobelergebnisse sprechen für den Wechsel«
Willi Brokbals,
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