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»Immer alles, was geht!«

Technik
»Immer alles, was geht!«

Eigentlich wollte Jörn Kathmeyer nur die VOC-Produkt-Verordnung umsetzen. Im Nachhinein hat der Wechsel vom 2-K-PUR- zum 1-K-Wasserlack der Treppenbautischlerei viel mehr gebracht als nur verordnungskonforme Produkte.

Vor zwei Jahren stand für Jörn Kathmeyer auf einmal fest: »Mit einem 2-K-PUR-Lack kann ich in meiner Treppenbautischlerei in Ritterhude bei Bremen nicht mehr weiterarbeiten.« Es gab Beschwerden und sogar eine Anzeige aus der Nachbarschaft wegen Geruchsbelästigung. Zudem galt es auch, die ChemVOCFarbV (VOC-Produkt-Verordnung bzw. die deutsche Umsetzung der europäischen Decopaint-Richtlinie) einzuhalten, die den Lösemittelanteil von Lacken für Gebäude begrenzt.

70 Treppen im Jahr
Mit zwei Tischlergesellen und zwei Lehrlingen baut der Tischlermeister nicht nur etwa 70 Wangentreppen im Jahr, sondern auch Möbel und Inneneinrichtungen. Jörn Kathmeyer konstruiert seine Treppen mit der Software »Compass«, bringt die 1:1-Plots der Wangen und Stufen mit Sprühkleber auf die Werkstücke und führt alle Bearbeitungen mit konventionellen Maschinen und Handmaschinen aus (siehe »Orthogonal zwangsgeführt«, Seite 46).
Jörn Kathmeyer machte sich auf die Suche nach einer sinnvollen Alternative zum Lösemittellack. Neben dem eigentlichen Ziel der VOC-Reduzierung offenbarten sich mit der Zeit erhebliche Potenziale zur Steigerung der Arbeitseffektivität, zur Verkürzung der Durchlaufzeit und für die Einsparung von Lack, Lösemittel und Kosten. Zunächst testete er verschiedene Hybridsysteme, dann die Wasserlacke aller namhaften Hersteller. In der Verarbeitbarkeit überzeugten ihn nur zwei Wasserlacke: »Unter der Berücksichtigung von Glanzgrad, Farbe und Anfeuerung fiel dann meine Entscheidung ganz klar auf ein Wasserlacksystem aus dem Hause Oli Lacke. Für die Klarlackierung spritzen wir jetzt dreimal den Treppenlack Oli-Aqua Modu T 1K/2K 18.32. Farbige Teile füllern wir ein- bis zweimal mit Oli-Aqua 15.88 und lackieren dann mit dem Oli-Aqua Modu B 1K/2K Buntlack.«
Gleichmäßiger Film ohne Läufer
Bastian Flehmer vom Oli-Außendienst kam damals in die Werkstatt und hat den thixotropen Wasserlack empfohlen, weil sich damit stehende beziehungsweise hängende Werkstücke allseitig lackieren lassen. Der Lack verhält sich beim Spritzen sehr dünnflüssig, sodass er zu einem gleichmäßigen Film verläuft. Dann erhöht sich die Viskosität des Lackfilms schlagartig und es können auch bei senkrechten Flächen keine Läufer entstehen. »Die thixotrope Viskosität ist für uns genial, jetzt geben wir beim Spritzen immer alles, was geht, sodass wir auch auf der senkrechten Fläche die im Treppenbau geforderte Lackschichtdicke von 90 µm in drei Spritzgängen spielend erreichen,« sagt Jörn Kathmeyer.
Modulares Lacksystem
Das Lacksystem ist modular aufgebaut und lässt sich für besondere Beanspruchung mit einem Härter verbessern. Damit kann der Treppenhersteller beispielsweise für die öffentliche Hand Treppen mit erhöhter Beständigkeit gegen Abrieb oder Chemikalien erzeugen.
Wasserlacke bringen auch Nachteile mit sich: einen erhöhten Schleifaufwand, weil sich die Fasern mit Wasser stärker aufrichten als mit Lösemitteln, sowie ein kurzzeitiges leichtes Quellen der äußeren Holzschicht. Obwohl sich der Lack bereits nach 1,5 Stunden schleifen und überlackieren lässt, teilt sich die Tischlerei die Arbeit möglichst so ein, dass die erste Lackschicht über Nacht trocknen kann. In dieser Zeit hat sich das Wasser entweder verflüchtigt oder gleichmäßig über den Holzquerschnitt verteilt. Weiterhin ist bei Wasserlacken darauf zu achten, dass die Spritzgeräte aus Edelstahl bestehen, um Korrosion zu vermeiden. Jörn Kathmeyer ließ seine beiden älteren Geräte vom Airless-Pumpenhersteller Wagner (www.wagner-group.com) umrüsten.
Rundherum in einem Gang
Mit dem alten 2-K-PUR-Lack war das Lackieren ein sehr mühseliges Geschäft, zum einen, weil sich in einem Spritzgang immer nur eine Fläche samt Schmalflächen spritzen ließ. Vor dem Lackieren der zweiten Seite musste Jörn Kathmeyer oder sein Mitarbeiter dann das Teil vorsichtig in den Hordenwagen legen und es für zwei bis drei Stunden trocknen lassen. Zum anderen erforderte der hohe Lösemittelanteil von etwa 70 Prozent höhere Auftragsmengen, um die gewünschte Schichtdicke zu erreichen. Mit dem Wasserlack ist der Lackverbrauch um 20 Prozent gesunken.
