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Für durchgängige Prozesse

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Für durchgängige Prozesse

Röthlisberger plant, fertigt und montiert Inneneinrichtungen für anspruchsvolle öffentliche und private Auftraggeber. Die Schweizer haben eine durchgängige CAD/CAM-Prozesskette auf Basis von TopSolid Wood aufgebaut, die die Projektabwicklung spürbar beschleunigt.

 

Michael Wendenburg, Fachautor für IT-Themen, Sevilla. Der Autor hat die Röthlisberger AG im Auftrag der Adequate Solutions GmbH besucht.

Die Schreinerei Röthlisberger wurde 1960 als Einzelfirma gegründet und, nach dem Umzug in den Neubau nach Schüpbach 1975, in eine AG umgewandelt, die seit 2014 unter dem Namen »Röthlisberger AG – Die Schreinermanufaktur« firmiert. Mit über 100 Mitarbeitern ist die Firma heute die größte Schreinerei im Kanton Bern, wenn nicht in der ganzen Schweiz, wie der technische Geschäftsführer und Sohn des Firmengründers Christoph Röthlisberger erzählt. Mehr als die Hälfte ihres Umsatzes von ca. 20 Millionen Schweizer Franken erwirtschaftet sie mit dem Innenausbau von Büro- und Verwaltungsgebäuden, Schulen, Krankenhäusern, Seniorenheimen, Hotels sowie Kultur- und Freizeiteinrichtungen. Zu den Vorzeigeprojekten gehört unter anderem das Maison de la Paix in Genf, das Hochschulzentrum VonRoll in Bern oder das Grand Hotel Alpina in Gstaad.
Grund für die Einführung eines 3D-CAD-Systems war, dass Röthlisberger zum Teil recht komplexe Inneneinrichtungen herstellt, die sich in 3D schneller konstruieren lassen. Dies umso mehr, als die Architekten oft schon 3D-Modelle der Gebäude liefern oder die Räumlichkeiten mit Hilfe einer 3D-Kamera aufgenommen werden können.
Schneller durch 3D-Konstruktion
Die Firma nutzt die Fotogrammetrie zum Beispiel, um Treppenhäuser optisch zu vermessen und in 3D nachzumodellieren, in die dann Brandschutzverkleidungen millimetergenau eingepasst werden. Dadurch hat sich der Anpassungsaufwand bei der Montage dramatisch reduziert, wie Samuel Röthlisberger sagt. »Die 3D-Konstruktion hat außerdem den Vorteil, dass man die Entwürfe besser visualisieren kann. Und für die Arbeiter an der Maschine ist dank der 3D-Ansichten auf der Zeichnung einfacher nachvollziehbar, wie das zu bearbeitende Teil aussieht.«
Um das Potential der 3D-Technologie ausschöpfen zu können, waren allerdings umfangreiche Vorarbeiten erforderlich. Der IT-Leiter verbrachte viel Zeit damit, 3D-Bibliotheken mit häufig verwendeten Elementen wie Seitenwänden, Türen, Einlegeböden, Schubladen etc. anzulegen und die Teile so zu parametrisieren, dass die Geometrie mit wenigen Eingaben angepasst werden kann. Auch Beschläge und andere Zukaufteile wie die Espagnolette-Verschlüsse wurden nicht als dumme 3D-Modelle in die Bibliotheken eingepflegt, sondern gleich mit Fertigungs-Know-how hinterlegt. »Wenn ich eine Espagnolette auf eine Tür lege, sitzen alle Bohrungen an der richtigen Stelle«, erläutert Samuel Röthlisberger. Das ist die Grundlage, um die Bohrprogramme hinterher weitgehend automatisch erzeugen zu können.
Strukturelle Vorarbeiten notwendig
Röthlisberger hat nicht nur Einzelteile, sondern auch komplette Baugruppen von Inneneinrichtungen konsequent parametrisiert, um sie bei neuen Projekten einfacher wieder verwenden zu können: »Die Abmessungen ändern sich, aber der Aufbau der Konstruktion bleibt der gleiche und die Möbel kommen mit denselben Details«, führt Samuel Röthlisberger weiter aus. »Wenn ich ein Bauteil einsetze, weiß es, wo es hingehört. Gleichzeitig sind zu jedem Teil die Elemente hinterlegt, die für die automatische Generierung von Maschinencode und Stückliste benötigt werden.«
Die Standardisierung bedeutet für die Anwender eine große Arbeitserleichterung und reduziert den Konstruktionsaufwand. Die Einsparung exakt zu quantifizieren, sei allerdings schwierig, meint Christoph Röthlisberger, weil das Unternehmen dynamisch wachse und in letzter Zeit viele neue Mitarbeiter eingestellt habe: »Die Planung kostet die gleiche Zeit wie früher, aber wir sind viel effizienter und sparen hinterher Zeit an der Maschine. Der Gesamtprozess hat sich bestimmt um 15 bis 20 Prozent verkürzt.«
