1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite » Technik »

Betrieb verstopft?

Technik
Betrieb verstopft?

Wenn die Produktion immer wieder ins Stocken kommt, liegt es meistens an Material, das im Weg steht oder nicht auffindbar ist. Doris Paulus berät Tischler und Schreiner, wie sich eine reibungslose Materialversorgung organisieren lässt. Sie berichtet, wie sie bei der Schreinerei Polzer die Erfolgsbremse Plattenlager löste.

Viele Betriebe vermitteln den Eindruck als litten sie an Verstopfung. Wohin man sieht, liegen oder stehen Fertigungsreste. Das Problem beginnt mit chaotischen Bestellabläufen: Jeder Arbeitsvorbereiter bestellt nach Gutdünken und dem ihm bequemsten Bestellablauf beim beliebigen Lieferanten. Das gibt bei fünf Arbeitsvorbereitern und den Bestellwegen Fax, Telefon, Außendienst, Internet oder E-Mail ein kaum kontrollierbares Chaos. Kommen noch freihändige Bestellungen aus der Werkstatt hinzu, ist eine Kontrolle völlig unmöglich. In meinem Tagesgeschäft, der Optimierung von Disposition und Lagerstätten, ist das der ganz normale Zustand am Beginn einer Beratung. Zunächst sind die Bestellabläufe in der Arbeitsvorbereitung zu definieren und zu standardisieren, dann befasse ich mich mit der Lagerplanung. Es ist auffällig, dass Betriebe mit einer technischen Top-Ausstattung üblicherweise ein Produktivitätsproblem haben: Das Material kommt nicht so schnell an die Maschinen, wie diese es verarbeiten könnten.

