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Der Kollege mit der Handoberfräse

Technik
Der Kollege mit der Handoberfräse

Dass die Handoberfräse von Hand geführt wird, ist zwar noch lange nicht Schnee von gestern, jedoch gibt es Kollegen, denen da etwas ganz anderes vorschwebt. Christian Hamer stellt das Projekt SME-Robot vor.

Roboter im Tischler- und Schreinerhandwerk? Mit dieser Frage setzte sich am 26. Januar 2007 eine Infoveranstaltung über das Projekt SME-Robot (Small and Medium-sized Enterprises) in den Räumen des Fachverbandes Leben Raum Gestaltung Hessen auseinander. Vierzehn Tischler/Schreiner aus zehn verschiedenen Betrieben informierten sich über den Stand der Technik und diskutierten mit den Referenten Dr.-Ing. Manfred Dresselhaus (Reis Robotics), Josef Som (Schreinerei Som) und Maarten Bonke (Pro Support). Die zehn Betriebe decken sowohl das gesamte Tätigkeitsfeld des Tischlers und Schreiners vom Fenster über Treppen und den Innenausbau bis zum Möbel als auch das Größenspektrum vom Einmann- bis zum Hundertmannbetrieb ab.

SME-Robot ist ein europäisches Projekt, das sich mit den Einsatzmöglichkeiten und der Entwicklung von Robotern für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) beschäftigt. Beteiligt sind unter anderem das Frauenhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung, ABB Automated Technologies Robotics und Reis Robotics. Jeder beschäftigt sich mit einem eigenen Forschungsbereich.
Forscher bei Handwerkern
Das Projekt ist zunächst auf vier Jahre beschränkt. Zurzeit laufen die Forschungen in den Bereichen Tischlerei/Schreinerei, Gießerei, Schweißerei und Kleinserienmontage. Die Forschungsgruppen arbeiten direkt mit Handwerksbetrieben zusammen. Federführend in der Entwicklung im Bereich Tischlerei ist der Obernburger Roboterhersteller Reis Robotics, der mit der hessischen Schreinerei Josef Som in Michelstadt als Entwicklungspartner zusammenarbeitet (siehe Interview Seite 34).
Dr.-Ing. Manfred Dresselhaus von Reis Robotics sieht folgende Aufgaben für Roboter in Tischlereien: Heben, Bohren, Sägen, Fräsen, Schleifen und Lackieren. Flexibilität im Einsatz ist ein angestrebtes Ziel. Daher soll ein schneller Standortwechsel innerhalb des Betriebes möglich sein. Dafür werden Sicherheitsmaßnahmen wie zum Beispiel eine optische Überwachung entwickelt, die einen Roboterbetrieb ohne die bisher notwendige räumliche Trennung durch Schutzzäune erlauben.
Der Arbeitsgefährte
Maschine und Mensch an einem Arbeitsplatz ist die Zukunftsvorstellung. Der Roboter soll die Arbeit des Menschen unterstützen, indem er Arbeitsbelastungen reduziert und Arbeitsbedingungen verbessert. In diesem Sinne gilt auch die Bedienung des Roboters als wesentlicher Baustein des SME-Robot-Projektes. Auch Computer-Laien sollen den Roboter ohne großen Aufwand bedienen und programmieren können. Die Forscher setzten sich mit den Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Roboter auseinander und erwägen eine automatische Wahrnehmung und Verarbeitung von Sprachbefehlen, Handzeichen oder Gesten. Als weiteren Kommunikationsweg mit dem Roboter wollen die Projektbeteiligten das Einlesen von bemaßten Handskizzen mit einer automatische Übersetzung in NC-Daten bzw. Roboterprogramme hard- und softwaretechnisch umsetzen. Auch das Abscannen von Werkstücken zur Erkennung anhand eingespeister CAD-Daten ist angedacht. Hier würde zum Beispiel ein Laser die Geometrie erfassen und mit Hilfe der Datenbank das passende Teil erkennen und entsprechend den einprogrammierten Vorgaben bearbeiten.
