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Kleiner mit großen Möglichkeiten

Technik
Kleiner mit großen Möglichkeiten

Taugt ein mobiles Kantenanleimgerät tatsächlich für den Alltag in einer Tischlerwerkstatt? An der Fachschule Holztechnik & Gestaltung in Hildesheim ist man der Frage nachgegangen, ob Handhabung und Kantenqualität professionellen Ansprüchen genügen.

Hermann Sielaff, Fachschule Holztechnik & Gestaltung Hildesheim

Das mobile Kantenanleimgerät »Goliath« der Samstag International AG (www.samstag-international.com) arbeitet nach folgendem Prinzip: Das Beschichtungsmaterial wird grob abgelängt und in das Gerät eingeführt. Dabei wird Schmelzkleber auf die Rückseite aufgetragen, während eine Gummiwalze für einen kontinuierlichen Vorschub der Kante sorgt.
Handgeführt oder stationär
Für den Test machten sich die angehenden Holztechniker zunächst mit den Details des Geräts vertraut. Die erforderlichen Voreinstellungen waren einfach zu verstehen und leicht vorzunehmen. Die üblichen Parameter wie Kantendicke, Kantenhöhe und Klebermenge sind über Rändelschrauben justierbar. Dabei ist zu beachten, dass die Bauteile des Schmelzklebegerätes sehr heiß werden können!
Es erwies sich als sinnvoll, eine Anwärmzeit von zirka zehn Minuten in die Arbeitsplanung einzukalkulieren. Dies gilt auch dann, wenn Kleber nachgefüllt werden muss. Insbesondere bei langen Arbeitsplatten ist das zu beachten, weil der Klebervorrat – um ein Verkochen des Leimvorrates zu verhindern – nicht gerade üppig dimensioniert ist.
Das Gerät kann dann entweder von Hand am Werkstück entlang geführt werden, wobei die Gummiwalze dem Andruck der Kante an die Platte dient und gleichzeitig die Vorschubgeschwindigkeit vorgibt. Die zweite Möglichkeit besteht darin, das Gerät stationär in einen Arbeitstisch einzubauen. Dafür hat die Arbeitsgruppe eine eigene, pfiffige Lösung entwickelt. Die Tischoberfläche besteht aus einem Lochraster, in das man beliebig Kugelrollen einlegen kann, womit ein sicheres und bequemes Führen der Werkstücke erreicht und gleichzeitig der untere Kantenüberstand definiert wird. Für das Arbeiten mit handgeführtem Gerät ist der Tisch mit Vakuumsaugern ausgestattet. Er verfügt über Tablare für die Aufbewahrung von Rollenware und einen seitlich angebrachten Klapptisch zum Abstellen des Gerätes. Schließlich dient er noch als Transportkiste, die das Gerät und sämtliches Zubehör aufnimmt.
Entdecke die Möglichkeiten
Welches Verfahren (handgeführtes Gerät oder handgeführtes Werkstück) gewählt wird, hängt von Form und Größe der Werkstücke sowie von den Vorlieben der Mitarbeiter ab. In unserer Testreihe wurde die Tischvariante mit geführtem Werkstück klar bevorzugt. Vielleicht, weil man es vom Arbeiten an Kreissäge und Tischfräse so gewohnt ist. Für die Qualität des Arbeitsergebnisses ist die Wahl des Verfahrens nicht entscheidend.
Außenradien ab 40 bis 50 mm sind je nach Biegesteifigkeit des Kantenmaterials leicht zu beschichten. Bei Innenradien kleiner als 150 mm bei einem Viertelkreis gibt es Kollisionen mit Geräte-Bauteilen. Ist der Kreisausschnitt kleiner als ein Viertelkreis, sind sogar noch kleinere Innenradien möglich. Auch das Bekanten einer Innenecke stellte sich als unproblematisch heraus. Man lässt die Kante von der Vorschubwalze in die Ecke einlaufen und startet dann die Vorschubbewegung. Ein sofortiges Andrücken des Anfangs sichert die Verklebung.
Rundum mit Stoß