Engpassverschiebung
Wenn der Engpass Arbeitsvorbereitung gelöst ist, ist der nächste zu lösende Engpass das Rohstofflager. Es soll die Produktion stets mit dem benötigten Material versorgen.
Ein Klassiker in der Reihe der zu lösenden Lagerprobleme ist das Plattenlager. Dies haben auch meine Beratungskunden Peter Polzer und sein Partner Axel Bieber mit ihrem Innenausbaubetrieb so erlebt. Polzer hat Anfang 2006 meinen Vortrag zum Thema Lageroptimierung und Ablaufoptimierung in der AV gehört. Sehr schnell wurde ihm klar, dass dies die Lösung für seinen akuten Engpass »Materialfluß, Produktionstempo und Lagerproblem« sein könnte. Die Schreinerei in Jagsthausen ist für eine besonders schnelle Abwicklung von Aufträgen bekannt. Von der Beauftragung bis zur Auslieferung vergeht nur eine Woche. Die Top-Ausstattung des Maschinenparks geht jedoch mit einem enormen Materialdurchsatz einher. Die großen Materialmengen und die kurzen Lieferzeiten setzten die AV und die Lagerwirtschaft unter Druck.
Mitarbeiter eingebunden
Um den Projekterfolg sicherzustellen, wurden die 20 Mitarbeiter von vornherein mit dem Projekt vertraut gemacht. Das Projekt begann im August 2006. In mehreren Vorbereitungsterminen wurden die Lager und die Abläufe in der Arbeitsvorbereitung neu geplant. Bei der Lagerplanung legte sich das besondere Augenmerk auf das liegende, chronisch überfüllte Plattenlager. Da es nicht genug Platz bot, entstand ein weiteres, unstrukturiertes Plattenlager in einer Scheune. Aus Platzmangel wurde der Nachschub neuer Platten im Verkehrsbereich des liegenden Lagers abgeladen, womit nun der Zugriff auf die Scheune und die Regale wieder behindert war.
Keine Ordnung ohne Struktur
Besonders nachhaltiges Chaos verursachten zusätzlich die langen Formate mit 5,20 m Länge, die zwei in gleicher Höhe nebeneinanderliegende Fächer benötigten. Der Mitarbeiter im Zuschnitt, Karl-Heinz Barth, ist 63 Jahre und hat vor zwei Jahren gelernt, die liegende Plattensäge zu bedienen. Die Maschine beherrscht er mit Leichtigkeit, das Plattenlager trieb ihn jedoch zur Verzweiflung. Seine Mühe um Ordnung war vergebens. Obwohl er mit Gabelstapler arbeitet, vergeudete er enorme Zeiten mit Umlagern des Materials. Es entstand der Eindruck, als wäre er ein Chaot oder nicht gut strukturiert; aber er hatte keine Chance, da einfach keine Struktur für Material im Betrieb vorhanden war.
Meine Vorgehensweise erforderte, vom Lagermöbel eine Zeichnung zu erstellen und anschließend den Lagerplätzen eine definierte Anzahl von bestimmten Platten zuzuweisen. Dies konnten die Mitarbeiter selbst erledigen. Für die Organisation des Plattenlagers konnten wir auf Erfahrungen aus dem Bereich Beschlägelager zurückgreifen. Eine Standardisierung der Beschlagauswahl legt es nahe, eine CNC-Bibliothek zum Einlassen der Beschläge anzulegen. Zurückgegriffen wird immer nur auf ein einziges Beschlagsystem, das fest hinterlegt und verlässlich im Hause ist. Das erfordert disziplinierte Chefs und Einkäufer: Keine Billigangebote mehr, die im Einkauf ein paar hundert Euro sparen und in der Produktion Tausende durch Umprogrammierung vernichten! Die Arbeitsvorbereiter müssen nicht mehr ins Lager laufen, um nachzusehen, ob benötigtes Material im Haus ist, da die Mengen der vorhandenen Materialien nun definiert und offengelegt sind. Gleichzeitig fallen Diskussionen über Einkaufsquellen und Abnahmemengen weg, da diese von der Arbeitsvorbereitung vorab festgelegt und fixiert sind.
Abweichungen werden nur in Notfällen in Kauf genommen, wenn der Händler aktuell nicht genügend Ware hat. Das was sich im Beschlaglager bewährt hat, sollte nun auch im Plattenlager gelten. Mit diesen Vorgaben konnte die Belegschaft das Plattenlager planen und strukturieren. Karl-Heinz Barth konnte einen deutlich schnelleren Umschlag von Platten feststellen und war hochzufrieden.
Alle Lager neu eingeräumt
In einem Clean-up-Projekt wurden alle vorhandenen Lagerstätten neu eingeräumt. Anschließend herrscht ein einziges System für Materialfluss im Betrieb, dem alle Lieferanten eingeordnet werden. Selbst Lieferanten die mit Barcodesystemen bestellt werden, unterliegen derselben Systematik.
Dies stellt sicher, dass der unterbrechungsfreie Materialfluss auch bei allen anderen wichtigen Produkten wie Kanten, Schichtstoffen oder Beschlägen gewährleistet bleibt. Selbstverständlich wurden auch wichtige Werkzeuge wie CNC-Fräser, Vorschneider und andere unentbehrliche Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe einbezogen.
»Senkt Kosten und entlastet«
Peter Polzers Fazit: »Seitdem wir unsere Lager optimiert haben, können wir die Produktionsgeschwindigkeit unserer Maschinen voll nutzen. Suchzeiten fallen nicht mehr an. Darüber hinaus sind Bestellvorgänge auch unter Zeitdruck um einiges schneller nachvollziehbar, selbst wenn der Besteller im Urlaub oder krank ist. Wir wussten gar nicht, wie viele Standardartikel wir haben! Diese sehen wir jetzt auf Knopfdruck. Auch Preisverhandlungen mit unseren Lieferanten sind jetzt einfacher. Wir konnten teuren Platz in der Werkstatt gewinnen, indem sich die Lagerplätze reduzierten. Mit dem Paulus-Lager haben wir es geschafft, die Theorie der Ordnung und der Abläufe in die Praxis umzusetzen. Das senkt Kosten, beschleunigt die Arbeit und entlastet die Mitarbeiter.«
Doris Paulus

Service Kontakt zur Autorin
Dipl.-Ing. Doris Paulus ist Schreinermeisterin und Spezialistin für Lageroptimierung im Tischlerhandwerk mit dem »Paulus-Lager«. Sie berät Betriebe von fünf bis 50 Mitarbeitern. Ziel ist es, die Liquidität anzuheben und in der AV und Produktion Kosten zu sparen. Infos und Kontakt: Dipl.-Ing. Doris Paulus GmbH, 48268 Greven, www.paulus-lager.de
Aktuelles Heft
Titelbild dds - das magazin für möbel und ausbau 4
Aktuelle Ausgabe
04/2024
EINZELHEFT
ABO
dds-Zulieferforum
Tischlerhandwerk in Zahlen

Zahl der Betriebe im Tischlerhandwerk

dds auf Facebook


dds auf YouTube

Im dds-Channel auf YouTube finden Sie:
– Videos zu Beiträgen aus dds
– Kollegen stellen sich vor
– Praxistipps-Videos
– Maschinen & Werkzeuge

Abonnieren Sie dds auf YouTube »