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Was bitte ist eine EPD?

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Was bitte ist eine EPD?

Haben Sie schon eine Ausschreibung bearbeiten müssen, in der eine EPD für die Zertifizierung nach BNB, DGNB oder LEED gefordert wurde? Vielleicht noch nicht, doch die Nachfrage nach Gebäuden mit Nachhaltigkeitszertifikaten nimmt zu. Experten des IFT Rosenheim fassen das Wichtigste zum Thema zusammen.

Dipl. Ing. (FH) Patrick Wortner, Dipl. Ing. (FH) Jürgen Benitz-Wildenburg, IFT Rosenheim

Der Begriff Nachhaltigkeit ist in aller Munde und wird vielfältig interpretiert. Der Duden bezeichnet nachhaltiges Handeln im ökologischen Sinn als »nur in dem Maße, wie die Natur es verträgt«. Der Bau- und Immobilienbereich hat einen großen Einfluss auf die Umwelt, da hier große Mengen an Energie und Rohstoffen verbraucht werden. Nachhaltige Gebäude müssen aber nicht nur energieeffizient und ökologisch sein, sondern sollen das Wohnen auch sozialer, gesünder und komfortabler machen.
Treibende Kräfte
Das nachhaltige Bauen wird 2011 maßgeblich durch zwei treibende Kräfte gefördert. Das ist zum einen die neue europäische Bauproduktenverordnung, die ab Januar 2011 in Europa nach einer zweijährigen Koexistenzphase verbindlich wird. Diese beinhaltet als neue wesentliche Anforderung (engl.: essential requirement) das Kriterium 7 – Nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen, indem es heißt: »Das Bauwerk, seine Baustoffe und Teile müssen nach dem Abriss recycelt werden können.« (Absatz a) sowie »Für das Bauwerk müssen umweltfreundliche Rohstoffe und Sekundärbaustoffe verwendet werden.« (Absatz c).
Die zweite treibende Kraft ist die Einführung des Leitfadens »Nachhaltiges Bauen« durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Dieser sieht eine Zertifizierung aller neuen Bundesbauten (Zoll, Bundeswehr, Finanzämter etc.) durch das »Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen« (BNB) mit dem Mindeststandard Silber vor.
Die Bewertungssysteme
Um dem Ziel nachhaltiger Gebäude näherzukommen wurden verschiedene Bewertungssysteme entwickelt, die unter dem Dachverband des World-GBC (Green Building Council) gebündelt werden. Der GBC fördert als gemeinnützige Organisation nachhaltiges Bauen international.
LEED. Am häufigsten international verbreitet ist das amerikanische Zertifizierungssystem LEED (Leadership in Energy and Environmental Design). Dieses System ist u. a. auch bei der deutschen Bank in Frankfurt bei den sog. Green Towers zum Einsatz gekommen.
BNB und DGNB. In Deutschland etablieren sich das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie das Zertifikat der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Beim DGNB- bzw. BNB-System werden über 40 ökologische, ökonomische, soziokulturelle, prozess-, standort- sowie technische Kriterien analysiert. Diese detaillierte Analyse ist ein großer Vorteil für Bauherren und Investoren, die hier bereits im Planungsstadium neben ökologischen Kriterien für das Gebäude auch eine kostenmäßige Einschätzung unterschiedlicher Ausführungsvarianten erhalten. Dies gilt vor allem für Kriterien, die für die Nutzungsphase eines Gebäudes relevant sind (Wartung, Reinigung, Energie).
Wichtig ist jedoch zu wissen, dass es keine nachhaltigen Produkte geben kann, weil eine Beurteilung ohne den Verwendungszweck nicht möglich ist. Dies wird am Beispiel Schallschutz verständlich, denn der Wohnkomfort und die Gesundheit werden beispielsweise durch den Einbau von Schallschutzfenstern in einem Gebäude in Flughafennähe deutlich verbessert, aber in einer ruhigen Wohngegend ist diese Maßnahme überflüssig. Dennoch gibt es Produkte, die für nachhaltige Gebäude besonders gut geeignet sind, weil die Produkteigenschaften den Anforderungen in der Summe gerecht werden. Auf Basis einer Bewertung durch einen geschulten Auditor (Architekten und Ingenieure) wird dann je nach Erfüllungsgrad ein Zertifikat für das Gebäude vergeben.
Die Gebäudezertifizierung
