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Alles auf einmal

EDV
Alles auf einmal

Plattenaufteilen, Oberfräsen sowie Bohren in die Fläche und die Schmalflächen – die Tischler bei Binder rühren die Werkstücke zwischen diesen Schritten nicht mehr an.

 

Die Tischlerei Binder in Bottrop beschäftigt vier Gesellen und arbeitete bis vor einem Jahr mit ganz normalen Tischlereimaschinen. Jan Binder und seine Schwester Julia Behrendt führen mit ihrem Vater Helmut das 1968 vom Großvater gegründete Unternehmen. Die Geschwister überlegten den Maschinenpark zu modernisieren und in eine liegende Säge und ein Bearbeitungszentrum zu investieren.

Jan Binder stieß bei seinen Recherchen auf das »Multi-Cut-Center« und informierte sich beim Hersteller Butzer Engineering Systems GmbH (BES) in Bad Eilsen über die Maschine und das damit verbundene »Nested Based Manufacturing«-Konzept (NBM). Es baut auf dem Nesting-Prinzip auf, bei dem die durch eine MDF-Platte hindurch festgesaugte Rohformatplatte mit einem Schaftfräser aufgeteilt wird und die Zuschnitte dann komplett weiterverarbeitet werden. Über die normale Nesting-Anwendung hinaus kann das Multi-Cut-Center auch stirnseitig bohren, ohne das Werkstück umzuspannen.
Automat für Möbelteile
Alle Einzelteile der zu fertigenden Möbel und Bauelemente werden nach Materialart zusammengefasst. Ein Computerprogramm fügt diese dann in eine oder mehrere Standardplatten zuschnittoptimiert ein. Das Multi-Cut-Center sorgt für alle Bohrungen in die Fläche und die Schmalflächen, für Nuten und Ausfräsungen, kurz: für alles, was sonst ein Bearbeitungszentrum macht. Schließlich setzt der Automat den Formatfräser ein und fräst alle Bauteile aus.
Alle Einzelteile liegen dann auf dem Tisch, darum herum Reststücke und Abfälle. Das Beschicken der Maschine sowie das Entnehmen der Werk-, Rest- und Abfallstücke ist mit nur einem Mitarbeiter leicht zu bewältigen. Die Komplettbearbeitung vieler Bauteile direkt in der flach aufgespannten Großplatte vermeidet Zwischenlagerung und doppeltes Handling wie bei den herkömmlichen Konzepten mit Säge und Bearbeitungszentrum.
Die betagte, stehende Plattensäge könnte bei Binder mit der Multi-Cut mittelfristig entfallen und den knappen Platz für andere Aufgaben freigeben. Das Multi-Cut-Center ist auch in der Lage, aus kleinen Reststücken ohne großen Programmieraufwand schnell ein oder mehrere Bauteile zu schneiden. Auch runde, schiefwinklige oder ausgeklinkte Möbelteile fertigt das Multi-Cut-Center ganz selbstverständlich mit anderen Bauteilen zusammen.
Ein Bediener, freie Ressourcen
Der wichtigste Vorteil liegt aber im kleinstmöglichen Personaleinsatz. Ein Mitarbeiter legt unter Nutzung eines Vakuumhubgerätes die gut fünf Quadratmeter große Halbformatplatte auf und startet das Bearbeitungsprogramm. Jetzt ist er frei für andere Aufgaben, er könnte zum Beispiel die Kantenmaschine bedienen. Das Multi-Cut-Center arbeitet parallel dazu ohne Personal weiter. Nach Schluss der Bearbeitung saugt die Maschine die Späne von den Werkstücken ab. Jetzt wird der Maschinenführer wieder aktiv. Er nimmt die fertigen Werkstücke und die Reststücke vom Maschinentisch. Dabei schiebt der Support die Restbelegung weiter nach vorne. Während die Maschine im Rückwärtsgang den Tisch absaugt, kann er die nächste Platte holen. Die Herstellung dieser Möbelteile hat den Maschinenführer nur für wenige Minuten beansprucht. In dieser kurzen Zeit hätte er nach der alten Methode nicht einmal alle ungleich großen Rohteile an der Plattensäge zugeschnitten. Die Fertigungszeit an einem BAZ bindet den Tischler zusätzlich für lange Zeit.
