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Oh, ihr DIN-Gläubigen

Maschinen & Anlagen
Oh, ihr DIN-Gläubigen

Immer wieder erleben wir Kritik, dass Bücher veraltet oder die Zeichnungen im Schulbetrieb falsch seien. Nicht deshalb, weil Konstruktionen nicht stimmen würden, sondern nur weil die Holzbezeichnungen nicht richtig seien. Wolfgang Nutsch, Verfasser vieler Fachbücher für Tischler, Schreiner und Innenausbauer, bezieht Stellung zu den Auswüchsen in der DIN-Normierung und deren Auswirkung in den Alltag von Meisterbetrieben.

Wolfgang Nutsch, Leinfelden

Viel Kritik entzündet sich daran, dass Bücher veraltet oder die Zeichnungen im Schulbetrieb falsch seien. Nein, nicht deshalb, weil die Konstruktionen nicht stimmen, sondern nur weil die Holzbezeichnungen nicht richtig seien. Aber was heißt hier, nicht richtig? In der DIN 919 sind für die Holzarten die Handelsnamen wie Buche, Eiche, Ahorn, Kiefer usw. aufgelistet. Was spricht dagegen, auch die eingängigen Abkürzungen der Handelsnamen, wie zum Beispiel BU, EI, AH oder KI, hierfür zu nutzen? Denn diese Abkürzungen versteht der Auszubildende, Geselle, Meister und auch der Kunde. Mal ehrlich, welcher Tischler kennt schon die botanischen Namen, für die Abkürzungen Fasy, QCXE, ACCM und PCAB?
Wer kennt ACCM, ACPS oder ACPL?
Noch zweifelhafter wird die Angelegenheit, wenn der Chef unter dem Handelsnamen Ahorn eingekauft hat und er oder der Techniker, der die Zeichnung erstellt, nicht sicher weiß, welche der botanischen Abkürzungen ACCM, ACPS oder ACPL er verwenden soll. Und ganz schizophren erscheint mir, wenn bei einer Kunststoffplatte mit Eichendekor die botanische Abkürzung für Eiche verwendet wird.
Was ist denn dabei, wenn man in Zeichnungen für den internen Bereich die gebräuchlichen Handelsnamen benutzt. Es reicht doch, wenn man für internationale Aufträge oder für strenge DIN-Gläubige unten auf der Zeichnung in einer Legende zu den Abkürzungen der deutschen Handelsnamen die der botanischen Namen auflistet. Genauso unsinnig sind die langen Bezeichnungen für die Verbindungsmittel und Werkstoffe. Vereinfacht wird ja der Nagel, mit dem die Rückwand im Falz befestigt ist, mit einer Strichpunktlinie dargestellt, O.k.! Aber was soll ein Text an der Hinweislinie: »DIN EN 10230-1 Nagel Stahldraht rund 2,4 x 40 Stauchkopf rund beschichtet«? Ähnlich sieht es bei den Angaben anderer Verbindungsmittel wie Dübel aus. So werden technische Zeichnungen überfrachtet und verlieren an Klarheit.
Manchmal könnte ich es bereuen, dass ich mich auf eigene Flug- und Hotelkosten nach Berlin aufgemacht habe, um bei der Schlusssitzung auf Fehler und Unstimmigkeiten im Entwurf der DIN 919 hinzuweisen. Vielleicht würde dann der eine oder andere getreue DIN-Fanatiker, wie im Entwurf vorgesehen, an die eingefälzte 6 mm dicke Rückwand einen Anleimer vorsehen (Seite 34, E DIN 919) oder Anleimer so ausfälzen, dass man auch die Art der Trägerplatte erkennen kann (Bild 50, E DIN 919). Ganz zu schweigen von den Beispielzeichnungen.
Letztlich gilt bei der Rechtsverbindlichkeit von DIN-Normen: »Die Anwendung ist grundsätzlich freiwillig. DIN-Normen werden erst verbindlich durch Bezugnahme, z. B. in einem Vertrag oder in Gesetzen und Verordnungen. DIN-Normen richten sich an Fachleute. Deshalb muss jeder Anwender so viel Sachverstand haben, dass er die Verantwortung für sein Handeln selbst übernehmen kann.« Also, lassen wir doch in dieser Frage mehr Sachverstand walten!

Wolfgang Nutsch

Ach So!

Dipl.-Ing. im Fach Architektur, gelernter Tischler, Meister und Techniker. Der ehemalige Leiter der Fachschule für Holztechnik, Stuttgart, ist Verfasser zahlreicher Fachbücher. Von 1966 bis zur Pensionierung 1997 war er an der Stuttgarter Fachschule für Holztechnik in der Meister-, Techniker- und Gestalterausbildung tätigt.
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