Für die Gebäudezertifizierung sind vor allem die Umweltproduktdeklarationen (EPD = Environmental Product Declaration) der verwendeten Bauprodukte relevant. Gemäß prEN 15804 muss bei der Erstellung von EPDs als Pflichtangabe nur der Lebenszyklus der Herstellung (cradle to gate) betrachtet und dokumentiert werden. Gerade bei der Gebäudehülle sind für den Bauherren und auch den Gebäudezertifizierer jedoch die Einflüsse auf die Nutzungsphase wesentlich bedeutsamer, z. B. wenn es um die Abschätzung der Energie- oder Reinigungskosten geht. Architekten, Planer und Gebäudezertifizierer (Auditoren) fordern deshalb vom Bauprodukthersteller neben einer Umweltproduktdeklaration mit den Pflichtangaben zu den Umweltwirkungen auch Nachweise und Kenndaten für weitere Kriterien, z. B. zum Wärme-/Schallschutz, zur Barrierefreiheit oder zu Wartungsintervallen. Beispielsweise werden im BNB-System Angaben zur Barrierefreiheit verlangt. Im Kriteriensteckbrief 3.2.1 Barrierefreiheit heißt es »Ein Gebäude, das nicht grundsätzlich barrierefrei zugänglich ist …, ist von der Nachhaltigkeitsbewertung auszuschließen.« Deshalb werden schwellenlose und automatisch betriebene Türen einen besonders hohen Stellenwert erhalten.
Basis sind die Bewertungskriterien der jeweiligen Gebäudezertifizierungssysteme (BNB, DGNB, LEED). Die Vielzahl der Kriterien und Systeme machen es sowohl für den Hersteller als auch für den Auditor schwierig, die notwendigen Daten zu ermitteln. Das IFT-Rosenheim erarbeitet deshalb ein einfaches System in Form eines Datenblatts, mit dem Hersteller die notwendigen Informationen leicht ermitteln können. Die Daten lassen sich in der Regel aus den Angaben der CE-Kennzeichnung oder dem zusammenfassenden ITT (IFT-Produktpass) entnehmen, sodass je Zertifizierungssystem kaum weitere Nachweise notwendig sind. Durch eine strenge Orientierung an den jeweiligen Kriteriensteckbriefen der Gebäudebewertungssysteme werden mit den Kenndatenblättern die notwendigen Informationen an die Gebäudezertifizierer geliefert, die die Informationen unmittelbar für die Gebäudebewertung verwenden können.
EPDs für Fenster, Türen, Tore
Zertifizierungen nach BNB, DGNB, LEED oder Breeam benötigen Daten, die im Rahmen einer EPD, der CE-Kennzeichnung oder anderer Nachweise ermittelt wurden. Hersteller von Fenstern, Türen und Toren müssen dabei folgende Aspekte berücksichtigen:
  • Nachweis der Umweltwirkungen (Pflichtangaben) auf Basis einer durchgeführten Ökobilanz und Deklaration im Rahmen einer Umweltproduktdeklaration (EPD).
  • Zusammenstellung ergänzender Nachweise und Kennwerte, die für die Nutzungsphase des Gebäudes und den Bauherren wichtig sind; beispielsweise Angaben zum Schallschutz, Barrierefreiheit oder der Nutzungssicherheit. Weitere notwendige Kenndaten für eine Gebäudezertifizierung.
Die Bereitstellung einer Deklaration kann einfach auf Basis einer Durchschnitts-EPD erfolgen, bei der auf durchschnittliche Kenndaten zurückgegriffen werden kann, die einen typischen Branchenquerschnitt spiegeln. Die zweite, aufwändigere Möglichkeit, ist die Erstellung einer produkt- bzw. firmenspezifischen EPD, bei der alle Daten firmen-/produktspezifisch erhoben und ausgewertet werden müssen.
Durchschnitts-EPD vs. …
Bei einer Durchschnitts-EPD werden Daten bei verschiedenen Unternehmen ermittelt und als Durchschnittswerte in einem gemeinsamen Datenpool verwendet; diese geben einen Branchendurchschnitt wieder und sind deshalb für ein vergleichbares Produkt innerhalb der definierten Bezugsgrenzen repräsentativ. Bei Durchschnitts-EPDs werden zur Gebäudezertifizierung zehn Prozent Sicherheitszuschlag zugegeben.
Es können verschiedene Szenarien für die Herstellung, Nutzung, Nachnutzung definiert werden, denen der Hersteller seinen Betrieb bzw. sein Produkt zuordnen kann (s. Beispiel Transport vom Herstellort zur Baustelle). Für die verschiedenen Szenarien werden dann mit einer geeigneten Software die jeweiligen Umweltwirkungen ermittelt. In der Regel reichen hierfür einfache Eingangsdaten aus, z. B. beim Transport die Angabe des Transportmittels und die zurückgelegte Entfernung. So können die Hersteller auf Basis weniger Daten einfach und kostengünstig eine EPD erstellen lassen.