Mit den zu erwartenden Einsparungen konnten die Geschwister ihre Eltern Elisabeth und Helmut Binder für die Finanzierung gewinnen.
NBM und das Multi-Cut-Center haben üblichen Nesting-Lösungen die Fähigkeit voraus, auch horizontal in der Werkstückkante bohren zu können. Beim normalen Nestingverfahren lassen sich keine horizontalen Bohrungen einbringen, weil jeweils das Nachbarwerkstück dem Winkelbohraggregat im Weg steht. BES löst dieses Problem mit seiner eigenen Nesting-Software »BES-CAM«, die die Teile an den Stellen, wo horizontal Dübel einzubohren sind, um etwa 80 mm auseinanderrückt. Die Maschine fräst dann in die Lücke Taschen, in denen sich das von BES entwickelte besonders kleine Winkelaggregat bewegen kann. Um den Verschnitt gering zu halten, legt die Software möglichst viele Teile mit Dübellöchern an dieselbe Lücke. Oft führen diese Lücken nicht zu einem höheren Verschnitt, weil sich die ohnehin anfallenden Reststücke einfach vom Plattenrand in die Mitte verlegen lassen. Die Kosten für den Mehrverbrauch von Spanplatte liegen deutlich unter dem Arbeitsaufwand für das nachträgliche Bohren.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Energieverbrauch für die Erzeugung des Unterdrucks, mit dem die Platten auf die Schnittplatte gesaugt werden. BES setzt auf kleine Pumpen, die am Anfang einer Aufteilarbeit voll ausreichen. Der Maschinentisch ist in neun separat zu steuernde Vakuumfelder eingeteilt, der Aufteilauftrag wird deshalb feldweise abgearbeitet. Für jedes erledigte Feld sperrt ein Ventil die Luftströmung, so steht für den Restauftrag wieder die volle Vakuumleistung zur Verfügung. Die damit erreichte Energieeinsparung ist deutlich.
Neuer Betriebsablauf
Für die beiden jungen Geschäftsführer brachte diese fortschrittliche Fertigungstechnik eine weitere deutliche Änderung des Betriebsablaufes mit sich. Die Aufgabenstellung des NBM kann nur mit der geeigneten EDV-Lösung wirtschaftlich betrieben werden. Für den Innenausbauer Binder lieferte das Softwarehaus OS Datensysteme GmbH die durchgängige Computersoftware. Sie erstreckt sich von der Angebotsphase mit den heute schon üblichen realitätsnahen Darstellungen der angebotenen Lösungen, über die eigentlichen Korpuskonstruktionen mit der Stücklistenverwaltung, die Zuschnittoptimierung bis hin zur Maschinenanbindung mit Übergabe des CNC-Programmes. Den ersten Abschnitt, die Planung und Arbeitsvorbereitung beherrscht Tischlermeisterin Julia Behrendt. Sie stellt dem Betrieb die kompletten Daten zum Betrieb des Multi-Cut-Centers bereit. Die CNC-Bedienoberfläche zeigt den gesamten Aufteilungsauftrag an, der Maschinenführer hat immer die volle Kontrolle über den Maschineneinsatz und die notwendige Werkzeugbestückung.
Für die Erledigung der Arbeitsaufgaben hat Jan Binder ein Pick-up-Werkzeugmagazin mit 13 Aufnahmezangen gewählt. BES bietet aber auch schnellere Wechseltechniken an, bei denen ein Tellermagazin in der X-Achse mitfährt. Ein am Bearbeitungssupport mitfahrender Drucker klebt im ersten Schritt Etiketten auf die Werkstücke. Die Fertigung in einer Aufspannung zeichnet sich durch die sehr hohe Maßgenauigkeit aus. Für Jan Binder, der in seinen Betrieb bisher nur die typischen Handwerksmaschinen eingesetzt hat, vereint das Multi-Cut-Center vier Aufgabenfelder in sich: Plattenaufteilsäge, Oberfräse, Flächen- und Dübelbohrmaschine. Horst Windmann
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