Die Schreinerei arbeitet seit 2012 produktiv mit dem Programm TopSolid Wood von Missler. Die CAD-Software ist auf insgesamt 21 Arbeitsplätzen installiert und wird vorwiegend von den Projektleitern genutzt, auf deren Schultern heute auch die Verantwortung für die Erstellung der CNC-Programme ruht. Inzwischen arbeiten sie fast nur noch in 3D. Der hohe Automatisierungsgrad des neuen CAD/CAM-Prozesses hat dazu geführt, dass sich Aufgaben von der Werkstatt zu den Planern verlagert haben, wie Christoph Röthlisberger erläutert: »Wir erledigen heute mehr Arbeiten in der virtuellen Welt, um in der realen Welt weniger Fehler und eine bessere Qualität zu produzieren.«
TopSolid Wood wurde nicht auf der grünen Wiese installiert, sondern löste eine bestehende 2D-Anwendung mit gut funktionierender Anbindung an das ERP-System Triviso und einer Schnittstelle zum CNC-Programmiersystem WoodWop von Homag ab. Die Integration der neuen 3D-Software in die bestehende IT-Landschaft und der Aufbau einer durchgängigen Prozesskette waren eine »harte Nuss«, wie Samuel Röthlisberger einräumt.
Der Missler-Vertriebspartner AdeQuate Solutions aus Lahr programmierte für Röthlisberger eine Zusatz-Software, die als Verwaltungssystem dient und die Funktion einer Schnittstelle zwischen TopSolid Wood, ERP- und CNC-Programmiersystem übernimmt. Sie erlaubt den einfachen Zugriff auf die Zeichnungen bzw. CAD-Daten, die manuell oder automatisch an die Bearbeitungsmaschinen geschickt werden können. Außerdem werden aus den Zeichnungen die Stücklisten abgeleitet und an Triviso übergeben wie Samuel Röthlisberger erläutert: »Dadurch sorgt das Verwaltungssystem für einheitliche Arbeitsweisen und eine standardisierte Datenübergabe.«
CNC-Programmierung automatisiert
Die CNC-Programme für die Bearbeitung werden im Hintergrund erzeugt, in Abhängigkeit von den erforderlichen Operationen und den Möglichkeiten der Maschine, an der das Teil bearbeitet werden soll. Die entsprechende Logik hat AdeQuate Solutions in der Schnittstelle hinterlegt. Wenn z.B. eine Schrankwand an die schnelle Flächenbohrmaschine Weeke BHX 500 geschickt wird, die von oben und unten bohren kann, muss dafür nur ein Programm erzeugt werden. Welche Programme zu welchem Bauteil gehören, erkennt die Maschine anhand des Barcodes, den TopSolid Wood bei der Übergabe der Zeichnungen an die CNC-Programmierung ausgibt und der auf die Bauteile aufgeklebt wird.
Die Schreinerei nutzt für die CNC-Programmierung in der Regel WoodWop. TopSolid Wood verfügt über eine intelligente Schnittstelle, die es erlaubt, aus der CAD-Geometrie die Bohr- und Fräsoperationen abzuleiten, die im CNC-Programmiersystem dann in den Maschinencode übersetzt und entsprechend der Möglichkeiten der Maschine in ein oder mehrere CNC-Programme gruppiert werden. Die Maschinenbediener können die Zahl der erforderlichen CNC-Programme und damit auch die Rüstzeiten minimieren, indem sie ähnliche Teile z. B. um eine überflüssige Bohrung ergänzen, damit sie mit demselben Programm bearbeitet werden können.
CAM-Modul für komplexe Aufgaben
Um komplex geformte Einrichtungsgegenstände wie zum Beispiel Holzbadewannen oder -statuen herstellen zu können, hat Röthlisberger das CNC-Programmiersystem um zwei Lizenzen von TopSolid Wood Cam ergänzt. Diese integrierte CAM-Lösung von Missler dient dazu, die Möglichkeiten der Fünfachs-Simultanbearbeitung auf der Homag BMG 512 optimal auszuschöpfen. Sie unterstützt die assoziative Programmierung der Fräsbearbeitung, d.h. die erstellten CNC-Programme können bei Änderungen an der CAD-Geometrie einfach per Knopfdruck aktualisiert werden.
Zu den Stärken von TopSolid Wood CAM gehört die Visualisierung der Bearbeitung im virtuellen Maschinenraum und unter Berücksichtigung des Materialabtrags bzw. des stehen gebliebenen Restmaterials. »Sie versetzt den Anwender in die Lage, seine Bearbeitung visuell zu kontrollieren und dabei mögliche Kollisionen von Maschine und Werkzeugen mit dem Werkstück zu entdecken, bevor es auf die Maschine geht«, erläutert NC-Programmierer Stefan Vivian. AdeQuate Solutions passt gerade den Postprozessor an, um eine absolut zuverlässige Simulation der realen Maschinenbewegungen zu erreichen.
»TopSolid Wood deckt aber alle unsere Anforderungen ab«, fasst Samuel Röthlisberger abschließend zusammen. Der IT-Leiter ist gespannt, wie Softwareanbieter Missler das Programm in Zukunft weiter entwickelt. Das Thema vernetze Fertigung – Stichwort »Industrie 4.0« – wird zunehmend wichtiger. Die Funktionalität der betrieblichen Softwaretools spielt dabei eine zentrale Rolle.

Steckbrief

Anwender: Röthlisberger AG, www.schreinermanufaktur.ch
CAD/CAM: TopSolid Wood von Missler, www.missler.de (Anbieter) Adequate Solutions, www.adequatesolutions.com (Vetriebspartner)
ERP: Trivisio, www.trivisio.ch
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