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Zollstock oder Datenwolke?

Maschinen & Anlagen
Zollstock oder Datenwolke?

Schreinermeister Thomas Kriesche aus Neuffen erstellt als Dienstleister Aufmaße und CAD-Konstruktionszeichnungen im Yacht- und Innenausbau. Wir haben mit ihm über seine Erfahrungen mit digitaler Messtechnik gesprochen.

Herr Kriesche, wie misst der Tischler und Schreiner heute auf?

Im Kleinbetrieb gibt es nach wie vor das Handaufmaß mit Meterstab, Maßband und herkömmlichen Laser-Distanzmessgeräten. Digitale Maßaufnahme geht zunehmend mit einer professionellen Projektabwicklung einher, wenn digitale Daten in CAD-Programmen weiterverarbeitet werden sollen.
Mit welchen Messinstrumenten arbeiten Sie?
Anfangs haben wir mit einer Kombination aus Entfernungs-, Kreuzlinien- und Rotationslasern ein Bauraster aufgebaut, von dem aus wurden die einzelnen Messpunkte abgenommen. Mit dem ersten Auftrag im anspruchsvolleren Yachtausbau war die Grenze erreicht. Komplexe oder amorphe Raumgeometrien sind wirtschaftlich nur in rein digitalem Aufmaß möglich. Nach Versuchen mit unterschiedlichen Systemen habe ich mich für ein Profigerät entschieden, mit dem Vermessungsbüros arbeiten, den »R100M« Tachymeter von Leica als Hardware, sowie dem Planassistent und Software von Androtec. Die 3-D-Aufmaßdaten konvertieren wir in 2-D-DFX- oder 2-D-DWG-Daten, sodass sie im CAD-Programm für die Konstruktion weiterverarbeitet werden können.
Gibt es für den Innenausbau nicht eine große Bandbreite an günstiger digitaler Messtechnik?
Für uns war die Präzision entscheidend. Beim Yachtausbau werden keine Toleranzen geduldet. Dazu kommt die Akkukapazität und ein ausreichendes Tempo des Systems. Beim Aufmaß eines komplexen Innenausbaus in ein bis zwei Tagen haben wir oft 2000 bis 4000 Messpunkte aufzunehmen. Das schaffen Sie aktuell nur mit einem effizienten Profigerät.
Was unterscheidet so ein Aufmaß etwa von der Arbeitsweise eines Küchenplaners?
Für eine Küchenarbeitsplatte kann ich mit vier bis sechs Messpunkten auskommen, das schafft jeder Meterstab. Bei einer etwas aufwendigeren Treppe können es auch mal 150 Punkte sein, das Ganze ist trotzdem in einer halben Stunde erledigt, ohne fünfstellig in Messtechnik zu investieren.
Was tut sich bei den Geräten für den Innnenausbau?
Die Messinstrumente entwickeln sich aus meiner Sicht recht positiv. Den Leica 3-D-Disto halte ich beispielsweise für sehr zukunftsfähig. Etwa 80 Prozent unserer Aufgabenstellungen könnten damit in einem attraktiven Preissegment erledigt werden.
Wann sollte man Dienstleister wie Sie in Anspruch nehmen?
Voraussetzung ist, dass der Kollege durchgängig mit CAD-Programmen arbeitet. Hat man nur drei bis vier größere komplexe Projekte im Jahr, lohnt es sich kaum in ein Equipment zu investieren, das brauchbare digitale Daten liefert. Dazu müssten Sie auch noch die notwendige Fachkompetenz aufbauen. Da fährt man mit externer Unterstützung deutlich ökonomischer.
Mit welchen Anliegen kommen Schreinerkollegen zu Ihnen?
Das ist breit gefächert. Da waren etwa fünf Korbbogen-Türen in einem alten Schulkomplex aufzumessen. Für mich bedeutete das etwa 1,5 Stunde Datenerfassung auf der Baustelle und nochmals die gleiche Zeit am Rechner, plus Fahrzeit. Die geforderten Datensätze gehen per E-Mail an den Türenhersteller. Das ist ein Bruchteil dessen, was bei klassischem Vorgehen an Zeit und Aufwand angefallen wäre. Da wären zwei Mitarbeiter mit nem Schwung Plattenmaterial hingefahren, um die Bögen aufzureißen. Und anschließend in der Werkstatt Messpunkte aus den Schablonen zu ziehen, um fürs Türenwerk die notwendigen Datensätze zu bekommen.
Das klingt noch relativ überschaubar …
Eine andere Größenordnung ist beispielsweise ein Verwaltungsgebäude mit mittlerer dreistelliger Raumzahl und tausenden Quadratmetern, teils individuellen Raumtrennwänden. Mit Aufmaß, Konstruktion und Arbeitsvorbereitung sowie nachlaufend der Montagekoordination und Dokumentation sind da vier Mitarbeiter über Monate gebunden. In solchen Fällen arbeiten wir vernetzt mit Kollegen aus ganz Deutschland zusammen.
Wie kann Ihr Kunde zu einem optimalen Ergebnis beitragen?
Das Wichtigste sind eindeutige Vorgaben: Welche Maße, welche Messpunkte oder CAD-Daten werden benötigt? Wir liefern auch bei komplexen Raumsituationen Datensätze mit einer Toleranz von zwei bis vier Milimeter auf eine Strecke von 50 Meter. Wenn wir bei größeren Projekten mit hoher Konstruktionstiefe beaufragt sind, gehen unsere Daten direkt in die Plattenaufteilanlage oder das BAZ des Auftraggebers. Bei der Montage kommen die Bauteile dann passgenau an, ob in der Werft an der Küste oder auf der Almhütte in der Schweiz.
Wie wird sich das digitale Aufmaß weiterentwickeln?
Die Software für Aufmaßsysteme wird noch schneller werden, ob bei AndroTec, Kubit software oder anderen. Geräte wie der Leica Disto-3D werden ihre Kunden finden. Meines Erachtens ist das Laserscanning die Zukunft. Das sollte man im Auge behalten. Zur Zeit ist die Bearbeitung der Punktewolken noch viel zu komplex und überfordert die Rechnerfähigkeiten. Zum Vergleich: Es werden 500000 Messpunkte pro Sekunde gescannt – 4000 Messpunkte professionell mit einem Tachymeter zu erfassen, dauert heute rund zwei Tage mit zwei Personen. Da gibt es noch viel Arbeit für die Softwareentwickler.
Wo spielt losgelöst vom reinen Aufmaß künftig die Musik?
Da sehe ich viel Potenzial in der Digitalisierung, vom digitalem Aufmaß über die digitale Produktion zur digitalen Montage. Insbesondere für die Montage und die Baustelle besteht noch ein hoher Nachholbedarf. Die Fragen stellte dds-Redakteur Hubert Neumann. Wir danken Herrn Kriesche für das Gespräch
»Im Yachtausbau kommen Sie mit Laser-Distanzmessgeräten nicht weit«
Thomas Kriesche