Roboter oder BAZ?
Die Teilnehmer fragten, ob der Roboter in Konkurrenz zum Bearbeitungszentrum stehe. Dazu gab es ein klares Nein seitens der Forscher und Entwickler. Der Roboter solle mit den im Betrieb vorhandenen Handmaschinen, wie beispielsweise Handoberfräse und Akku-Schrauber, ausgerüstet werden können, um Kosten für teure Zusatzwerkzeuge zu vermeiden. Ein einheitliches Aufnahmesystem für die gängigsten Handmaschinen und Marken werde entwickelt. Mit demselben Roboter sollen zudem Hebe- und sogar Lackierarbeiten ausgeführt werden können. Hierfür ist die bereits erwähnte Flexibilität notwendig.
Bei den Robotern gibt es verschiedene Bauweisen: Knickarm- und Lineararmroboter oder ein Roboter mit Parallelkinematik. Die aktuellen Versuche laufen mit handelsüblichen Knickarmrobotern. Die Tischler und Schreiner widmeten der Positioniergenauigkeit und der Maßhaltigkeit ihre besondere Aufmerksamkeit. Dieser Aspekt ist für die zerspanenden Bearbeitungsvorgänge von Bedeutung. Die Maßhaltigkeit reicht bisher nicht an die eines Bearbeitungszentrums heran, da ein Knickarmroboter empfindlicher auf die beim Zerspannen auftretenden Kräfte reagiert.
Die Teilnehmer sahen mögliche Anwendungsbereiche eines Roboters in ihrem Unternehmen recht unterschiedlich. Dies ist, wie sich herauskristallisierte zum einen von der Beschäftigtenzahl zum anderen von dem Automatisierungsgrad des jeweiligen Unternehmens abhängig. Die Vertreter sehr kleiner Betriebe wie die Schreinerei Josef Som zeigten Interesse am Robotereinsatz kombiniert mit den vorhandenen Handmaschinen.
Tischler und Schreiner aus größere Unternehmen wie beispielsweise der Möbelfabrik Rudolf & Sohn sahen eher den Vorteil, den Roboter als Hebegerät und somit als Abnahmegerät hinter Maschinen einzusetzen, zum Beispiel als Abstapelgerät hinter Kantenanleimmaschinen oder Tischfräsen. Die Mobilität wurde hier ausdrücklich gewünscht, um denselben Roboter an verschiedenen stationären Maschinen einsetzen zu können.
Für Fräsarbeiten setzen diese Unternehmen bereits ein Bearbeitungszentrum ein. Aufgrund der schlechteren Maßhaltigkeit sahen sie auf diesem Feld auch keine Chance für einen Roboter in ihrem Unternehmen. Alle Beteiligten zeigten sich sehr interessiert an Bedien- und Datenerfassungsmöglichkeiten. Vor allem das Einscannen und automatische Umwandeln von bemaßten Handskizzen wäre aus Sicht der Tischler und Schreiner eine wesentliche Vereinfachung der Roboterbedienung und -programmierung. Die Entwickler wollen die Anregungen und Vorstellungen der Teilnehmer in die zukünftige Forschung und Entwicklung von Robotern mit einfließen lassen.
Roboterhand nimmt Gestalt an
Zurzeit gestalten und erproben die Projektbeteiligten eine Knickarmroboterhand, die zunächst drei Gerätetypen aufnehmen kann: Handbohrmaschinen, Handoberfräsen und Sprühpistolen. Wie sich ein solcher Knickarmroboter mit Handmaschinenhalterung in einer Tischlerei bewährt, wird sich in den nächsten Monaten bei der Schreinerei Josef Som zeigen. Sobald der Betrieb mit dem Prototyp läuft, ist eine fortführende Veranstaltung zu diesem Thema angedacht, die den tatsächlichen Einsatz eines universellen Tischler- und Schreinerroboters zeigt.
Science-Fiktion oder Realität?
Ob die Projektidee Science-Fiction oder aber zukunftsnahe Realität ist, wird sich in den nächsten vier Jahren herausstellen. Es ist nicht sicher, ob sich die angestrebten Ziele verwirklichen lassen. Aber ohne Forschung keine Neuerungen. Chistian Hamer, Fachverband Hessen
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