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Genug Wind um Staub

Technik
Genug Wind um Staub

Absaugprobleme lassen sich in der Regel nicht effektiv über eine Erhöhung der Absaugleistung lösen. Es gibt jedoch verschiedene Ansätze, wie sich Staub und Späne auch ohne viel Wind einfangen lassen. Forscher vom Institut für Werkzeugmaschinen an der Universität Stuttgart zeigen verschiedene Möglichkeiten.

Zur Beseitigung der Späne müssen die Anwender von Holzbearbeitungsmaschinen oft einen erheblichen manuellen Aufwand betreiben. Holzstaub, besonders von Eiche und Buche, gilt als krebserregend. Der vermehrte Einsatz der Hochgeschwindigkeitsbearbeitung verschärft die Problematik, weil gegenüber der Bearbeitung mit niedrigeren Drehzahlen mehr Spangut anfällt, das darüber hinaus auch über höhere kinetische Energie verfügt.

Problemfaktor Flugverhalten
Ursache der bislang nicht zufriedenstellenden Späneerfassung ist nicht allein die allgemein an der Zerspanungsstelle realisierbare durch die Aufweitung des Haubenquerschnitts geringe Absaugluftgeschwindigkeit, sondern auch das Flugverhalten des Späne- und Staubstrahles.
Die fliegenden Spänepartikel reißen Luft und Staub mit und entwickeln eine eigene Strömungsgeschwindigkeit. Trifft dieser Spänestrahl in steilem Winkel auf ein Hindernis, z. B. eine Innenwand der Absaughaube, kommt es zur Reflexion und Streuung des Strahls. Dies ist eine der Hauptursachen der bislang nicht zufriedenstellenden Erfassung des Spangutes. Trifft der Spänestrahl hingegen flach auf eine Fläche auf, kann eine deutliche Bündelung und Lenkung erreicht werden, die zu einer optimalen Ausrichtung des Spänestrahls in die Absaugung genutzt werden kann (Abb. 1).
Mehr Luft löst Problem nicht
Die Steigerung der Absaugleistung ist uneffektiv. Sie verursachtet lediglich erheblichen Energie- und Kostenaufwand sowie erhöhte Lärmemissionen. Erfolgversprechende Maßnahmen sind z. B.:
  • temporäre Abdeckung von Öffnungen zum Einlauf des Werkstücks
  • flexible, sich selbst dem Werkstückprofil anpassende Hauben
  • Vermeidung von Falschluft,
  • Nutzung der kinetischen Energie des Spangutes
  • Spanleitelemente
  • wirksame Spanbremsen
  • Zweistufenprinzip (Späne abbremsen; Späne erfassen)
Ein Problemfeld stellt das Reinigen der Werkstücke dar. Mit Spänen und Staub beladene Werkstücke werden oft durch Abblasen mit Druckluft von den Bedienern gereinigt. Messungen haben gezeigt, dass durch solche Reinigungsarbeiten höhere und unzulässige Feinstaubkonzentrationen entstehen als beim eigentlichen Zerspanungsprozess. Daraus lässt sich ableiten, dass eine Reinigung automatisiert und nicht von Hand immer im möglichst gekapselten Maschineninneren stattfinden sollte.
Vielfältige Maßnahmen
Prinzipiell kann in passive und aktive sowie primäre und sekundäre Maßnahmen unterschieden werden. Während Sekundärmaßnahmen aus beispielsweise verbesserten Staub- und Spänefangelementen bestehen oder eine Teil- und Vollkapselung der Maschine bei einer Erhöhung der Absauggeschwindigkeit beinhalten, fokussieren Primärmaßnahmen auf die Bearbeitungsparameter und die Werkzeuggestaltung.
Dichtungen für mehr Effizienz
Als Dichtprinzipien können ebenfalls passive wie aktive Elemente zum Einsatz kommen. Bürsten (ruhend als Leisten oder Lamellen, rotierend als Bürstenwalze), Sperrblenden sowie Rund- und Schlitzdüsen zur Einbringung von Druckluft in den Dichtspalt wurden bereits erfolgreich eingesetzt. Auch andere Dichtelemente, wie Weichschaumkörper in Kombination mit aktiven Elementen (rotierende Bürsten, zusätzliche Druckluftschleier) verbessern die Absaugeffizienz erheblich. Neben Sperrelementen kann auch gerichtete Spülluft die Späneabfuhr verbessern. Gestaltungsrichtlinien für eine optimale Absaugung lassen sich nicht universell für unterschiedliche Maschinentypen formulieren. Eine nachträgliche Auf- oder Umrüstung der Maschinen ist häufig mit erheblichem Aufwand verbunden. Deswegen sollten folgende Kriterien schon bei der Konzeption einer spanenden Werkzeugmaschine Berücksichtigung finden:
  • Absaugung nahe des Entstehungsortes
  • Geführte Zuluft (Blas- und Saugströmung)
  • Absaugung im Maschinenraum sowohl am Werkstück als auch am Maschinenboden
  • Reinigung der Werkstücke
Saubere Werkstücke gefordert
Die Reinigung von Werkstücken und Maschinen gewinnt zunehmend an Bedeutung. Der Einsatz der Vakuumspanntechnik, die Stapelbarkeit der Werkstücke sowie der automatisierte Werkstückfluss setzen saubere Maschinen und Werkstücke voraus. Die Gründe für eine verbesserte Späne- und Staubentsorgung sind ebenso vielfältig, wie die Maßnahmen, die bis jetzt zur Verbesserung ergriffen wurden. Im Folgenden sollen Beispiele erfolgreich umgesetzter Maßnahmen am Werkzeug, der Absaugeinrichtung sowie am Maschinenkonzept aufzeigen, wie die Späne- und Staubemission im modernen Fertigungsumfeld gesenkt werden können.