Spannend bis zur letzten Minute ist die Rundumverleimung mit Stoßfuge. Man beginnt mit einem exakt winklig gekappten Ende eines Kantenstranges, der allerdings eine Überlänge von 50 bis 60 mm haben sollte. Die runde Tischplatte (oder sonstige geschlossene Kontur) wird in einem der beiden Verfahren mit dieser Kante beschichtet, wobei die letzten 5 bis 6 cm nicht angedrückt werden. Da der Streifen aber durch die Kleberauftragseinheit gelaufen ist, ist er vollständig mit Schmelzkleber beschichtet. Nun muss der Kleber kurz abkühlen, bevor man die Stoßfuge genau zuschneiden kann. Hierfür haben wir erfolgreich eine spezielle Kappvorrichtung der Firma Rehau eingesetzt. Etwas Übung vorausgesetzt, wird über einen Anschlag der Anfang des Umleimers ertastet und somit die Lage des Endschnittes definiert. Nun wird mit einem kräftigen Druck auf die Griffe des Gerätes die Kappung vollzogen. Bevor das letzte Ende der Kante angeleimt wird, sollte der Stoß kontrolliert und ggf. nachgeschnitten werden. Jetzt muss einfach der noch lose Endbereich des Umleimers auf der Innenseite mit einem Heißluftgerät erwärmt werden, um den Schmelzkleber zu reaktivieren. Dann wird die Kante mit einem Reibklotz aufgerieben.
Bei der Herstellung der unzähligen Musterstücke tauchten immer wieder zwei kleinere Probleme auf.
Worauf man achten muss
Erstens: Der Goliath wurde im Auslaufbereich der Kante häufig mit Schmelzkleber verunreinigt. Wiederholtes Einsprühen mit Trennmittel ist daher unabdingbar und erleichtert die Reinigung. Zweitens: Bei bestimmten Plattendicken gab es Probleme mit der Leimspur. Verantwortlich dafür sind laut Hersteller Verdickungen auf der Auftragswalze, die das Einwickeln dünner Kantenmaterialien verhindern sollen.
Durch das Verstellen der Führungsplatte können die entstehenden Leimlunker immerhin in der Höhe verändert werden. Alternativ kann man werkseitig die Walzen so anordnen lassen, dass es bei den am häufigsten verwendeten Dicken keine Probleme gibt. Die Standarddicke sollte dem Hersteller im Vorfeld mitgeteilt werden.
Das Bündigarbeiten und Profilieren der Kantenüberstände kann natürlich konventionell mit Tischfräse am Anlaufring (Problematisch wegen des Überstandes unten) oder mit Handoberfräsen erfolgen. Beim Bündigfräsen von 2 mm dicken ABS-Kanten ergaben sich allerdings absaugtechnische Probleme: Schnell waren die Absaugstutzen verstopft, und der Mitarbeiter wurde mit elektrostatisch geladenen Späneteilchen beflockt. Deshalb haben wir zusätzlich Handgeräte zum Bündigschneiden und Profilieren ausprobiert (Hersteller: Rehau). Auch hier spielt wieder die Geschicklichkeit des Anwenders eine ausschlaggebende Rolle. Wenn diese vorausgesetzt werden kann, erzielt man sehr gute Ergebnisse mit den Geräten.
Fazit: … das Geld wert
Unter dem Strich steht das getestete Kantenanleimgerät in einem sehr guten Preis-Qualitäts-Leistungs-Verhältnis. Kantenmaterialien (ABS, Melamin, HPL und Furnier) von 15 bis 45 mm Höhe und 0,3 bis 2 mm Dicke decken den üblichen Bereich ab. Die Arbeitsergebnisse sind, Geschicklichkeit und Sorgfalt vorausgesetzt, sehr zufrieden stellend und das Ganze ist auch noch im Handgepäck transportierbar. Bei einem Preis von rund 2200 Euro zzgl. MwSt. ist der Goliath nicht nur für Kleinstbetriebe interessant, sondern auch für Betriebe mit BAZ und Durchlaufkantenanleimmaschine, wenn dort Formteile schmalseitig beschichtet werden sollen und das BAZ dafür nicht ausgerüstet ist.

Drei Mann, ein Goliath

Die angehenden Holztechniker Christian Irkens, Steffen Wiehe und Hinrich Rörup haben im Rahmen ihrer Technikerarbeit das mobile Kantenanleimgerät Goliath getestet. U. a. bauten sie einen Arbeitstisch, mit dem das Gerät stationär verwendet werden kann.
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