Wer heute Fenster kauft, muss sich üblicherweise zuerst für ein Material und eine Rahmenform entscheiden. Bei Fensterhersteller Finstral ist das anders. Das komplette Fensterprogramm des Südtiroler Familienunternehmens basiert auf lediglich zwei Profilfamilien. Ob Kunststoff, Aluminium oder Holz: Nahezu jedes Material ist mit jeder Ausstattung und jedem Design kombinierbar. Eines ist dabei immer gleich: der Kern des Fensters besteht aus Kunststoff.
Dieses Baukastenprinzip wird dadurch möglich, dass die Finstral AG vom Profil bis zum Isolierglas die meisten Komponenten selbst herstellt. Drei Außen- und fünf Innenmaterialien, 12 Flügelvarianten, in allen Materialkombinationen mindestens drei L-Blendrahmen und drei Z-Blendrahmen, sichtbarer und verdeckt liegender Stulp, schmaler und breiter Pfosten und fünf Beschichtungsvarianten für Isoliergläser sind Eckdaten, die die Vielfalt des Programms deutlich machen.
Hinzu kommt das Farbspektrum von 250 Aluminium-, 15 Holz-, zehn Kunststofffarben bzw. -oberflächen, acht Emaillefarben und sechs ForRes-Farben. Passend dazu sind Schiebetüren, Fensterwände, Wintergärten und Haustüren in nahezu gleicher Variantenvielfalt erhältlich.
»Unsere Methode ist die konsequente Modularität der Teile und möglichst viel Wertschöpfung im eigenen Haus. Nur so ist diese enorme Komplexität beherrschbar«, erklärt Joachim Oberrauch, Präsident des Verwaltungsrates. Oberrauch führt das von seinem Vater und seinem Onkel gegründete Unternehmen in zweiter Generation. Dass die Methode Erfolg hat, lässt sich an den aktuellen Kennzahlen feststellen. So erwartet Fensterhersteller Finstral 2022 einen Gesamtumsatz von 265 Mio. Euro (Vorjahr: 220 Mio.).
Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist von 1460 auf knapp über 1600 gestiegen. In den vergangenen zwei Jahren wurden über 30 Mio. Euro in die Produktionswerke investiert, davon zwei Drittel im italienischen Oppeano. Neben einer leistungsstarken Fensterfertigung mit demnächst über 3500 Einheiten/Woche ist hier die firmeneigene Isolierglasfertigung beheimatet. In Deutschland produziert Finstral in Gochsheim bei Schweinfurt.
Modularität als Prinzip
Auf das Baukastenprinzip setzt auch die neue Gestaltungsoption »Inlay«, deren Markteinführung für Mitte 2023 geplant ist. Mittels einer Innenblende können Fenster jedes denkbare Material in einer Stärke von 4 mm am Rahmen aufnehmen. Das Spektrum reicht von Keramik über Metall bis zu edlen Hölzern. Dünnere Werkstoffe, wie etwa Bleche, werden auf ein Trägermaterial kaschiert. Materialgleiche Fensterrahmen passend zu Bodenfliesen, Parkett oder Küchenfronten sind damit realisierbar. Inlay ist dabei keine solitäre Lösung, sondern mit allen Ausführungen des Gesamtsortiments kombinierbar.
»Nachhaltigkeit ist eine Haltung«
Langfristig zu denken und ressourcenschonend zu handeln ist für Fensterhersteller Finstral als Familienunternehmen Bestandteil der eigenen Kultur. Daher hat sich das Unternehmen das Ziel gesetzt, bis 2030 CO2-neutral zu werden. »Kleine Erfolge erreicht man schnell, aber das reicht ja nicht«, sagt Florian Oberrauch, Vizepräsident des Verwaltungsrates und verantwortlich für Produktion und Logistik. »Wirklich nachhaltig zu handeln ist sehr komplex.
Es bedeutet, in kleinteiliger Arbeit alle Prozesse laufend zu untersuchen und zu optimieren«. Finstral baut daher ein umfassendes Werkzeug zur Bilanzierung seiner Umwelteinflüsse auf, dass sich an internationalen Standards wie dem Greenhouse Gas Protocol (GHG) orientiert.
Ideen für die energetische Sanierung
Mit dem Thema Nachhaltigkeit hat auch die sog. »Einschubmethode« von Finstral zu tun. Sie vereinfacht den Austausch alter Fenster und ermöglicht so eine energetische Gebäudesanierung ohne Schutt und Gerüst, und ohne dass die Wohnungen temporär geräumt werden müssen. Bei der Einschubmethode verbleibt der alte Blendrahmen in der Wand, der neue Blendrahmen wird einfach darüber geschoben.
Der Trick: Der Flügel des neuen Fensters ist außen rahmenlos, dadurch ist die Optik nahezu die gleiche wie vorher. Bei einem Projekt in Erfurt z. B. wurden auf diese Art und Weise 1300 Fenster in vermieteten Wohnungen ausgetauscht – schnell, sauber und ohne Unannehmlichkeiten für die Mieter.
Pionier bei der Montagezarge
Eine andere Idee, die bei Fensterhersteller Finstral seit Jahren praktiziert wird, ist die zweistufige Fenstermontage. Bereits im Rohbau wird eine Vorabzarge montiert, das Fenster wird erst eingebaut, wenn alle Putz- und Trockenbauarbeiten erledigt sind und der Einzug kurz bevorsteht. In Südtirol ist diese Vorgehensweise Standard.
Finstral sieht sich als Vorkämpfer darin, sie auch in anderen Teilen Europas zu etablieren. Die Vorteile für Fensterbauer und Kunde sind vielfältig: Die Planung wird vereinfacht, Bauschäden minimiert und die Zusammenarbeit mit angrenzenden Gewerken verbessert. »Gerade bei hochwertigen Fenstern ist die zweistufige Montage in jeder Hinsicht die bessere Methode«, ist Finstral-Chef Joachim Oberrauch überzeugt.
Ob Baukastenprinzip, Einschubmethode oder Montagezarge: Eigene Ideen entwickeln und zum Erfolg führen ist also offensichtlich eine Kernkompetenz von Finstral. Der Erfolg gibt dem Südtiroler Unternehmen Recht und macht es zu einem unverwechselbaren und wichtigen Player im Markt.
dds-Autor Hans Graffé war beim Besuch im Werk Oppeano von der Fertigungstiefe beeindruckt. Und davon, wie Fensterhersteller Finstral die Abläufe in seinen 14 Produktionswerken koordiniert und alles miteinander verflochten hat.
Finstral AG
Gastererweg 1
IT-39054 Unterinn/Ritten (BZ)