Bastian Flehmers Lackiervorführung überzeugte Jörn Kathmeyer und inspirierte ihn, ein Hängefördersystem an die Decke zu montieren. Es besteht aus Profilschienen mit Rollwagen, genauso wie bei einem Schiebetürbeschlag. Aus geraden und gekrümmten Elementen sowie zwei Weichen setzte er einen Kreis mit Bypass zusammen. Die Komponenten aus dem Hause Polzer (www.polzergmbh.de) ersteigerte Kathmeyer für 600 Euro bei Ebay. Von einem Schlosser ließ er sich Haken zum Aufhängen der Stufen und Wangen anfertigen.
Ein Konstruktionsmerkmal der Kathmeyer-Treppe, 25-mm-Bohrungen an der Stufenunterseite zum Verschrauben der Stufen mit der Wange, erleichtert das Aufhängen. Nach der etwa acht Meter langen Trockenstrecke führt das Fördersystem an einem abgesaugten Arbeitstisch für den Lackzwischenschliff vorbei. »Das Fördersystem erleichtert das Handling und gibt die Fertigungsreihenfolge vor. Das beschleunigt die Arbeit.« Die Länge der Trockenstrecke ist auf die Aushärtezeit von etwa 1,5 Stunden ausgelegt. Der Lack fordert eine Mindesttemperatur von 16 °C. Normalerweise ist der Lackraum täglich etwa 1,5 Stunden in Betrieb. Wenn mal mehr zu lackieren ist, lässt sich der Spritzraum auf bis zu 35 °C aufheizen, was die Durchlaufzeit erheblich verkürzt.
Positive Kundenresonanz
Auf die Frage, wie der Wasserlack bei der Kundschaft ankommt, sagt der Tischlermeister: »Die Anfeuerung des Holzes ist im Vergleich zum PUR geringer. Das ist für mich aber kein Problem, weil meine Kunden das offensichtlich so auch schöner finden. Für die Liebhaber der warmen Holztöne können wir den Lack mit etwas Wasserbeize einfärben. Als wir kürzlich eine Partie extrem scheckiger Buche verarbeitet haben, stellte sich heraus, dass selbst der nicht eingefärbte Wasserlack die Farbunterschiede ein wenig egalisiert.«
Weitere praktische Vorteile
Für den neuen Lack sprachen weitere sehr praktische Gründe: Es gibt nichts zu mischen oder anzurühren. Damit gibt es auch nicht mehr das Problem mit der offenen Zeit. »Vorher mussten wir genau abschätzen, wie viel Lack wir benötigen, damit wir nicht auf den teuer zu entsorgenden Resten sitzen bleiben«, sagt Jörn Kathmeyer. Jetzt steckt der Rüssel des einen Airless-Gerätes im Lackkanister, der andere im Füllerkanister. Die Pistolen liegen stets einsatzbereit mit der Düse in einem Topf mit Verdünnung. »Jederzeit können wir die Airless-Pumpen einschalten und spritzen, ohne vorher oder nachher die Pistolen zu reinigen. Bei unserem 2-K-PUR-Lack mussten wir nach dem Spritzen stets die Schläuche mit Verdünnung leerfahren und die Pistolen reinigen. Jetzt reicht es, die Pistolen gelegentlich gründlich zu reinigen«, lobt Jörn Kathmeyer den neuen Komfort.
Zeit und Material eingespart
»Insgesamt ist das Lackieren mit dem neuen Lack viel unkomplizierter geworden. Jetzt kann ich das sogar die Lehrlinge machen lassen. Mit der Umstellung erzielten wir eine Lackeinsparung von etwa 20 Prozent und eine Arbeitszeiteinsparung von ebenfalls 20 Prozent. Unser Verbrauch an Verdünnung ist sogar um 80 Prozent zurückgegangen«, resümiert Jörn Kathmeyer. GM
»Jetzt lackieren wir rundherum in einem Gang. Das Mischen vorher und das Reinigen nachher entfallen!«
Jörn Kathmeyer

Adressen
Lackhersteller: Oli Lacke GmbH, 09244 Lichtenau, Tel.: (037208) 84-0, Fax: -382, www.oli-lacke.de
Anwender: Kathmeyer Treppenbau GmbH 27721 Ritterhude, Tel.: (04292) 3108, Fax: 40636, www.kathmeyer.de

Kompakt Oli-Aqua Modu T 1K/2K 18.32
Oli-Aqua Modu T 1K/2K 18.32 ist ein transparenter, schnell trocknender Wasserlack für die abriebfeste Beschichtung von Treppen, Holzgeländern und Handläufen. Er zeichnet sich durch eine sehr gute Holzanfeuerung, elegante Porenzeichnung und Lichtechtheit aus. Durch seine thixotrope Rheologieeinstellung ist er bestens für hängende Holzbauteile geeignet. Um die Beständigkeit gegen Abrieb und Chemikalien zu erhöhen, lässt sich der Lack optional mit dem Härter 13.5 im Verhältnis 10:1 aufwerten.
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