Maßnahmen am Werkzeug. Besonders problematisch ist die Späneerfassung beim Fräsen mit voller Werkzeugbreite (Nuten, Nesting-Verfahren). Hier spielt die Auswurfrichtung der Späne am Werkzeug eine entscheidende Rolle (Bild 2). Durch eine verbesserte Gestaltung des Werkzeugs kann der Spänestrahl deutlich optimiert werden. Die Schneiden sollen bei HSC-Werkzeugen vorwiegend nach oben gerichtet angeordnet sein. Dadurch wird der Spänestrahl ebenfalls nach oben gerichtet (Abb. 2 und 3). Schneiden, die in entgegengesetzter Richtung orientiert sind, sollen versetzt und mit einem großen axialen Abstand angeordnet werden.
Richtung bestimmen
Dadurch liegen die Spänestrahlen der einzelnen Schneiden in unterschiedlichen Ebenen und können nur wenig Einfluss aufeinander ausüben. Besonders in thermografischen Aufnahmen kann die Struktur und Richtung von Spänestrahlen sichtbar gemacht werden. Diese Aufnahmen eignen sich sehr gut zur Optimierung der Werkzeuge hinsichtlich des Späneauswurfs.
Maßnahmen an Absaugeinrichtungen. Eine geringe Geschwindigkeit der Absaugluft unmittelbar am Werkzeug verhindert eine ausreichende Späneerfassung. Um bei gleicher Absaugleistung dennoch ausreichend abzusaugen, kann die kinetische Energie des Spänestrahls genutzt werden. Ein prinzipieller Lösungsweg, der bereits in vielen Fällen zum Erfolg geführt hat, ist der Einsatz von Reflektoren, die die Späne in die gewünschte Richtung lenken (Abb. 4).
Mit Eigenenergie einfangen
Der fächerförmige Spänestrahl wird über die Kaskade von Reflektoren in eine verhältnismäßig große Öffnung eines trichterförmigen Erfassungselementes gelenkt. An der dünnsten Stelle, dem Absauganschluss, soll mindestens eine solch große Luftgeschwindigkeit vorherrschen, die zum Weitertransport der Späne unbedingt erforderlich ist. Zusätzlich versperren labyrinthartig angeordnete Hindernissen den Spänen den Weg, den die zuströmende Luft nimmt. Bei einem Aufprall auf ein solches Hindernis werden die Späne zurückgeschleudert und vom Luftstrom erfasst.
Maßnahmen am Maschinenkonzept. Bei Fünf-Achs-BAZ arbeitet das Fräswerkzeug praktisch aus allen Richtungen in unterschiedlichster Zuordnung zum Werkstück. Der Späneflug erfolgt demgemäß in den gesamten Maschinenraum, anliegende Absaughauben können nicht installiert werden. Um diese unbefriedigende Situation zu beheben, wurde in einem Forschungsprojekt das Konzept Raumentsorgung (Abb. 5) untersucht, wobei folgende Schritte umgesetzt wurden: Realisierung der Raumentsorgung, Kapselung des Aggregats und Integration der Spülluft zur Reinigung, Minimierung des Absaugluftstroms. Das Raumentsorgungskonzept wird durch Spülluft unterstützt, um das Maschineninnere zu reinigen. Damit Staub nicht aus den technologisch erforderlichen Öffnungen austreten kann, muss die Maschine so gekapselt werden, dass durch die angeschlossene Absaugung ein leichter Unterdruck in der Kabine entsteht. Dadurch strömt ein Luftstrom durch die notwendigen Öffnungen von außen in die Kabine ein und verwehrt damit Staub den Austritt aus der Kapselung. Kapselung und Absaugung wurden so konzipiert, dass zusätzlich der bisher benötigte Abluftstrom reduziert werden kann, um die Betriebskosten der Anlage zu senken. Die Prototypenversuche zeigen, dass durch die Kombination der verschiedenen Maßnahmen eine automatische Späneerfassung und -entsorgung möglich ist. Die Kapselung der Bearbeitungskabine und der Einbau von Luftdüsen ermöglichen eine Maschinenreinigung im Inneren bei gleichzeitiger Vermeidung von Verschmutzungen im Maschinenumfeld. Die benötigte Luftmenge sowie Maßnahmen zu deren Minimierung wurden untersucht und umgesetzt.
Die Staubemission liegt bei dem untersuchten Prototyp um den Faktor 20 unter dem zulässigen Grenzwert, bei halbiertem Absaugvolumenstrom und gleichzeitiger Abreinigung des Maschineninneren durch Druckluft. Somit entstand ein Fünf-Achs-Bearbeitungszentrum, das sich in seinen Eigenschaften hinsichtlich der Späne- und Staubemission, der Verschmutzung und der notwendigen Absaugleistung deutlich von den derzeitigen am Markt angebotenen Bearbeitungszentren unterscheidet.
Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. mult. Uwe Heisel, Prof. Dr.-Ing. habil. Johannes Tröger, Dipl.-Ing. Marco Schneider

Service Institut für Werkzeugmaschinen (IfW)
Das Institut für Werkzeugmaschinen der Universität Stuttgart betreibt mit über 30 wissenschaftlichen Mitarbeitern Forschungsvorhaben aus dem Bereich der Konstruktion und Optimierung von Holzbearbeitungsmaschinen. Zum Dienstleistungsspektrum gehört u. a. die Entwicklung von Staubentsorgungskonzepten für Holzbearbeitungsmaschinen.
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