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Leicht und dennoch sicher

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Leicht und dennoch sicher

Die Hochgeschwindigkeitsbearbeitung auf dem BAZ erhöht das Risiko, bei einem Werkzeugbruch unter Beschuss von Werkzeugbruchstücken zu geraten. Schutz bieten schwerere Schutzvorhänge, sie beschädigen jedoch das Werkstück. Das Stuttgarter Institut für Werkzeugmaschinen untersucht alternative Materialien.

Die DIN EN 848–3 »Sicherheit von Holzbearbeitungsmaschinen – Fräsmaschinen für einseitige Bearbeitung mit drehendem Werkzeug – Teil 3: NC-Bohr- und Fräsmaschinen« ist jetzt überarbeitet und berücksichtigt die Gefahren höherer Werkzeugdrehzahlen. Schutzvorhänge müssen damit Beschussprüfungen mit einem 100-g-Projektil bei 70 m/s standhalten.

In einem bereits abgeschlossenen, von der Stiftung Industrieforschung geförderten Forschungsvorhaben hat sich das Institut für Werkzeugmaschinen der Universität Stuttgart (IfW) mit konventionellen Weich-PVC-Lamellenvorhängen befasst. Diese bieten jedoch nicht den aktuell geforderten Schutz und beschädigen außerdem das Werkstück. Jetzt untersuchen das IfW und das Institut für Textil- und Verfahrenstechnik (ITV) Denkendorf die Tauglichkeit von alternativen, textilbasierten Vorhängen. Das Forschungsprojekt läuft im Programm zur Förderung der »industriellen Gemeinschaftsforschung« (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Träger ist das Forschungskuratorium Maschinenbau im VDMA. Die Arbeitsgemeinschaft industrielle Forschungsvereinigungen (AiF) finanziert das Projekt.
Weich-PVC versagt
Eine erhöhte Rückhaltefähigkeit ist bei konventionellen PVC-Vorhängen nur durch eine Erhöhung der Lagenanzahl zu erreichen. Dies geht jedoch mit einer Versteifung des Vorhangs einher, sodass die anstoßenden Schmalkanten das Werkstück beschädigen. Gesucht sind also leichte und nachgiebige Lamellen, die ein 100 g schweres und 70 m/s schnelles Projektil sicher aufhalten. Hierfür eignen sich hochfeste Textilien. Sie bieten ein hohes Rückhaltevermögen und sind gleichzeitig sehr nachgiebig. Der Wermutstropfen: Sie verschleißen sehr schnell. Abhilfe schaffen Beschichtungen. Beschichtete Textilien neigen jedoch dazu, an den Kanten auszufransen. Das IfW untersucht derzeit diverse Trägermaterialien in Verbindung mit verschiedenen Beschichtungen hinsichtlich der Rückhaltefähigkeit, der Werkstückkantenbeschädigung und des Verschleißverhaltens.
Beschichtete Textilien
Die überarbeitete Norm schreibt vor, dass das Projektil bei der Beschussprüfung eine Ebene, die 400 mm hinter dem Vorhang angeordnet ist, nicht durchqueren darf. Beim Beschuss eines konventionellen Weich-PVC-Lamellenvorhangs halten viele Lamellen gemeinsam das Geschoss auf. Bei den Textilvorhängen erledigen das nur die mittig angeordneten Lamellen. Die im Vergleich zu Weich-PVC geringere Biegesteifigkeit sowie das niedrigere Flächengewicht führen zum Umschlingen und somit auch zum Umlenken des Projektils. Der Flugverlauf eines Projektils während und nach Verlassen des Vorhangsystems ist in den Hochgeschwindigkeitsaufnahmen rechts oben dargestellt. Diese Aufnahmen ermöglichen mittels Punktverfolgung, die Restgeschwindigkeit und den Abflugwinkel zu berechnen. Zum Bestehen der Beschussprüfung sollte der Winkel w größer als 90° sein. Das IfW hat in vorangegangenen Untersuchungen bei PVC-beschichteten Aramidfasergeweben eine hohe Rückhaltefähigkeit nachgewiesen. Jedoch weisen diese relativ teuren Materialien ein nicht zufriedenstellendes Verschleißverhalten auf. Nach bereits einem Jahr Praxiseinsatz wäre das Material soweit ausgefranst, dass die freiliegenden Fasern sich am Werkstück verhaken und es beschädigen oder verschieben. Dies ist das Ergebnis eines Tests, bei dem der Vorhang immer wieder mit definierten Bewegungsrichtungen und Vorschubgeschwindigkeiten von 15 bis 70 m/min gegen ein Werkstück gefahren wird.
Kritisch bezüglich ihres Abriebverhaltens sind die Schmalkanten des Lamellenvorhangs zu beurteilen. Das Bild rechts unten zeigt das bereits angesprochene Ausfransen am Beispiel eines hochfesten Airbaggewebes mit einer Silikonbeschichtung. Die Vorschubgeschwindigkeit bei den hier durchgeführten Versuchen betrug 70 m/min. Das Vorhangsystem besteht aus 20 Lagen mit einer Materialdicke von 0,45 mm und einem Flächengewicht von 380 g/m2. Deutlich zu erkennen ist hier ein fortschreitendes Ausfransen der Lamellenkante. Aktuelle Untersuchungen zeigen jedoch auf, dass sich mit verschiedenen Kantenversiegelungen eine deutliche Verbesserung erzielen lässt.
Schonend und sicher
Durch Textilien lässt sich ein ausgezeichnetes Rückhaltevermögen von Schutzvorhangsystemen realisieren, sodass ein 100-g-Projektil mit einer Beschussgeschwindigkeit von 70 m/s sicher zurückgehalten werden kann. Weiter zeichnen sich die innovativen Schutzvorhangsysteme durch einen äußerst schonenden Werkstückkontakt aus. Die entwickelten textilbasierten Schutzvorhangsysteme tragen somit einen entscheidenden Beitrag zum anwendungsgerechten Arbeitsschutz des Maschinenbedieners bei. Jedoch bedarf es noch weiterer Forschungsarbeiten, wie beispielsweise hinsichtlich der Verbesserung des Ansaugverhaltens der sehr leichten Lamellen.
Prof. Dr.-Ing. Uwe Heisel und Dipl.-Ing. Vincenzo Forcillo, Institut für Werkzeugmaschinen an der Uni Stuttgart

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