Dieses System ist gut für handwerkliche und mittelständisch strukturierte Unternehmen geeignet. In einem Forschungsprojekt wird derzeit eine Durchschnitts-EPD für Fenster und Außentüren erstellt. Das Projekt wird vom Bauministerium im Rahmen der Forschungsinitiative »Zukunft Bau« gefördert und gemeinsam mit dem Institut Bauen und Umwelt (IBU), PE International GmbH und den Branchenverbänden Bundesverband Flachglas (BF), Fachverband Schloss und Beschlagindustrie (FV S+B), Qualitätsverband Kunststofferzeugnisse und dem Verband Fenster+Fassade (VFF) durchgeführt. Ergebnisse stehen voraussichtlich ab Mai 2011 zur Verfügung.
… produktspezifische EPD
Die Erstellung einer produktspezifischen, individuellen EPD ist dann erforderlich, wenn es für das entsprechende Produkt keine Durchschnitts-EPD gibt. Bei Fenstern sind davon z. B. Fenster aus Verbundwerkstoffen betroffen, die nicht über die Durchschnitts-EPD abgedeckt werden. Für die Hersteller ist eine spezifische EPD wesentlich aufwändiger, weil umfangreiche Daten, wie z. B. Wasser- oder Energieverbrauch, aber auch Abfälle, Emissionen etc., ermittelt und durch eine Ökobilanz ausgewertet werden müssen.
Die spezifische EPD ermöglicht aber eine detaillierte und repräsentative Beschreibung des speziellen Produktes, mit der auch besondere Qualitäten für den gesamten Lebenszyklus beschrieben und als Differenzierungsmerkmal genutzt werden können. Hier können spezifische Daten zur Herstellung, dem Transport oder der Montage gemacht werden; z. B. ein erhöhter Anteil regenerativer Energien bei der Produktion durch ein eigenes Blockheiz- oder Wasserkraftwerk oder besonders geringe Wartungsintervalle. EPDs für andere Bauprodukte finden sich bei der IBU oder für Beschläge beim Verband Schloss und Beschlag.
Um Hersteller von Fenstern, Fassaden, Türen, Toren etc. auch bei der Erstellung produktspezifischer EPDs zu unterstützen, hat das IFT Rosenheim als sogenannter Programmhalter auch eigene Product Category Rules (PCR) für Fassaden, Türen, Tore und Beschläge erstellt, die als Grundlage für eine EPD dienen. Basis hierfür sind die DIN EN ISO 14025 sowie die prEN 15804 und der vom IFT erstellte Leitfaden zur Erstellung von Typ III Umweltproduktdeklarationen. In einer PCR werden die Regeln zur Erstellung einer EPD beschrieben.
Was ist ein CO2-Footprint?
Der CO2-Footprint (ökologischer Fußabdruck, engl.: Product Carbon Footprint PCF) beschreibt das CO2-Äquivalent für Produkte oder Dienstleistungen über einen bestimmten Lebenszyklus. Zur Zeit übersteigt der CO2-Footprint der Menschheit die gesamte biologische Kapazität der Erde um etwa 20 Prozent. Der Ressourcenverbrauch kann in Form des freigesetzten Kohlendioxids in kg CO2-Äquivalent ausgedrückt werden. Der PCF wird im Rahmen der Ökobilanz ermittelt. Direkte Produktvergleiche anhand des PCF haben z. Zt. eher einen orientierenden Charakter und sind nicht zur umfassenden Nachhaltigkeitsbewertung geeignet, weil Genauigkeit und Reproduzierbarkeit nicht ausreichen.
Fazit und Ausblick
Die Nachfrage nach Informationen zur Umweltwirkungen von Produkten, zum CO2-Footprint oder zu Nachweisen für die Gebäudezertifizierung nehmen zu. Die Anforderungen sind komplex und häufig noch unbekannt. Im Rahmen des erwähnten Forschungsprojektes wurde für Holz-, Alu- und Kunststofffenster sowie für Glas im Bauwesen eine Durchschnitts-EPD entwickelt, mit der Hersteller die notwendigen Nachweise einfach bereitstellen können.
Nachhaltigkeits- zertifizierungen sind komplex und stellen hohe Anforderungen.
Jürgen Benitz- Wildenburg, IFT
Mit Hilfe einer Durchschnitts-EPD können die geforderten Nachweise einfach erbracht werden.
Patrick Wortner, IFT

Kompakt Was ist noch gleich …
BNB = Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen, vom Bauministerium gefordertes Zertifikat für neue Gebäude des Bundes
DGNB = Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, erteilt ein gleichnamiges Gütesiegel für Nachhaltiges Bauen
LEED = amerikanisches Zertifizierungssystem zur Nachhaltigkeit (engl. Leadership in Energy and Environmental Design)
EPD = Umweltproduktdeklaration (engl.: Environmental Product Declaration)
PCR = Dokument, das allg. Regeln zur Erstellung von EPDs enthält (engl.: Product Category Rules)

Service

Detaillierte Informationen zum Thema Nachhaltigkeit im Fensterbau finden sich in der Fachinformation FI NA 02/1 oder unter www.ift-rosenheim.de/nachhaltigkeit
Institut für Fenstertechnik e.V. 83026 Rosenheim Tel.: (08031) 261-0 www.ift-rosenheim.de
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