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Der Milliardenmarkt

Technik
Der Milliardenmarkt

Die Einführung des Energiepasses gilt als große Chance für Handwerk und Bauwirtschaft. Energieberater Harald Schmidt gibt Hinweise, wie sich dieser lukrative Markt erschließen lässt.

Dreiviertel der Energie in privaten Haushalten wird zur Erzeugung der Raumwärme benötigt, 11,7 Prozent für Warmwasser und 1,5 Prozent für Beleuchtung. 7,5 Prozent werden in Form mechanischer Energie, 4,3 Prozent als sonstige Primärwärme eingesetzt (Quelle: VDEW). Dabei werden 93 Prozent der Heizenergie in Altbauten verbraucht; 70 Prozent in Gebäuden, die vor 1960, und 23 Prozent in Gebäuden, die noch vor Inkrafttreten der Wärmeschutzverordnung 1984 fertiggestellt wurden. Unzählige dieser Gebäude entsprechen nicht den heutigen Anforderungen der Energieeinsparverordnung und sind wahre Energieschleudern. Eine Goldgrube für »pfiffige« Handwerker!

Durch die steigenden Energiepreise und staatliche Anreizprogramme wie KfW-Förderdarlehen, Zuschüsse und Steuerermäßigung auf Handwerkerleistungen wird die Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen zusätzlich angeregt.
Hausbesitzer wollen handeln
Viele Hausbesitzer wissen, dass eine energetische Sanierung ansteht und würden auch gerne durch Dämmung der Gebäudehülle und Modernisierung der Anlagentechnik Energiekosten und CO2-Emissonen einsparen. Die Frage, die sich dabei stellt ist jedoch, »Wo fängt man am besten an?« und »Welche Maßnahmen sind für das jeweilige Gebäude die richtigen?«
Genau diese Fragen in Verbindung mit dem richtigen Konzept öffnen dem Handwerker neue Wege. Gesucht werden kompetente Ansprechpartner. Der Weg führt zum Energieberater. Ein Energieberater nimmt das Gebäude und die Haustechnik unter die Lupe und zeigt Lösungsmöglichkeiten und deren Wirtschaftlichkeit auf. Er ortet Wärmebrücken, erarbeitet konkrete Modernisierungsvorschläge. Berücksichtigt werden dabei die komplette energetische Gebäudehülle sowie die Heizung und die Art der Warmwasseraufbereitung.
Über zwei Wege kommt ein Kontakt mit dem Energieberater in aller Regel zustande.
  • Der Kunde wurde durch Öffentlichkeitsarbeit oder über die Werbung auf den Service und die Adresse des Energieberaters aufmerksam und setzt sich direkt mit diesem in Verbindung.
  • Der Kunde informiert sich beim Handwerker über das jeweilige Gewerk und wird dort im Beratungsgespräch auf den Service der Energieberatung hingewiesen. Der Kontakt zu einem zertifizierten Energieberater wird über den Handwerksbetrieb hergestellt oder der Handwerksmeister hat sich zum »Gebäudeenergieberater im Handwerk« fortgebildet und kann die Energieberatung selbst durchführen.
Berater ist nicht gleich Berater
Der Begriff »Energieberater« ist nicht geschützt, sagt also allein noch nicht viel über die Qualifikation des Dienstleisters aus. Im Prinzip könnte sich jeder selbst zum Energieberater ernennen. Einen objektiven Standard garantieren die von der Deutschen Energieagentur (Dena) oder der Bundesanstalt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) zugelassenen Energieberater. Eine Ausbildung, die sowohl von der Dena als auch von der Bafa akzeptiert wird, ist die zum »Gebäudeenergieberater im Handwerk«. Sie beinhaltet zirka 240 Unterrichtsstunden, eine Projektarbeit sowie eine schriftliche und mündliche Prüfung. Für Ingenieure und Architekten werden 120 Unterrichtsstunden veranschlagt. Die Architektenkammern bieten ebenfalls Fortbildungen an.
Nun will und kann sich nicht jeder Handwerker zum Gebäudeenergieberater im Handwerk fortbilden lassen. Wer sich dennoch konzentriert Grundwissen zum Thema energetische Sanierung und Energieberatung aneignen möchte, hat die Möglichkeit, eine entsprechende Kurzausbildung (Crashkurs) zu besuchen. Kurse werden bei Handwerkskammern, über Verbände oder auf dem Freien Markt angeboten. Je nach Ziel der Fortbildung und vorhandenem Grundwissen der Teilnehmer dauern die Kurse in der Regel zwischen zwei und fünf Tagen.
Geht es in erster Linie darum, die Qualität des Beratungsgespräches zu verbessern, und weniger darum, Gutachten zu erstellen, kann die Teilnahme an einer Kurzausbildung durchaus ausreichen. Das angeeignete Wissen berechtigt zwar nicht zu einer Energieberatung nach den Kriterien der Dena bzw. der Bafa, hilft dem Handwerker jedoch im täglichen Kundengespräch.
TIPP: Wenn Sie sich für eine Kurzausbildung entscheiden, sollten Sie mit einem oder mehreren bei der Dena oder Bafa zugelassenen Energieberatern zusammenarbeiten, denn häufig werden Berechnungen und Gutachten erforderlich und ausdrücklich vom Kunden gewünscht. Auch die KfW verlangt bei Maßnahmenpaket 4 und beim Nachweis für den Teilschuldenerlass das Gutachten eines Sachverständigen.
Wie neutral ist neutral?