Zur Person
Thomas Kriesche ist Schreinermeister und technischer Betriebswirt. Seine Ausbildung zum Gestalter der Fachrichtung Holztechnik absolvierte er in Stuttgart unter Wolfgang Nutsch. Sein Team »Ars-Modi« besteht aus sechs Mitarbeitern: Schreinermeister und Holzingenieure, Industriedesignerin und Innenarchitekt. Neben Aufmaß und CAD-Konstruktionen im gehobenen Innen- und Yachtausbau entwirft und plant Thomas Kriesche auch für Privatkunden und im Objektbereich. Die Ausführung dieser Projekte erfolgt bundesweit durch Schreinereien. Ars-Modi Thomas Kriesche Paulusstraße 14, 72639 Neuffen Tel.: (07025) 912727–0 www.ars-modi.de

Service

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von Thomas Kriesche eingesetzte, bzw. getestete Systeme: www.leica-geosystems.com www.leica-geosystems.com www.leica-geosystems.com www.leica-geosystems.com www.leica-geosystems.com www.leica-geosystems.com Buchtipp von Thomas Kriesche: »Bauaufnahme und Planung im Bestand« von Dirk Donath Dieses Fachbuch führt von den Grund- lagen der Bauaufnahme über die Methoden und Darstellungstechniken hin zu den Möglichkeiten der Weiterverarbeitung von Geäudedaten. Praxistypische Szenarien geben Hilfestellung bei der Wahl der geeigneten Methode. Prof. Dr. Dirk Donath lehrt an der Bauhaus-Universität Weimar Informatik in der Architektur mit dem Forschungsschwerpunkt computer-gestützte Systeme in der Architektur.
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