Von einem Energieberater, der als Sachverständiger Gutachten, Berechnungen und wirtschaftliche Modernisierungsvorschläge als Dienstleistung ausarbeitet und verkauft, wird selbstverständlich Neutralität erwartet. Die Bafa registriert deshalb nur Energieberater mit entsprechender Qualifikation, die neutral beraten und nicht gleichzeitig Produkte verkaufen oder Provisionen von Handwerkern bzw. der Industrie erhalten.
Ein selbstständiger Handwerksmeister hingegen, der sich zum Gebäudeenergieberater fortgebildet hat und im Rahmen einer Kundenberatung eine Energieberatung durchführt, verpflichtet sich zu einer gesamtheitlichen Betrachtung aller energetischen Bauteile inklusive der Anlagentechnik. Der Charakter der Neutralität rückt in diesem Fall jedoch etwas in den Hintergrund, was den Auftraggeber nicht stört, denn er ist es ja, der auf den Handwerker, z. B. Fensterbauer, zukommt, um sich über Fenster zu informieren. Dass er darüber hinaus energetisch kompetent beraten wird, ist ein Service, der gerne angenommen wird.
Energieberatung im Beispiel
Im Folgenden wird an Hand von Beispielen dokumentiert, wie eine Energieberatung ablaufen kann.
Beispiel 1: Die Mieterin eines Acht-Familien-Hauses bat um einen Beratungstermin und die Ausarbeitung eines Angebotes über neue Fenster. Sie beklagte sich über hohe Heizkosten. Der Fensterberater, selbst Gebäudeenergieberater, stellte Folgendes fest: Der Heizkessel ist noch von 1972. Die maximal zulässigen Abgaswerte werden dennoch eingehalten. Das Haus ist aus 30 cm Leichtbetonsteinen gemauert. Die alten Holzfenster verfügen über keine Dichtung. Das Glas wurde nie ausgetauscht. Das Dach ist ausgebaut und bewohnt.
Auf Initiative der Mieterin wurde eine Eigentümerversammlung einberufen. Folgender Vorschlag wurde unterbreitet: Austausch aller Fenster inklusive Dämmung der Rollladenkästen im ersten Schritt. Anbringung eines Wärmedämmverbundsystems im zweiten Schritt und Austausch der Heizung im dritten Schritt. 2008 muss die Heizung nach § 9 der EnEV ohnehin ausgetauscht werden. Aufgrund der energetischen Verbesserung der Gebäudehülle im Vorfeld kann 2008 die Heizung niedriger ausgelegt werden, da der Heizwärmebedarf deutlich reduziert wird. Hinzu kommen die Heizkostenersparnis sowie das Plus an Komfort. Das Dach kann zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Dachziegel ohnehin ausgetauscht werden, zusätzlich gedämmt werden (Aufsparrendämmung).
Die Eigentümerversammlung traf sich zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal und fällte folgende Entscheidung: Alle Mieter werden die Fenster bis Mitte 2007 austauschen lassen . Dann wird die Gebäudehülle mit einem Wärmedämmverbundsystem versehen und anschließend die Heizung ausgetauscht. Zum Einsatz kommt eine moderne Gasbrennwerttechnik. Die Finanzierung erfolgt über die KfW.
Beispiel 2: Der Hauseigentümer interessierte sich für eine neue Haustür. Neue Fenster und andere Maßnahmen waren eigentlich erst für später bis in fünf Jahren geplant. Im Beratungsgespräch erwähnte der Kunde einen Schimmelpilzbefall im Schlafzimmer des Ober- und Erdgeschosses. Es ergab sich eine Energieberatung aus dem Gespräch heraus mit anschließender Berechnung des Gebäudes, Vorstellung der in Frage kommenden Förderprogramme und Ausarbeitung von Modernisierungsvorschlägen.
Um das Schimmelpilzproblem in den Griff zu bekommen und die Fördermöglichkeiten voll auszuschöpfen, entschied sich der Kunde für eine sofortige energetische Sanierung. Folgende Maßnahmen wurden bereits drei Monate nach dem Beratungsgespräch in Auftrag gegeben: Dachdämmung (Aufsparrendämmung) und Ausbau des Dachgeschosses, Fassadendämmung, neue Kunststofffenster mit Vorbaurollläden, Integration einer Fußbodenheizung im Obergeschoss, Austausch der alten Nachtspeicheröfen gegen eine moderne Wärmepumpe.
Die Finanzierung der energetischen Maßnahmen erfolgt über die KfW mit einer Verzinsung von 1 Prozent effektiv. Da nach Beendigung der Sanierungsmaßnahmen Niedrigenergiestandard im Bestand erreicht wird, erhält der Kunde einen Schuldenerlass von 15 Prozent auf die förderfähige Kreditsumme.
Beispiel 3: Der Kunde war an einem Hauskauf interessiert und gab die energetische Berechnung des Gebäudes in Auftrag mit dem Ziel, Schwachstellen zu lokalisieren und die Sanierungskosten besser abschätzen zu können. Das Ergebnis ergab einen energetischen Sanierungsaufwand von zirka 90000 Euro. Der Kunde konnte unter Vorlage des Energieberichtes den Kaufpreis um 25000 Euro herunterhandeln. Der Hauskauf kam zu Stande. Folgende Sanierungsmaßnahmen werden umgesetzt: Demontage und Entsorgung der Schieferplatten, Einbau neuer Wärmeschutzfenster mit Vorbaurollläden, Anbringen eines Wärmedämmverbundsystemes, Einbau eines neuen Heizkessels auf Basis moderner Gasbrennwerttechnik mit zentraler Warmwasseraufbereitung. Die Finanzierung erfolgt über die KfW zu einem Zinssatz von 1,8 Prozent effektiv bei 100 Prozent Auszahlung.
Harald Schmidt

Der Autor
Dipl.-Betriebswirt (FH) Harald Schmidt ist Gebäudeenergieberater HWK bei der Firma FSW (www.fsw-energieberater.de). Kontakt: Tel. (07852) 933580, schmidt@fsw-energieberater.de
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